In Deutschland gibt es gleich mehrere "älteste Gasthäuser" / Zwei heiße Kandidaten liegen in Südbaden

Von Ralf Deckert Freiburg. Die Vergangenheit hat es an sich, dass sie zurückliegt. Manchmal sehr weit. Das macht es so schwierig, das älteste Gasthaus Deutschlands zu küren. Heißer Kandidat: der "Rote Bären" in Freiburg.Mittelalterexperten wissen: Mit überlieferten Zahlen muss man vorsichtig umgehen. Ganz sicher hat Karl Martell in der Schlacht bei Poitiers 732 zum Beispiel keine "375 000 Sarazenen" niedergemetzelt, wie es die zeitgenössische Chronik behauptet. Und Frankenkönig Chlodewig ließ sich nach seinem Sieg in der Schlacht von Zülpich 496 auch nicht gleich vom Schlachtfeld weg taufen, sondern er brauchte vermutlich noch ein paar nicht näher definierbare Jahre länger, bis er den Heidengöttern den Rücken kehrte.

Wem mag es bei so viel Ungenauigkeit im Zusammenhang mit historischen Ereignissen mit Einfluss auf die Weltgeschichte noch bitter aufstoßen, wenn man bei der Frage nach der ältesten Kneipe Deutschlands gleich mehrere Wirtsleute "hier!" rufen hört? Eines dieser Häuser ist der "Rote Bären" in Freiburg. Er kann auf eine vermutlich 700 Jahre dauernde Geschichte blicken und feiert diese nun gebührend. "Bären"-Wirtin Monika Hansen und die Freiburger Journalistin Sabine Frigge, die das Jubiläumsbuch für den 700 Jahre alten "Petz" herausgegeben hat, sehen die Frage nach der ältesten Beiz im Land entspannt: Um den Titel "ältestes Gasthaus" werde ja nicht gerungen oder gestritten, betont Frigge. Auch eine Diskussion unter den Wirten der verschiedenen "ältesten Gasthäuser" Deutschlands gebe es nicht.

Vielleicht lohne sich die Debatte auch gar nicht erst, denn nur der "Rote Bären" könne bis ins 14. Jahrhundert hinein seine Nutzung als Gasthaus belegen. Schon im frühen 20. Jahrhundert habe der Freiburger Stadtchronist Wilhelm Fladt eine Urkunde vom 13. März 1387 gefunden, in der der erste Bärenwirt Hanman Bienger mit "Hanman wirt ze dem Roten Bern" bezeichnet wird. Klar, dass der Bären im Jahr 1987 also seinen 600. Geburtstag feiern durfte. Aber es kommt noch besser: Man entdeckte später außerdem noch den Vater von Hanman Bienger und schließlich, erwähnt 1311, den Großvater Johan den Bienger, der vermutlich ebenfalls Wirt war, so dass man nun im Jahr 2011 schon wieder feiert. Auch, wenn der Schankbetrieb für das Jahr 1311 beim genauen Hinsehen eigentlich nicht wirklich belegt scheint.

Sogar Elvis Presley speist in historischem Gemäuer

Aber: "Seit 1387 ist der ›Rote Bären‹ nachweislich immer nur eines gewesen: ein Gasthaus. Das macht ihn in Deutschland einzigartig", so Sabine Frigge. Sogar das Bombardement der Stadt im November 1944 überstand das Haus, es wurde dann aber 1945 von den Franzosen für sieben Jahre beschlagnahmt. Was zeigt: Eine Wirtshausgeschichte ist auch eine Stadtgeschichte.

Über das Jahr verteilt will Wirtin Monika Hansen deshalb mit Feierlichkeiten die Geschichte des Gasthauses und der Stadt gleichermaßen aufleben lassen. Dazu gibt es etwa einen "Hammeltanz" am 1. Mai und einen Erntedanktag am 1. Oktober.

Doch gibt es eben auch noch andere "älteste Gasthäuser" in Deutschland, eins davon ist sogar ebenfalls in Südbaden zu finden, die "Herberge zum Löwen" bei der Burg Geroldseck bei Seelbach in der Ortenau. Wirtin Oksana Ockenfuß kann berichten, dass das Haus urkundlich erstmals im Jahr 1370 erwähnt wurde, es gibt aber auch einen Holzbalken im Haus, der die Jahreszahl 1231 trägt.

Das somit vermutlich 780 Jahre alte Gebäude steht unter Denkmalschutz, hat aber in den vergangenen Jahren eine etwas wechselvolle Geschichte erlebt. Zeitweise stand das Haus leer. Die neuen Wirtsleute sind erst seit vorigem Jahr dort aktiv, und die Sache mit dem "ältesten Gasthaus" nimmt Wirt Siegfried Ockenfuß gelassen: "Ältestes oder zweitältestes Gasthaus, da wollen wir nicht streiten." Wichtig sei doch vor allem, dass die Qualität stimme.

Immerhin: Das Fachwerkgebäude des "Löwen" sei nie abgebrannt, sondern eben noch so, wie es einst gebaut worden sei, und das sei beim Freiburger "Bären" ja nicht der Fall. Auf jeden Fall wolle man nun im laufenden Jahr auch noch den 780. Geburtstag des "Löwen" feiern, in dem schon Prominente wie die Schauspielerin Elke Sommer und Altkanzler Helmut Kohl zu Gast waren.

Ein drittes "ältestes Gasthaus" in Deutschland ist der "Riesen" in Miltenberg in Unterfranken. Dieser kann gar auf eine erste Erwähnung im Jahr 1158 pochen, als Kaiser Barbarossa dort genächtigt haben soll. Die Übernachtung ist heute allerdings nicht mehr urkundlich belegbar. Sicher ist aber auf jeden Fall, dass der "Riesen" im Jahr 1411 eine Wirtschaft gewesen ist. Folglich kann man auch in Miltenberg dieses Jahr ordentlich feiern. Sogar Elvis Presley hat hier einst als einer von vielen Prominenten gespeist. "Aber geschlafen hat er nicht hier, dafür aber Franz Josef Strauß und Rudolf Schock (Sänger)", sagt Hotelbesitzerin Cilly Jöst.

Sie und ihr Mann haben den damals baufälligen "Riesen" 1970 gekauft und prächtig saniert. "Früher lagen die Wirte der ältesten Gasthäuser schon mal im Clinch deswegen, aber heute nicht mehr", erzählt sie. "Solange die anderen nicht weiter zurückverfolgt werden können als wir, geht es uns doch gut", meint die Wirtin weiter.

Doch damit ist es längst nicht genug: Im bayerischen Eilsbrunn gibt es das Gasthaus "Röhrl", das sich gar als ältestes Gasthaus der Welt bezeichnet und einen entsprechenden Eintrag im Guinness Buch der Rekorde vorweisen kann. Aber unterm Strich sollte man es auch damit nicht zu genau nehmen. Schon ein paar Minuten Recherche im Internet fördern weitere weltweit älteste Restaurants in Madrid in Spanien, in Dublin in Irland und im chinesischen Kaifang zutage.

Was zu dem eingangs erwähnten Umgang mit historischen Zahlen zurückführt: Man sollte vorsichtig mit ihnen umgehen, es sich aber natürlich dennoch im "Bären", im "Löwen", im "Riesen" und anderswo ordentlich schmecken lassen.