Der Doppeladler im Zentrum der jüngst restaurierten Rathausfassade erinnert den Betrachter an Horbs schwäbisch-österreichische Vergangenheit. Damit dokumentierte Wilhelm Klink 1925 das Nachleben Vorderösterreichs, nachdem man mehr als 100 Jahre lang versuchte hatte, jegliche Erinnerung an die "gute alte österreichische Zeit" auszulöschen. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Die Horber Rathausfassade weist auf die österreichische Vergangenheit der Neckarstadt hin

Nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten strahlt das sogenannte Horber Bilderbuch auf der Rathausfassade in neuem Glanz. Der Doppeladler im Zentrum kündet allen Betrachtern, dass die Stadt Horb eine schwäbisch-österreichische Vergangenheit besitzt.

Horb. Nachdem auch in Horb die Erinnerung an österreichische Traditionen im 19. Jahrhundert weitgehend verloren gegangen war, leitete Wilhelm Klink 1925 mit seiner Fassadenmalerei eine Rückbesinnung auf die vorderösterreichische Geschichte ein.

Kaiser Franz I. von Österreich musste 1805 im Frieden von Preßburg unter anderem seine gesamten Vorlande an die mit Napoleon verbündeten Staaten Bayern, Baden und Württemberg abtreten. Damit war Habsburgs fast 800-jährige Stellung als Landesherr in Südwestdeutschland vorbei. Auf den guten Kaiser Franz folgte der machtbewusste Friedrich Wilhelm Karl von Württemberg, König von Napoleons Gnaden. Der Nachfolgestaat Württemberg versuchte zwischen Neckar und Grabenbach jegliche Erinnerung an die "gute alte österreichische Zeit" auszulöschen. Nur die schwindelerregende Höhe bewahrte den österreichisch-hohenbergischen Wappenschmuck über den Chorbögen der Liebfrauenkapelle und der Stiftskirche vor einer Übermalung.

Für Horb endete die österreichische Herrschaft 1806

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, der die Entschädigungsfrage jener deutschen Fürsten regelte, die durch die Abtretung linksrheinischer Gebiete an Frankreich betroffen waren, mit dem Preßburger Frieden vom 26. Dezember 1805, der nach der Schlacht bei Austerlitz die Macht des habsburgischen Kaisers auf seine Erblande beschränkte, und mit der Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, in der 16 deutsche Fürsten ihren Austritt aus dem Deutschen Reichsverband erklärten, brach vor mehr als 200 Jahren das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ruhmlos unter den Schlägen eines kleinen Korsen namens Napoleon Bonaparte zusammen.

Für die Horber endete die seit "unvordenklichen Zeiten" währende Zugehörigkeit zum kaiserlichen Hause Habsburg genau am 12. Januar 1806, als auf Geheiß des württembergischen Oberlandeskommissärs Hans Otto Freiherr von der Lühe ein württembergisches Truppenkontingent bestehend aus 20 Mann Infanterie und acht Reitern in die Neckarstadt einrückte, nachdem mit Rottenburg schon eine Woche zuvor der Verwaltungssitz der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg okkupiert worden war. Da die Rottenburger sich mit dem Ende der über vier Jahrhunderte währenden österreichischen Herrschaft zwar tränenreich, doch kreuzbrav abgefunden hatten, konnte der württembergische Kammerherr Christian Johann Ludwig von Breitschwert noch am Tag des Einmarsches die Horber Beamtenschaft fast problemlos auf den neuen Landesherren von Napoleons Gnaden verpflichten.

Gleichzeitig brachte das Infanteriekommando die Hoheitszeichen des frisch gebackenen Königreichs Württemberg an den fünf Haupttoren des äußeren Stadtmauerrings, dem an der Neckarbrücke gelegenen Nordstetter Tor sowie am Rathaus und am Haus des Zollers an. Obgleich das alte Reich formaljuristisch als unauflösbar galt, legte Kaiser Franz II. aufgrund der Umwälzungen und der damit verbundenen realen Machtverhältnisse am 6. August 1806 die deutsche Kaiserwürde nieder und erklärte sein Amt für erloschen.

Ausgerechnet eine "Fürstenrevolution" hatte zum Zusammenbruch der feudalen Adelsrepublik des alten Reiches geführt, und die Regenten von Napoleons Gnaden leiteten damit gegen ihren Willen das bürgerliche Zeitalter ein, das ihren eigenen Untergang einläuten sollte. Die napoleonische Flurbereinigung ließ gerade auf der so buntscheckigen Landkarte von Süddeutschland zahllose Zwergstaaten mit den neuen rheinbündischen Mittelstaaten verschmelzen, und rund vier Millionen Menschen erhielten bei diesem üblen Länder- und Titelschacher neue "Vaterländer". Dazu zählten auch die nunmehr württembergisch gewordenen Horber, denn mit dem alten Reich waren im deutschen Südwesten gleichfalls die vorderösterreichischen Lande untergegangen, die Jahrhunderte lang von der Innsbrucker beziehungsweise Wiener Hofburg aus regiert worden waren.

Die Zuneigung der Vorländer zu Österreich zeigte sich in Horb allein schon an den Stadttoren, Wehrtürmen, Brunnen und Wirtshausschildern oder in den Kirchen und Klöstern, wo man aus anerkannter Anhänglichkeit Statuen der Habsburger oder Wappen der Dynastie anbrachte. Dass der Nachfolgestaat Württemberg auch zwischen Neckar und Grabenbach jegliche Erinnerung an die "gute alte österreichische Zeit" auszulöschen versuchte, lässt sich anhand der Horber Oberamtsbeschreibung aus dem Jahre 1865 nachweisen.

So wurde dem habsburgischen Löwen auf dem Marktbrunnen, der dank des Kultur- und Museumsvereins wieder den vom hohenbergischen und österreichischen Wappen geteilten Schild hält, ein württembergisches Wappen verordnet, und das lebensgroße Standbild von Erzherzog Ferdinand II. von Österreich-Tirol auf dem Platzbrunnen deklarierte man aufgrund des Schildes zur Statue eines Ritters von Geroldseck um, zumal sich das geroldseckische Wappen nur in den Farben vom österreichischen Bindenschild unterscheidet und die Geroldsecker im Zuge der spätmittelalterlichen Territorialisierung am oberen Neckar gegen das Haus Württemberg den Kürzeren gezogen hatten.

Lediglich der 1521 über dem Chorbogen der Liebfrauenkapelle geschaffene Wappenschmuck sowie das österreichisch-hohenbergische Wappenpaar im Fresko, das auf der Innenseite des Chorbogens in der Stiftskirche an die Gründung des Chorherrenstifts erinnert, blieben aufgrund ihrer schwindelerregenden Höhe vor dem Zugriff des in Horb nach neuer Identität heischenden Königreichs Württemberg verschont.

Mit dem vom König von Württemberg aufgelösten Chorherrenstift ist in Horb auch das Gedenken an die Habsburger verschwunden, und nach mehr als 200 Jahren ist das habsburgische Vorderösterreich im Bewusstsein der Gegenwart mehr oder weniger verloren gegangen. So verbannte bei Restaurierungsarbeiten im Jahr 1968 die Hand des aus Stuttgart stammenden Kunstmalers Paul Kälberer das österreichische Bindenschild von der Tartsche des gotischen Reiters auf dem inneren Ringmauerturm, und für die meisten Bewohner des Ballungsraumes mittlerer Neckar liegt Vorderösterreich heute nicht mehr direkt vor der Haustür, sondern irgendwo zwischen der Steiermark und Kärnten.

Dagegen hat am Horber Wassertor das ursprünglich österreichische Wappen dank der Initiative des Besitzers die bei einer Renovierungsmaßnahme versehentlich angebrachten württembergischen Hirschhornstangen auf gelbem Grund vor einigen Jahren wieder verdrängt. Auf der Rathausfassade dokumentiert noch der von Wilhelm Klink gemalte Doppeladler inmitten des in den Jahren 1925/27 geschaffenen Horber Bilderbuchs das Nachleben Vorderösterreichs zu einer Zeit, als seit seiner Auflösung bereits mehr als 100 Jahre vergangen waren.