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Mittelalter-Dorf stand auf Römer-Ruinen. Funde zeigen Spuren einer Besiedlung vom 6. bis 8. Jahrhundert.

Hechingen-Stein - Ihnen war die Vorgeschichte egal. Auf den Ruinen der Römervilla in Stein wurde im Frühmittelalter ein Dorf erstellt. Respekt vor alten Mauern kannten die Siedler nicht.

Legenden über ein Alemannendorf auf den Römerruinen gibt es schon lange, mehrjährige archäologische Ausgrabungen haben bestätigt, dass sie mehr als nur einen wahren Kern haben. Im Jahrbuch des Amtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg (Ausgabe 2017) wird nun über diese Funde berichtet.

Die Römer hatten bekanntlich den repräsentativen Gutshof in Stein in der Mitte des dritten Jahrhunderts aufgegeben. Vermutlich war die Gegend durch marodierende Germanenhorden aus der Elbregion zu unsicher geworden.

Aber das Gelände wurde wieder besiedelt, wie Klaus Kortüm vom Amt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg auf Grundlage von Bodenfunden festgestellt hat. Die weisen auf eine sehr ausgedehnte Siedlung hin, die hier in der Merowinger-Zeit bestand, so etwa vom 6. bis ins 8. Jahrhundert nach Christus.

Aktuelle Nachuntersuchungen zwischen Tempelbezirk und Mühlengebäude zeigten mit Hilfe der Radiokarbonmethode, dass die verkohlten Reste eines vermutlich abgebrannten Hauses im Frühmittelalter direkt über den römischen Ruinen lagen. Interessant ist, dass die Mittelaltergebäude keine Rücksicht auf ältere Mauerverläufe nahmen.

Wie groß die Siedlung war, müsste noch durch genauere Forschungen ergründet werden. Jedenfalls beschlossen die Bewohner irgendwann, ihre Siedlung direkt ans Ufer der Starzel anzusiedeln. Gerd Schollian, Vorsitzender des Römervilla-Fördervereins, war ohnehin schon lange überzeugt, dass die Gründung des Ortes Stein und die der Siedlung "Niederhechingen" genau in diesen Zeitrahmen fallen.

Umzug wegen Wasser oder Sicherheit

Warum die Bewohner ins Tal zogen? Möglicherweise gab es Probleme mit dem Trinkwasser für die wachsende Bewohnerzahl, auch Hangrutschungen könnten in dieser Zeit aufgetreten sein, zudem wurden die Zeiten sicherer, Siedlungen in einer Ebene waren nicht mehr so gefährdet.

Damals breitete sich das Christentum in der Region aus, die beiden Sippen aus Stein und Niederhechingen bauten denn auch bald eine erste gemeinsame Kirche, die Martinskapelle, die bis 1833 südwestlich des heutigen Schützenhauses stand.

Im Jahrbuch des Theiss Verlags wird auch berichtet, dass das Denkmalamt im vergangenen Jahr weitere kleine Grabungen und Sondagen auf dem Gelände der Villa vorgenommen hat. Die überraschende Feststellung dabei: Wie bereits an der Westecke wurde auch an der Ostecke ein Turm sehr spät eingebaut, vermutlich erst im dritten Jahrhundert.

Das könnte Vermutungen bestätigen, dass eine Einhegung deutlich weiter im Osten verlief und das bislang eigentlich nur ein Bruchteil der Gesamtanlage ausgegraben wurde. Das außerhalb der Hofmauer in den vergangenen Jahren freigelegte Gebäude mit einer Grundfläche von 20 auf 18 Meter, dessen Fassade am Stück umstürzte und heute sensationell genaue Aufschlüsse über das frühere Aussehen gibt, passt zu dieser Annahme. Diese Mauerreste wurden zum Schutz wieder komplett mit Boden abgedeckt. Gerd Schollian ist überzeugt, dass sich dort noch weitere Reste römischer Gebäude befinden, deren Zustandsqualität nördlich der Alpen wohl einmalig sein dürfte.

Der Vorsitzende des Römervereins hofft, dass das Denkmalamt hier noch weitere Ausgrabungen vornehmen wird. Das aktuelle Engagement des Amtes lobenswert angesichts des engen finanziellen Rahmens der Behörde, stellt er anerkennend fest. Die vielen Fragen rund um die bedeutende Anlage in Stein könnten so aber nicht gelöst werden. Seine Hoffnung: Vielleicht werden sich einmal Archäologen einer Universität um die Anlage in Stein kümmern.