Laut des neuen Horber Bildbands war der Schurkenturm "der Burgfried der Alten Burganlage". Bei der Stadtverwaltung als Herausgeber hat sich immer noch nicht die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Schurkenturm kein Bergfried, sondern ein Teil der Stadtbefestigung war, der die gefährdete Westseite der Stadt sicherte. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Kultur- und Museumsverein kritisiert Fehlinformationen im Horb-Bildband

Geschichtliche Irrtümer halten sich wohl nirgends so hartnäckig wie in Horb. Angesichts des aktuellen Bildbands der Stadtverwaltung mit dem Titel "Horb a. N.ckar – Tor zum Schwarzwald" schwoll einigen Mitgliedern des Kultur- und Museumsvereins der Kamm.

Horb. Gleich zwei "Fake News", gegen die der Verein schon seit Jahrzehnten offenbar vergeblich ankämpft, haben die Heimatforscher in dem Band entdeckt. Und das lässt sie fast an der Sinnhaftigkeit ihres Tuns zweifeln.

Im einführenden Teil ist zu lesen, dass Horb 1228 erstmalig als Stadt erwähnt wurde. Aber schon seit der 700-Jahrfeier der Stadt Horb im Juni 1929 wissen die Neckarstädter, dass sie mit dieser in der Oberamtsbeschreibung erwähnten Urkunde aufs falsche Pferd gesetzt haben. Tatsächlich hatte ein mittelalterlicher Urkundenfälscher ein "L" von dieser Urkunde gerubbelt und diese damit um 50 Jahre vordatiert. Die Ersterwähnung eines Schultheißen, die das Stadtrecht voraussetzt, erfolgte in Horb mit "Burchardus de Wachendorf" im Jahr 1244, während "C(onradus) dictus Bokili" als "scultetus in Horwe" erwiesenermaßen erst 1278 auftrat. Auf diesen offensichtlich unausrottbaren Irrtum hat der Verein auch bei dem vor zwei Jahren erschienenen Bildband des Landkreises Freudenstadt verwiesen.

Schurkenturm entstand wohl in der Mitte des 14. Jahrhunderts als Schutz für die gefährdete Westseite der Stadt

Des Weiteren wird der Schurkenturm fälschlicher Weise als "Burgfried der alten Burganlage" bezeichnet. Gegen diese irrige Annahme hat der Kultur- und Museumsverein mit seinen Publikationen bislang ebenso vergeblich angekämpft. Zum einen ist die 1396/97 unter Herzog Leopold IV. von Österreich errichtete obere Feste die jüngste Horber Burg und zum anderen war der ältere Schurkenturm ein Teil der Stadtbefestigung, der eben nicht zu "den Grundmauern der ehemaligen Burganlage" gehörte. Der Schurkenturm war Teil der Stadtbefestigung und schützte die am stärksten gefährdete Stelle zu einer Zeit, als es die davor liegende obere Feste noch gar nicht gegeben hat. Er wurde als ein zur Stadtseite offener Schalenturm erbaut und kann schon deshalb nicht als Bergfried angesprochen werden.

Von Horbs frühester Entwicklungsphase ist als Bausubstanz nichts mehr erhalten, aber die grundsätzliche Struktur aus Straße und Flussübergang, Burg und kleiner, noch unbefestigter Siedlung war in der Zeit um 1100 durchaus verbreitet. Die vorhandene Siedlung wurde aber nicht ummauert und zur Stadt gemacht, sondern neben dem ursprünglichen Burgweiler wurde die Stadt neu angelegt, wobei man eine besser geschützte Lage wählte. Im Falle von Horb nutzte man den Schüttebergausläufer, der westlich der Burg Herrenberg leicht anstieg. Der Bergsporn bot zwar nur Platz für einen Straßenmarkt mit je einer Häuserreihe an beiden Seiten, fiel dafür aber hinter diesen Häuserreihen steil ab und war so zumindest dreiseitig gut geschützt.

Dass die noch sehr kleine Stadt auf dem Bergrücken von Anfang an befestigt war, belegen die Rückseiten der beiden Häuserreihen am Markt, die über eine längere Strecke auf einer durchlaufenden Linie stehen, vor der das Gelände steil abfällt. Diese älteste Stadtmauer, die um 1226/27 errichtet worden war, wurde dann nicht abgerissen, sondern in späterer Zeit als Rückwand der meisten Häuser am Markt benutzt. Da der untere Teil des Stiftskirchturms eher an den Bergfried einer Burg als an einen gewöhnlichen Kirchturm erinnert, könnte hier der früheste Bau gestanden haben, der im Westen vor dem Steilanstieg zur Schütte die extrem gefährdete Angriffsseite der Stadt schützte.

Die Erweiterung der ursprünglichen Stadt auf dem Bergsporn erfolgte etwa ein halbes Jahrhundert nach der Stadtgründung auffällig schnell. Die zweite Mauer von Horb besaß einen rund zwei Kilometer langen, beinahe rechteckigen Verlauf und nutzte den Mühlkanal sowie den Grabenbach als zusätzlichen Wassergraben. Der zweite Stadtmauerring besaß vier Tore, aber nur zwei Türme, nämlich einen Eckturm am Mühlkanal sowie den Schurkenturm. Dieser wurde wohl in der Mitte des 14. Jahrhunderts an der gefährdeten Westseite als zusätzliche Sicherung der schon bestehenden Mauer nachträglich hinzugefügt.

Da die Burg Herrenberg schon beim Übergang an die österreichische Herrschaft als ziemlich sanierungsbedürftig galt, ließ Herzog Leopold IV. von Österreich 1396/97 die dem Schurkenturm vorgelagerte obere Feste errichten, die einerseits als neuer Wohn- und Amtssitz des österreichischen Obervogtes diente, andererseits der Stadt zusätzlichen Schutz bot.

Auch im Spätmittelalter wuchs Horb beidseitig des Schüttebergausläufers sowohl im Neckar- als auch im Grabenbachtal weiterhin kräftig. Zur Sicherung der Ihlinger Vorstadt, der Vorstadt am Aischbach sowie der Vorstadt im Tal wurde ein nicht ganz zwei Kilometer langer äußerer Stadtmauerring errichtet. Jedem Stadttor des inneren Stadtmauerrings wurde bei der Anlage des äußeren Stadtmauerrings ein weiteres Stadttor vorgelagert.

Vom Gaistor führte die äußere Stadtmauer zum äußeren Ihlinger Tor, das für das Jahr 1417 verbürgt ist. Das dem Stadttor auf dem Buß vorgelagerte Altheimer Tor fand bereits 1394 Erwähnung. Der dem Pfennigturm vorgelagerte äußere Bildechinger Torturm erhob sich spätestens seit 1425 über der Bildechinger Gasse.

Im selben Jahr wurde mit dem Bau des äußeren Mühlener Tores begonnen, dessen Doppeltoranlage wohl das stattlichste Bild unter den Horber Stadttoren bot.

Für den Grabenbach und den Aischbach mussten zum Ein- und Auslass Wassertore geschaffen werden, von denen das am Mühlkanal befindliche Wettetor 1460 erstmals genannt wurde. Für den Nahbereich wurden, um größere Umwege zu vermeiden, neben dem bereits 1390 genannten Schüttetörle noch das Weidentor und das Frauentor errichtet, die 1443 und 1460 erwähnt wurden.

Mit der Fortentwicklung der Feuerwaffen geriet die Bedeutung der mittelalterlichen Stadtbefestigung aber mehr und mehr ins Hintertreffen. Aber noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als zahlreiche Räuberbanden das Land zwischen Neckar und Bodensee in Angst und Schrecken versetzten, fühlte man sich hinter den Horber Stadtmauern zumindest sicherer als auf dem flachen Land.

Die Stadtbefestigungsanlagen verloren in Horb endgültig ihre Funktion, als 1836 "von Seiten des Stadtrathes, höherer Intensions gemäß, die Stadt-Thor-Sperre" bei den sieben äußeren Toren aufgehoben wurde. Noch im selben Jahr wurden bis auf das Gaistor sämtliche geschlossenen Tore der Stadt Horb auf Betreiben des Oberamtmanns Christian Dillenius und des Stadtrates abgerissen. Die mittelalterlichen Wehranlagen galten als militärisch wertlos und die völlig verarmte Stadt war überhaupt nicht in der Lage, die dafür nötigen Unterhaltungskosten aufzubringen.

Der Abbruch der Stadttore befreite den Horber Magistrat allerdings nicht nur von unnötig erscheinenden Baulasten, er brachte auch Luft, Licht und freie Räume in die ehemals doppelt ummauerte Stadt. Mit dem Feingefühl eines Rammbocks wurde jedoch wertvolle historische Bausubstanz für immer zerstört. Von den vier ursprünglichen Stadttoren des inneren Stadtmauerrings hat lediglich der Luziferturm den Sturm der Zeiten überlebt.

Bis auf das Gaistor, in dessen Torturm sich der Nachtwächter Johannes Noll 1810 eine Wohnung eingerichtet hatte, wurden sämtliche Befestigungswerke an den sieben Stadteingängen des äußeren Stadtmauerrings für den Abbruch freigegeben. Das Torwärterhäuschen im Tal konnte den Brecheisen und Pickeln nur entkommen, weil es einer Straßenerweiterung nicht im Wege stand.