Kultur: Landestheater spielt im Museum / Stück mit experimentellem Charakter

Unheilvoll und manchmal befremdlich wirkte das gesamte Szenario: Sonderbar und auf jeden Fall außergewöhnlich war die Inszenierung von "Die Antigone des Sophokles" am Donnerstag in der Stadthalle.

Hechingen. Das antike Stück in der Version von Berthold Brecht wurde vom Landestheater Tübingen (LTT) aufgeführt. "Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen!", so heißt es im früher auch gerne Horst-Wessel-Lied genannten, einstigen Kampflied der SA, das zur Parteihymne der NSDAP wurde. Die in die Handlung der Inszenierung von Juliane Kann eingestreuten Unisono-Intonationen in Art von menschlichem Ächzen und Staccato-Stöhnen durch den "Chor" erinnerten in ihrer Einbindung in die Handlung an besagte Kampflieder.

Genau wie die "Internationale" der Kommunisten, die hier genauso wenig direkten Bezug zur antiken Handlung hatte wie das NS-Lied. Aber beide haben letztlich mit Krieg zu tun, so wie die hier aufgeführte, von Brecht 1948 nach dem Exil geschaffene Fassung, die wiederum auf Friedrich Hölderlins Version der "Antigone" fußt.

Und damit ging es um Tod, Trauer und vor allem Schmerz. "Wer in unserer Zeit statt Volk Bevölkerung sagt, unterstützt schon viele Lügen nicht", zitierte die Dramaturgin Laura Guhl bei ihrer Einleitung einen Satz von Brecht. Dazu war auf der leeren, lange Zeit nur von kaltem Licht in Neon-Art beleuchteten Bühne auf schwarzem Hintergrund das sich zu zersetzen scheinende Wort "Bevölkerung" zu sehen.

Das beziehe sich wiederum auf ein Werk Hans Haackes im Berliner Reichstagsgebäude, erklärte Guhl und bezeichnete das 422 vor Christus uraufgeführte Stück als die "vielleicht bekannteste Tragödie der Antike". Irgendwie artifiziell, das Ganze.

Schauspieler gestalten die Handlung in Kunstseide-Gewändern und Schnürstiefeln

Die Schauspieler, von denen hier nur Rolf Kindermann als zuweilen diabolisch wirkender König Kreon sowie Lisan Lantin als leidende Antigone genannt seien, wirkten insgesamt wie gehetzt im Handlungsablauf. Den gestalteten sie in durchsichtigen Kunstseide-Gewändern und in Schnürstiefeln. Die von Gewinn- und Zeitoptimierung geprägte Gegenwart schien sich hier zu spiegeln. Da wirkte die bewundernswerte Fähigkeit, das enorme Textmaterial von 80 Minuten Spielzeit nicht nur zu behalten, sondern passend in den jeweiligen Szenen zu platzieren. So, als wollten die Schauspieler die Textpassagen nur schnell aus dem Kopf raus haben. Geschafft, nächste Szene.

Nach verbalen Verletzungen folgt die sprachlich ausgedrückte Reaktion gewöhnlich nicht in Sekundenbruchteilen. Doch tollkühn war das Ganze schon, meinten am Ende so manche Theaterbesucher hinterher im Foyer der Stadthalle.