Pfarrer Oliver SaiaFoto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Es ist, als sei die Welt aus den Fugen geraten. Auch

Es ist, als sei die Welt aus den Fugen geraten. Auch in Haigerloch. Anlaufstellen in solchen Tagen sind seit jeher auch Kirchen gewesen. Doch Gottesdienste dürfen vorerst nicht mehr stattfinden und die Gemeinden können nur im Gebet miteinander verbunden bleiben. Und das auch noch zu Ostern. Sowohl der evangelische Pfarrer Oliver Saia als auch der katholische Pfarrer Michael Storost haben sich in dieser Zeit dazu bereiterklärt, sich in unserer kleinen Reihe "Auf ein Wort in besonderen Zeiten" an unsere Leser und ihre Gemeindemitglieder zu wenden. Sie sprechen über mitmenschliche Werte, was uns trösten kann in diesen schwierigen Zeiten und das Miteinander trotz persönlicher Distanz – natürlich ökumenisch.

Am kommenden Palmsonntag nähert sich die Passionszeit ihrem Höhepunkt. Ostern steht wie der Frühling vor der Tür. Für viele von uns fühlt sich aber momentan rein gar nichts nach Ostern an! Und auch als Pfarrer muss ich zugeben: Es war schonmal "österlicher" in mir. Die "Sieben-Wochen-Ohne", die Aktion zur Fastenzeit der evangelischen Kirche, hätte ich mir irgendwie anders gewünscht: Auf Schoko, Bier oder Fleisch verzichten ist eine Sache – aber sieben Wochen ohne echte Kontakte? Ohne Gottesdienst, Ausgehen, Grillen? Ohne Besuche? Das ist schon zäh. Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist dies aber noch viel einschneidender als für mich: Wer im Heim lebt, in Quarantäne hockt, oder zu wenig Erfahrung mit Internet und Co. hat, der sitzt gerade ziemlich einsam da.

So "unösterlich" es sich gerade um uns herum und in uns drin anfühlen mag – die Passionszeit ist auch eine Zeit, in der es ums Verlassenwerden geht. Die Geschichte von Palmsonntag ist wohl recht bekannt: Jesus, der in Jerusalem auf einem jungen Esel einzieht, wird vom Volk bejubelt empfangen – der Ruf "Hosianna!" ("Befreie Uns doch!") schallt durch die Menge. Palmzweige werden vor ihm ausgelegt. Der Fortgang dieser Dinge zeigt aber auch, wie schnell sich die Lage wenden kann. Aus Jubelrufen werden irgendwann die Rufe "Kreuzige Ihn!" Jesus wird fallen gelassen, verraten und verleugnet. Seine Freunde zum tatenlosen Zuschauen gezwungen – manche nehmen sogar feige Reißaus.

Mitten in diesen Ereignissen erzählt die Bibel von einer namenlosen Frau. Sie stört eine abendliche Männerrunde um Jesus und zerbricht vor aller Augen ihr Alabastergefäß mit Narde-Öl. Sündhaft teures Öl einer Pflanze, vom Himalaja importiert. Sie salbt Jesus mit diesem Öl, so kostbar, dass es an Verschwendung grenzt. Unwilliges Gemurmel macht sich breit: "Das hätte man auch spenden können!" Jesus aber, wissend was ihm in den folgenden Tagen blüht, lässt sie gewähren. Die Namenlose stört die Dynamik der Spannung und Angst. Sie unterbricht dieses mulmige Gefühl sich aufstauender Spannung vor dem, was morgen oder übermorgen kommt. Sie tut das aber nicht pragmatisch, aktionistisch – sondern liebevoll – ja sinnlich. Ein kleines Zeichen der Liebe gegen die beklemmende Angst.

Auch wir heute brauchen manchmal diese kleinen Zeichen der Liebe. Gegen die Einsamkeit. Wir sind an vielen Stellen zum tatenlosen Zuschauen gezwungen. Aber nicht ganz. Überlegen Sie mal: Wen könnten Sie heute anrufen und einfach mal fragen, wie es grade so geht? Eine kurze Postkarte oder ein Brief vielleicht? Oder wann haben Sie das letzte Mal für jemanden gebetet? Es müssen nicht immer die großen Aktionen sein, die uns heute guttun, und die uns in dieser erzwungenen Un-Ruhe-Phase helfen.

Weitere Informationen: Diesen Impuls gibt es zum Hören, Nachlesen und Teilen und auch als Download in voller Länge auf der Homepage www.haigerloch-evangelisch.de.