Kein Geld für den Bereitschaftsdienst, keine Lust auf Notfälle? Den Mann einer Ärztin aus dem Raum Hechingen kommt diese Haltung teuer zu stehen. Foto: Woitas

Ehemann einer Ärztin im Bereitschaftsdienst wimmelt Patientin ab. Opfer erleidet eine Lungenembolie.

Hechingen - 4500 Euro Geldstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung muss der Mann einer Ärztin aus dem Hechinger Umland bezahlen. Er hatte während des Bereitschaftsdienstes eine Patientin abgewimmelt – mit fast dramatischen Folgen. Die Frau erlitt eine Lungenembolie.

Die 45-jährige Stuttgarterin, die gestern vorm Hechinger Amtsgericht als Zeugin aussagte, hat erst mal die Nase voll vom ärztlichen Bereitschafsdienst. Anfang November 2011 war sie nach einem Sturz an Krücken gegangen und hatte sich bei ihren Eltern im Raum Hechingen auskuriert. Nachts plagten sie plötzlich "massive Wadenschmerzen". "Weil die einfach nicht besser wurden und ich mir Sorgen machte, es könnte eine Thrombose sein, rief ich beim Bereitschaftsdienst an", berichtete sie. Ein Mann nahm dort ab, der ihr sagte, wenn ihr Bein nicht "rot und heiß" sei, handle es sich nicht um Thrombose. Sie müsse nicht dringend behandelt werden.

Ärztin behandelt "diese blöden Patienten" ohnehin nicht gerne

Wie sich einige Tage später bei einem anderen Arzt herausstellte, war ihr Verdacht doch richtig gewesen: Inzwischen hatte sich eine schwere Beinvenenthrombose entwickelt, die zudem eine Lungenembolie verursachte. "Dadurch ist ein dauerhafter Schaden entstanden. Ich muss mein Leben lang Thrombosestrümpfe tragen, weil ich auf den Ratschlag des Mannes gehört habe", klagte das Opfer. "Ich dachte, er wäre der Arzt."

Das war er nicht, wie die Polizei herausfand: Ans Telefon war der Ehemann der diensthabenden Ärztin gegangen. "Dieser hat keine ärztliche Ausbildung", erklärte der Staatsanwalt. Der angeklagte Hausmann bestritt, mit dem Opfer telefoniert zu haben.

Der diensthabende Kriminalhauptkommissar berichtete, die Ärztin habe erklärt eine Thrombose sowieso nicht behandeln zu können. "Sie sagte, wenn ihr Mann ans Telefon gegangen wäre, hätte er die Patientin an ein Krankenhaus verwiesen." Und: "Für den Bereitschaftsdienst bekäme sie kein Geld, deshalb behandle sie die blöden Patienten ohnehin nicht." Laut Kommissar sei es für sie wohl reine Belästigung, wenn jemand während ihrer Bereitschaft anriefe. "Sie meinte auch, man müsse ihr erstmal nachweisen, dass sie am Tattag Bereitschaftsdienst hatte."

Dies erwies sich tatsächlich als schwierig, da an besagtem Wochenende Dienste getauscht und nicht richtig dokumentiert worden waren. "Es gibt aber eine Liste, auf der die Ärztin als diensthabend aufgelistet ist." Zudem hatte das Opfer den Nachnamen des Mannes ungefähr verstanden – und der deckte sich mit keinem der anderen Namen auf der Dienstliste als dem der Ärztin.

Aus Sicht des Verteidigers ließ sich nicht aufklären, mit wem das Opfer telefoniert und wer Dienst gehabt hatte: "Der Nachname ist das einzige Indiz, und darauf kann man eine Verurteilung nicht stützen". Der Richter war da anderer Meinung: "Das mit dem Namen wäre ein zu großer Zufall, und mit allen anderen Unsicherheiten wurde aufgeräumt." Er verurteilte den Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro.