Per Banküberweisung ist über Jahre hinweg Geld an den vermeintlichen Herrn Fischer geflossen. Jetzt steht er vor Gericht. Foto: Murat

40-Jähriger wegen Betrugs in 350 Fällen angeklagt. Mitbürger um 800.000 Euro erleichtert.

Hechingen - Auf der einen Seite gibt es kriminelles Talent, auf der anderen ein gutgläubiges Opfer. Das geht eine Weile gut, dann landet es vor Gericht. So im Fall eines 40-Jährigen, der sich zwischen 2015 und 2018 gut 800.000 Euro ergaunert hat. Am Montag wurde vor dem Hechinger Landgericht Anklage erhoben.

Der 40-Jährige, der in Bonn geboren ist, zeitweilig auf Mallorca logiert hat und derzeit in U-Haft sitzt, heißt nicht Fischer, sondern ganz anders. Aber unter diesem und anderen Namen hat er sich im Sommer 2015 eine gute Einnahmequelle erschlossen. Er kontaktierte ein Ehepaar aus dem Zollernalbkreis, das bei einer Firma Geld angelegt hatte. Die Firma war pleite gegangen. Der vermeitliche Herr Fischer von der "Firma Fischer" bot an, das Geld via Spanien zurückzuholen.

Aber die Leistung war mit Kosten verbunden. Und das Ehepaar löhnte per Banküberweisung oder in bar in sage und schreibe 118 Fällen. Der gewiefte "Helfer" tischte täglich neue Lügen auf, versprach profitable Anlagen. Es waren Summen zwischen einigen hundert und 20 000 Euro. Das Geld kam von privaten oder geschäftlichen Konten bei der Sparkasse Zollernalb, bei der Kreissparkasse Tübingen, bei der Postbank und bei der Volksbank Hohenzollern-Balingen.

Irgendwann ging es aus, die Familie geriet in wirtschaftliche Bedrängnis, nahm Darlehen auf, um die Forderungen des trickreichen Betrügers befriedigen zu können. Derzeit hat das Ehepaar aus dem Zollernalbkreis Schulden un Höhe von 500.000 Euro.

Die Beiden blieben nicht die Einzigen, die auf die betrügerische Masche hereinfielen. Für Staatsanwalt Sommer war es ein wahrer Kraftakt, die einzelnen rechtlich selbstständigen Handlungen aufzuzählen, zu datieren und zuzuordnen. Der vermeintliche Herr Fischer hatte nämlich noch drei weitere Opfer gefunden – eines davon in der Schweiz, ein weiteres im Raum München und ein drittes bei Frankfurt.

In einigen Fällen wurden Beträge bis zu 4000 Euro auf Ratsplätzen im Großraum München in bar übergeben. In einem anderen Fall fanden regelmäßige Zahlungen von 100 Euro statt. Kleinvieh, dachte er sich wohl, macht auch Mist. Insgesamt geht es in der Anklageschrift um 350 rechtlich selbstständige Handlungen und einen Gesamtschaden von 800.000 Euro. Der Vorwurf, der im Raum steht: Der Angeklagte habe sich eine Einnahmequelle verschafft, indem er das Vermögen von anderen geschädigt und diese in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht habe.

Eine Verständigung habe es in der Sache nicht gegeben, bemerkte der Vorsitzende Richter Hannes Breucker. Auf Anregung der Verteidigung soll diese am nächsten Verhandlungstag – am Montag, 4. Februar, 9 Uhr – stattfinden. Gericht und Staatsanwaltschaft sind einverstanden. Allerdings möchte der Staatsanwalt auf jeden Fall die vier geschädigten Parteien und den Sachverständigen anhören. Letzterer könnte Informationen zur Spielsucht des Angeklagten liefern, und die Geschädigten sollen Angaben zu ihrer wirtschaftlichen Lage machen.

Ob die Lebensgefährtin des Angeklagten befragt werden soll, ist offen. Ihre Aussage könnte für den Sachverständigen hilfreich sein, gerade in Sachen Spielsucht, argumentierte der Vorsitzende Richter. Als Verlobte des Angeklagten könne sie allerdings von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Bis zum nächsten Verhandlungstag haben Verteidigung, Staatsanwalt und Gericht noch "Hausaufgaben": Es gilt, ein dickes Paket von Überweisungs- und Bankunterlagen durchzuackern – im Selbstleseverfahren. Das alles vorzulesen würde, so Richter Breucker, "Stunden dauern".