Knapp die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg hat sich der Umfrage zufolge vorgenommen, mit guten Vorsätzen in das neue Jahr zu starten. Meist geht es dabei um die Gesundheit wie mehr Sport treiben, abnehmen und nicht mehr zu rauchen. Foto: dpa-Zentralbild

Mit dem Rauchen aufhören, keine Süßigkeiten mehr essen, sich nicht mehr so stressen lassen – die guten Vorsätze für’s neue Jahr sind schnell gefasst. Doch sind radikale Entscheidungen immer gut oder ist das Prinzip „Weniger bringt mehr“ sinnvoller? Das sagen Experten.

Stuttgart - Knapp die Hälfte der Bevölkerung in Baden-Württemberg hat sich vorgenommen, mit guten Vorsätzen in das neue Jahr zu starten – doch nur wenige halten wirklich durch. Statt ganz auf Dinge wie Süßes oder Zigaretten zu verzichten, wählen viele lieber eine kleine Auszeit. Ob solche Pausen aber wirklich etwas taugen, das klären Experten.

Radikaler Rauchstopp oder lieber weniger rauchen?

Ein Rauchstopp geht nur in stressfreien Zeiten Foto: dpa

Schluss damit – wenn es doch nur so einfach wäre. Suchtexperten wissen um die Angst der Raucher vor der eigenen Courage, ihrem Laster zu entsagen. Also nimmt man sich vor, weniger zu rauchen – um so Schritt für Schritt ganz aufzuhören. Doch bringt das was? Wer dies eigenständig probiert, wird eher scheitern, heißt es beim Nikotin Institut an der Universität Wien. So wies ein Forscherteam vom Cancer Council Victoria im australischen Carlton nach, dass die Chancen auf eine dauerhafte Abstinenz nach einem abrupten Rauchstopp beinahe doppelt so hoch sind, wie nach einem schrittweisen Entzug. Wer aber nach Anleitung eines Therapeuten vorgeht, in der genau vorgeschrieben ist, zu welchen Tageszeiten das Rauchen noch erlaubt ist und wie viele Zigaretten es täglich maximal sein dürfen, der kann den Tabakkonsum auch ausschleichen – so das Fazit britischer Psychologen von der Universität Birmingham.

Raucher, die tatsächlich von heute auf morgen aufhören wollen, sollten sich für den Rauchstopp eine stressfreie Zeit suchen, rät Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Damit man nicht verführt wird, doch eine Zigarette zu rauchen, informiert man am besten Freunde und Familie über das Vorhaben – und bittet die Raucher unter ihnen, nicht zu rauchen, wenn man dabei ist. „Die Gier nach der Zigarette dauert im Schnitt nur rund drei Minuten“, sagt Bartsch. Es gilt also, sich in solchen Momenten abzulenken. Bartsch rät, das Radio anzustellen und bestimmte Wörter zu zählen: Wie oft sagt der Moderator das Wort „ich“ oder „er“. „Rechnen lenkt auch ab: Man nimmt sich die Zahl 113 und rechnet in Siebener-Schritten rückwärts bis null.“

Alkoholfasten – bringt das was?

Bierfasten statt Abstinenz?

An mindestens zwei Tagen die Woche sollte man auf Alkohol verzichten. Foto: dpa

Alkohol hat nicht nur ein hohes Suchtpotenzial, sein Genuss ist auch für allerlei Krankheiten verantwortlich: Leberschäden, Krebserkrankungen, Bluthochdruck und Herzschäden sowie Schlaganfälle. Wie diese krankheitsbedingten Folgen zustande kommen, ist wissenschaftlich noch nicht erwiesen. Aber es wird vermutet, dass Alkohol die Ausschüttung blutdrucksteigender Hormone fördert. Grundsätzlich muss man deswegen auf Alkohol nicht verzichten – aber eine längere Trinkpause einzulegen sei ebenfalls nicht verkehrt, sagt Georg Poppele, Sprecher des Arbeitskreises Qualifizierter Entzug in der Inneren Medizin des Berufsverbands Deutscher Internisten. „Innerhalb von zwei Monaten können sich durch eine absolute Abstinenz auch nachweisbare Schäden an der Leber wie beispielsweise alkoholbedingte Entzündungen oder eine Fettleber zurückbilden.“ Und bereits zwei bis vier Wochen Abstinenz können dem Immunsystem helfen, sich zu erholen. Wichtig wäre es, regelmäßig solche Trinkpausen einzulegen: Experten raten, an mindestens zwei Tagen die Woche auf Alkohol zu verzichten.

Gerade für Menschen, die sonst täglich Alkohol trinken oder mehr als empfohlen, ist der Verzicht eine lohnende Erfahrung, sagt die Suchtexpertin Michaela Goecke von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Beispielsweise verliert man an Gewicht. Nicht nur, weil alkoholische Getränke oft kalorienreich sind, sondern auch, weil alkoholbedingter Heißhunger verschwinden kann. „Viele Menschen schlafen ohne das Glas Wein oder Bier besser.“

Um die Lust auf Alkohol in den Griff zu bekommen, helfen schon kleine Tricks. Beispielsweise sollte man sich sagen: Ich brauche jetzt gar keinen Alkohol. Wenn man sich dann ablenkt, gehe die Lust oft schnell vorüber.

Verhilft mehr Achtsamkeit zu weniger Stress?

Weniger Stress mit mehr Achtsamkeit?

Achtsamkeit soll bei der Stressprävention helfen. Foto: dpa

Wer auf der Suche nach Strategien zur Stressprävention ist, stößt fast zwangsläufig auf das Konzept Achtsamkeit. Wer dies beherrscht, dem fällt es nicht mehr schwer, Prioritäten zu setzen, Grenzen zu ziehen und sich auf das Wesentliche zu fokussieren – so heißt es. „Achtsamkeit hilft bei der Stressprävention und bei vielen körperlichen und psychischen Störungen, ist aber kein schnelles Allheilmittel“, sagt Johannes Michalak von der Universität Witten/Herdecke. Das Konzept kommt aus dem Buddhismus und geht auf den Amerikaner Jon Kabat-Zinn zurück. Der Biologe hat Ende der 70er Jahre das Programm „Mindfulness-Based Stress Reduction“ entwickelt, einen achtwöchigen Kurs mit Prinzipien, die aus dem Bereich östlicher Meditationstraditionen und dem Yoga stammen.

Während Achtsamkeit als Behandlungsmethode in der Psychotherapie und im klinischen Kontext recht gut erforscht ist, gibt es im Vergleich dazu wenig Forschung zum Thema Achtsamkeit und Arbeitswelt. Ute Hülsheger, Professorin an der Fakultät für Psychologie und Neurowissenschaft an der Universität Maastricht konnte aber in einer Studie zeigen, dass Menschen, die bei der Arbeit im direkten Kontakt mit anderen sind, weniger Stress erleben, wenn sie achtsam sind. „Wir wissen aber noch nicht, ob Achtsamkeit bei der Stressprävention besser wirkt als andere Methoden wie die Progressive Muskelprogression“, sagt sie. Bei dieser Übung werden sämtliche Muskelpartien bewusst ge- und entspannt. Grundsätzlich gilt: Stimmen die Rahmenbedingen bei der Arbeit nicht, weil es zum Beispiel zu wenig Personal oder zu viele Aufgaben gibt, dann hilft auch kein Achtsamkeitskurs, um diese Probleme zu lösen.

Bloß keine Süßigkeiten mehr – hält man das durch?

Statt zuckerfrei lieber zuckerarm?

Pro Jahr nimmt jeder Deutsche etwa 32 Kilogramm Haushaltszucker zu sich Foto: dpa

Zucker macht süchtig. Und der Mensch hat für diese Sucht gute Voraussetzungen: Dass er so gern Süßes isst, liegt in seine Genen. Schon die Aussicht darauf, bald einen Schokoriegel zu verspeisen, aktiviert das Belohnungszentrum im Gehirn. Tatsächlich könnte ohne Zucker auch kein Mensch überleben. Er ist der wichtigste Energielieferant für den Organismus. Nur die Dosis ist mittlerweile zu hoch: Pro Jahr nimmt jeder Deutsche etwa 32 Kilogramm Haushaltszucker zu sich. Das sind Tag für Tag rund 88 Gramm oder 30 Zuckerwürfel – und damit mehr als dreimal so viel, wie die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Gesamtzuckermenge. Das schadet: Wer zu viel Zucker isst, erhöht sein Risiko auf Diabetes und Übergewicht, er begünstigt Karies, Bluthochdruck, Herz- und Leberleiden – höchstwahrscheinlich auch Krebs und Demenz. Forscher sind sich daher einig, dass jeder seinen Zuckerkonsum dringend reduzieren sollte: beispielsweise indem stark verarbeitete Lebensmittel wie Pizza, Fruchtjoghurts, Limonaden oder Fertigsoßen nur in Maßen verzehrt werden. In diesen Produkten verbergen sich oft hohe Konzentrationen verschiedener Zuckerarten. Wichtig ist: Nicht von einem Tag auf den anderen aufhören, sagt Silke Schwartau, Leiterin der Ernährungsabteilung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Wer seinen Zuckerverbrauch reduzieren will, sollte in den ersten vier Wochen darauf achten, was er isst. Dazu gehört, die Lebensmittel genau anzugucken und sich die Zuckermengen zu notieren. Mithilfe so eines Ernährungsprotokolls lässt sich vieles weglassen oder ersetzen: So gewöhnt man sich an, den Kaffee ohne Zucker zu trinken oder statt Schokolade lieber Nüsse zu essen.

Digitale Abstinenz – Mythos oder hilfreich?

Weniger aufs Handy schauen statt ganz abschalten?

Statt chatten lieber telefonieren – das transportiert mehr Nähe. Foto: dpa

Das Smartphone macht sich ständig bemerkbar und nervt, doch vielen fällt das Abschalten schwer, sagt Daniela Otto, weil man sich ohne die ständige Erreichbarkeit vielleicht einsam fühlen würde. Wer aus der Kommunikation aussteigt, hat Angst, etwas zu verpassen, erklärt die Medienwissenschaftlerin. Außerdem hat sich das Gehirn an ständige Reize gewöhnt und will immer neue Stimulationen. Und nicht zuletzt gibt es einen Belohnungseffekt, den man unterbewusst bei Antworten im Chat oder Likes auf Facebook empfindet. „Das löst Glücksgefühle aus, nach denen man süchtig werden kann“, so Otto.

Doch der ständige Griff zum Smartphone birgt auch Gefahren. Das Gehirn wird überreizt, man kann nicht mehr abschalten. Das kann in Stress ausarten und zu Schlafstörungen führen. Sich länger auf eine Tätigkeit zu konzentrieren, fällt immer schwerer, weil man ständig unterbrochen wird.

Eine digitale Entgiftung tut not. Dazu sollte man erst einmal reflektieren, wie oft und in welchen Situationen man zum Handy greift. Die Medienwissenschaftlerin Otto rät, einige Funktionen für einen gewissen Zeitraum zu deaktivieren, etwa den Klingelton bei Chatverläufen, oder auch mal während des konzentrierten Arbeitens das gesamte Smartphone. Dass derjenige, der die Nachricht geschickt hat, dann länger auf die Antwort warten muss, sei nicht schlimm, sagt Otto. Ihr Tipp: Bewusste Pausen vom Smartphone machen und diese als feste Rituale etablieren. In diesen kann man mal wieder zu einem Buch greifen, spazieren gehen oder einfach herumliegen und nichts tun. Auch rät sie, weniger zu schreiben und mehr zu telefonieren. So transportiere man viel mehr Empathie.