Online komplett abrufbar ist im Staatsarchiv in Sigmaringen die Entnazifizierungsakte von Landrat Paul Schraermeyer. Foto: Staatsarchiv

Staatsarchiv ermöglicht die Internetrecherche zu zahlreichen Entnazifizierungsakten.

Hechingen/Sigmaringen - Einen neuen Zugang zu einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte bietet das Staatsarchiv Sigmaringen. Die Entnazifizierungsakten aus dem Altkreis Hechingen sind im Internet nachlesbar.

War mein Großvater Nazi? Wie hat er sich im Dritten Reich verhalten? Für Württemberg-Hohenzollern finden sich im Staatsarchiv Sigmaringen nun Antworten auf solche Fragen. Die Akten, die aufeinandergetürmt 186 Meter hoch wären, hat Facharchivarin Corinna Knobloch mit Hilfe von Zeitangestellten elektronisch erfasst. Von den 151.000 im Gesamtbestand erfassten Personen sind 68.000 im Internet recherchierbar.

Die Original-Akten können im Staatsarchivs eingesehen werden. Ausgewählte Unterlagen, beispielsweise zwei Akten des langjährigen Hechinger Landrats Paul Schraermeyer, werden vollständig als digitale Reproduktionen im Internet präsentiert.

Wer die Geschichte eines Ortes in der Zeit des Dritten Reichs erforscht, für den sind die Entnazifizierungsakten wichtige Quellen. Oft finden sich dort Basisinformationen wie Namen, Geburtsdatum Wohnort und eine kurze politische Bewertung. Es gibt aber auch Akten, die Angaben zu der Person und zum Entnazifizierungsprozess machen und auch Aussagen anderer Personen enthalten. In diesen so genannten "Persilscheinen" wird manche Hintergrundgeschichte fassbar.

Als entlastende Faktoren werden kirchliches Engagement, die Kommunion oder Konfirmation und mögliche berufliche Abhängigkeiten vom Regime beschrieben. Wenn jemand einen anderen nach einer kritischen Äußerung nicht verraten hat, wurde dies ebenfalls positiv vermerkt. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs wollten die Besatzungsmächte mit dieser Aktion die aktiven Nationalsozialisten herausfiltern, die das Regimes wesentlich gestützt haben.

Vermieden werden sollte auf diese Weise, dass sie beim Neuaufbau wieder Einfluss auf das öffentliche Lebens erhalten konnten. Täter und NS-Aktivisten sollten außerdem bestraft und möglichst aus öffentlichen Ämtern entfernt werden.

Nur bei Verdachtsfällen wurde ein offizielles Verfahren eröffnet

In der französischen Zone beschränkte sich diese Überprüfung in der Praxis auf bestimmte Berufsgruppen. Die Tatsache, dass eine Person einen Meldebogen ausfüllte, lässt daher keinen Rückschluss über ihr Verhalten im Dritten Reich zu. Abhängig von den Angaben im Fragebogen kam es in Verdachtsfällen zu einem Verfahren. Dann wurde eine Akte angelegt.

Aus heutiger Sicht fallen manche Urteile in diesen Verfahren sehr milde aus, in anderen Fällen liegt es nahe, dass die Entnazifizierung benutzt wurde, um mit Anschuldigungen alte Rechnungen zu begleichen. Jedenfalls machte sich in der Bevölkerung bald die Überzeugung breit, dass bedeutende Nazis in der Nachkriegszeit schnell wieder führende Positionen einnahmen.

Weitere Informationen:

www.landesarchiv-bw.de