Foto: Scholz

Bei rot über die Ampel. Demonstration für mehr Rücksicht. Stadt arbeitet an Radweg-Konzept. Mit Video 

Horb - "Fahrradklima-Tests" nennt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) seine Aktionen, mit denen der für die umweltfreundliche Fortbewegung wirbt. Dieses Klima ist nicht überall gut – und für Radfahrer in Horb ist das Grund genug zu zeigen: Jetzt reicht es! Am Freitag startete das erste "Critical Mass". Der Schwabo-Reporter ist mitgefahren.

Horb. 20 Radfahrer stehen auf dem Flößerwasen. Die Verkehrspolizei ist auch dabei. Premiere für das erste "Critical Mass". Initiatorin Kristina Sauter (Grüne) sagt: "Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir Radfahrer in Horb zu wenig Platz haben!"

Die Critical-Mass-Aktion ist ein Protest, den die Verkehrsregeln erlauben: Gruppen ab 15 Radfahrer haben dieselben Rechte auf der Straße wie ein LKW. Klartext: Die "kritische Masse" ist auf dem Flößersteg erreicht.

Und damit bei der ersten "Rad-Demo" nichts passiert, macht die Verkehrspolizei mit zwei Motorrädern und einem Streifenwagen den Weg frei. Ein Verkehrspolizist von der Motorradstaffel aus Balingen sagt: "Bei uns sind die Radwege gut ausgebaut."

In Horb nicht. Schon 2012 hat die Offene Grüne Liste die Erstellung eines Radverkehrskonzepts beantragt. 2017 wurden die ersten Mittel freigegeben. Erst Anfang diesen Jahres ist eine Verkehrsexpertin eingestellt worden, die auch das Radverkehrskonzept endlich umsetzen soll (wir berichteten).

Kristina Sauter erläutert: "Mit unserer Aktion wollen wir die Stadt Horb ermutigen, jetzt endlich erste Schritte zu gehen!"

Kurz nach 18 Uhr geht es dann los: Ulrich Morof von der ADFC-Ortsgruppe Horb hatte mit der Polizei noch die Strecke besprochen. Mit Blaulicht voran geht es erst die Schillerstraße lang – die Einbiegung Richtung Neckarstraße wird von der Polizei freigehalten. Rotlicht? Scheißegal! Wir radeln einfach rüber, die Autos müssen warten. Weiter geht es durch die Neckarstraße, das Ihlinger Tor hin zur Berufsschule. Zurück bei Bosch-Rexroth auf die Landstraße. Die Autos stauen sich zurück bis zum Kreisel beim Aldi. Doch keiner hupt, keiner gibt sich genervt. Wir winken freundlich rüber.

Dann die Dammstraße hoch. Auch Tankstellen-Besitzer Hans-Joachim Eckert schaut neugierig und lächelt rüber. Immer kriegen Radfahrer bei ihm Druckluft, wenn das Ventil passt…

Rein in die Mühlener Straße, raus bis zum Hallenbad. Dann wieder zurück. An der Kreuzung Gutermannstraße steht Horbs bekanntester BMW: Der von OB Peter Rosenberger. Er schaut rüber, hebt den Daumen. Ob seine frisch eingestellte Verkehrsplanerin Nina Ledermann bald mehr für die Radfahrer auf der Pfanne hat?

Es geht die Altheimer Straße hoch. Den Grabenbach wieder runter. Das ist – neben der Neckarstraße – bisher der einzige Weg, auf dem wir Radfahrer auch ohne extra Streifen oder Radweg uns auch ohne Polizeischutz sicher fühlen würden.

Über die Dammstraße geht es dann in Richtung Bahnhof und Einkaufszentrum. Neben dem Rewe sagt Kristina Sauter: "Wenn man als Radfahrer hier rausfährt auf die Kreuzung, wird man ganz oft übel von den Autofahrern überholt und eingequetscht."

Nach gut einer Stunde – auch vorbei an der winkenden Elisabeth Schneiderhan – und acht Kilometern sind wir zurück auf dem Flößerwasen. Ulrich Morof vom ADFC sagt: "Ich glaube, es ist ein Anfang davon, dass die Radfahrer in Horb ein Zeichen setzen." Initiatorin Kristina Sauter ist zufrieden: "Man fühlt sich als Radfahrer geschützt, wenn man in so einer großen Gruppe auch unter Polizeischutz unterwegs ist. Normalerweise wird man auf der Dammstraße oder vom Bahnhof weg zwischen die Autos gedrängt. Wir haben keinen Raum zum Radfahren, und Horb hat da einen enormen Rückstand. In anderen Städten ist es schon besser."

Ulrich Ochs vom ADFC scherzt: "Ich glaube, wir sind diesmal viel zu schnell gefahren. Erst wenn die Autos hupen, haben wir das richtige langsame Tempo erwischt!"

Jetzt wollen die Initiatoren versuchen, mehr Teilnehmer für das nächste "Critical Mass" zu aktivieren. Sauter: "Wir werden den Jugendgemeinderat ansprechen und noch mehr Werbung machen."

Und wie ist die Bilanz des Schwabo-Reporters von der ersten "kritischen Masse"? War cool. Dank des Polizeischutzes konntest du auch bei Rot raus aus der Schillerstraße. Im Gegensatz zu meiner alten schwarzen Karre wurde mein Zweirad-Gefährt (weißes Pininfarina-Klapp-Mountainbike) von den Mitfahrern bewundert. Einmal König auf der Straße sein – für Horbs Radfahrer wird das wohl weiter ein Traum bleiben. Außer beim Critical Mass. Deshalb: Das nächste Mal mitfahren! Laut Sauter ist das nächste "Critical Mass" am Freitag, 17. Mai, ab 18 Uhr geplant.