Das Interesse an detaillierten Informationen über die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen war sehr groß. Foto: Jeanette Tröger/Picasa

Der Bürgerinfoabend zum Hochwasserschutz hat die Bevölkerung mobilisiert. Etwa 150 Zuhörer sind am Dienstagabend in die Gemeindehalle gekommen, um aus erster Hand zu hören, was geplant ist.

Gemeinderat und Verwaltung fühlen sich verpflichtet, mit entsprechenden Maßnahmen Extrem-Ereignisse aufzufangen oder zumindest abzuschwächen, sagte Bürgermeister Jens Häußler zur Begrüßung in der gut besetzten Gemeindehalle. Gregor Kühn, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Wald + Corbe und federführender Planer der Hochwasserschutzmaßnahmen, informierte mit einer sehr ausführlichen und detailreichen Präsentation über die Vorhaben.

Einen absoluten Schutz gibt es nicht

Jedes Mal, wenn es stark regnet, ist das Hochwasser vom 15. Mai 2009 bei den Gechingern wieder präsent. Es gebe jedoch „keinen absoluten Schutz“, machte Häußler klar. Bei den vorgestellten Maßnahmen handle es sich um eine „relative Verbesserung“. Das zeige auch die Förderpraxis des Landes, die maximal Maßnahmen gegen ein 120-jähriges Hochwasser, klassifiziert als HQ100+Klimafaktor, bezuschusse. „Ein Hochwasser wie 2009 (ein Ereignis, das statisch einmal in 1000 Jahren eintritt) würde trotz der geplanten Maßnahmen wieder den Ort überfluten“, machte auch Kühn zu Beginn seiner Präsentation klar. Und beide wiesen darauf hin, dass die Grundstückseigentümer einen gewissen Eigenschutz mit Rückstauklappen, Dammbalken und ähnlichem betreiben sollten.

Ist-Zustand

Drei Täler bringen Wasser in den Ort: vom Tal aus Althengstett mit dem Bettelgraben, dann das Stammheimer Tal über das ehemalige Gärtnereigelände und das Tal aus Richtung Sieben Tannen, beschrieb Kühn den Ist-Zustand. Die Gewässer sind im Ort verdolt, die könne man nicht öffnen, und die engste Stelle ist der Feuersee-Abfluss. „Wenn das ankommende Wasser nicht in die Verdolung passt, sorgt das für Überflutung und für Schäden“, so Kühn.

Maßnahmen M1 bis M6

Mit insgesamt sechs Maßnahmen (M1 bis M6) soll dafür gesorgt werden, dass künftig mehr ankommendes Wasser bei starken Regenfällen schadenfrei frei durch den Ort in Richtung Deufringen abgeleitet werden kann. Dadurch sind manche Flächen künftig nicht mehr Überschwemmungsgebiet und können, vor allem im Kernort, leichter oder überhaupt bebaut oder neu geordnet werden – Stichwort Altortentwicklung. M1 bis M5 sind lokale Ausbaumaßnahmen der wasserbringenden Gewässer aus dem Stammheimer und Gültlinger Tal sowie entlang der Irm bis zum Feuersee. Dieser wird als See aufgelöst und ein Löschwasserreservoir in die Erde verlegt. Mit treppenartigen Überfallschwellen wird das Gewässer so aufgeweitet, dass statt der bisher möglichen Abflussmenge aus dem Feuersee von 1,5 Kubikmeter pro Sekunde künftig bis zu 6,9 Kubikmeter pro Sekunde abfließen können. M6 ist eine Kombination aus Hochwasserrückhaltebecken vor dem Beginn der Bebauung im Althengstetter Tal sowie Neubau und Ausweitung der Bettelgrabenverdolung hinunter bis in die Ortsmitte. Alle sechs Maßnahmen wirken zusammen und müssen deshalb in Gänze umgesetzt werden, sagte Kühn.

Fragen der Zuhörer

Ob der Fahrradweg nach Althengstett trotz Rückhaltebecken erhalten bleibt, war eine Frage, die Kühn mit Ja beantwortete. Armin Winterstein plädierte dafür, dass flankierend zu den baulichen Maßnahmen der Regenabfluss aus den Feldern durch Humusaufbau, Feldhecken oder Gräben das Wasser länger auf den Feldern gehalten werden kann. Nach Beschränkungen während der Bauzeiten wurde gefragt. Ein Zuhörer plädierte dafür, im Stammheimer Tal einfach drei Feldwegquerungen zu erhöhen, um Wassermassen zu bremsen, das würde mehr bringen. Dem widersprach der Planer, die notwendigen Erhöhungen müssten bis zu drei oder vier Meter hoch sein und wären als teurere technische Anlagen nicht förderfähig. Heute sei der Ausbau der Gewässer die kostengünstigere Maßnahme. Ob im weiteren Klimawandel noch zusätzliche Rückhaltungen notwendig werden, werde die Zeit zeigen.

Wall für Grundstücke entlang der Talstraße

Das Rückhaltebecken im Althengstetter Tal wird mit einer begrünten Asphaltschicht abgedichtet und „ ja, die Bäume im direkten Dammbereich müssen gerodet werden“, so Kühn auf eine Frage. Wie die neue Kita werden auch die weiteren Grundstücke entlang der Talstraße einen Wall entlang des Bachs bekommen, sagte Kühn zu, auch dass der Bach so bleibt, dass die Grundstücke in Richtung Ort bestehen bleiben. Wann jetzige Überschwemmungsgebiete wieder bebaubar sind, wurde gefragt – das sei jeweils möglich, sobald eine Teilmaßnahme abgenommen ist.

Bewilligt ist bewilligt

Uli Schöttmer fand, dass 8,5 Millionen für nur HQ100+K viel Geld sind, „was würde passieren, wenn wir jetzt nichts machen?“ Im Vorfeld wurde eine Kosten-Nutzen-Bewertung gemacht, so Kühn, wobei Nutzen der hypothetisch verhinderte Schaden ist. „Auf die Jahre gerechnet ist es günstiger, das Geld auszugeben als den Schaden zu erleiden.“ Einem anderen Zuhörer wurde zu viel über Kosten diskutiert. Es hätte 2009 gerade noch verhindert werden können, dass zwei Menschen sterben. „Kann die Förderung wegfallen bei dem langen Zeitrahmen, wenn Vater Staat knapp bei Kasse ist?“, fragte Jürgen Groß. „Wenn die Förderung bewilligt ist, ist sie bewilligt“, sagte Kühn dazu Fünf Jahre sind dabei der übliche Förderzeitraum.

Kosten und Zeitplan

Kostenrahmen
Die Kosten wurden mit dem gestiegenen Baukostenindex hochgerechnet. Bruttobaukosten 6,916 Millionen Euro plus 20 Prozent Baunebenkosten ergibt Gesamtkosten von 8,27 Millionen Euro. Fördersatz maximal 70 Prozent der förderfähigen Kosten, rund 5,79 Millionen Euro, Eigenanteil Gemeinde 2,48 Millionen Euro. Bürgermeister Jens Häußler machte klar, dass es für die Förderung keine Garantie gibt und die Maßnahmen nur ausgeführt werden, wenn die Förderung kommt.

Zeitplan
Die Maßnahmen werden zweigleisig umgesetzt, begonnen wird mit den lokalen M1 bis M5 und etwas zeitlich versetzt M6. Entwurfsbilligung, wasserrechtliche Genehmigung und Förderbescheid bis Ende 2024, Ausschreibungen ab 2025. Bauzeit etwa zwei bis drei Jahre, Fertigstellung zwischen 2028 und 2030.

Infomaterial Die Präsentation mit allen Plänen ist auf der Gemeinde-Homepage unter Kommunalpolitik/Ratsinformation/Unterlagen nachzulesen.