Eine Reise voller neuer Erfahrungen: Während die Kinder der japanischen Reisegruppe auf dem Vogtsbauernhof Butter in alter Manier herstellten (Bild rechts oben) und ihr Werk am Ende sogar probieren durften (linkes Bild), tauschten sich die Vertreter der Gemeinden Yuichi Takahashi (links) und Peter Wälde (rechts) mit Hilfe des Dolmetschers Noriaki Ikeda aus (Bild rechts unten). Fotos: Happle Foto: Schwarzwälder-Bote

Schülergruppe aus Fukushima erholt sich von Strapazen des AKW-Unglücks. Viel über erneuerbare Energie gelernt.

Gutach - Das AKW-Unglück von Fukushima hält die Welt bis heute in Atem. Zehntausende wurden aus dem Katastrophengebiet evakuiert. Ein normales Leben ist rund um das havarierte Atomkraftwerk nicht mehr möglich. Im Gutacher Freilichtmuseum Vogtsbauernhof wurden gestern rund 18 Kinder und Jugendliche empfangen, die sich von den Strapazen dieses Alltags erholen sollten.

Als die Schülergruppe aus dem japanischen Iitate, das rund 40 Kilometer vom AKW in Fukushima entfernt ist, von Fremdenführerin Rosi Friske durch den Vogtsbauernhof geführt wurde, war das Schicksal der rund 18 Kinder und Jugendlichen kaum zu erahnen. Mit viel Interesse und großen Augen begutachtete die Gruppe die traditionsreiche Schwarzwaldkultur der vergangenen Jahrhunderte. Zumindest für einen kurzen Zeitraum konnten die Sorgen aus der Heimat über Bord geworfen werden, denn in Japan haben die Schüler der Reisegruppe derzeit kein Zuhause.

"Das Gebiet um Iitate ist komplett evakuiert worden", berichtet Yuichi Takahashi, leitender Mitarbeiter der japanischen Gemeinde und Begleiter der Schülergruppe. Derzeit würden die Kinder mit ihren Familien in Notunterkünften wohnen und eine provisorisch eingerichtete Schule besuchen, die rund zwei Fahrstunden von Iitate entfernt sei. Viele Freunde, Bekannte und Familienmitglieder der Kinder seien zudem bei dem Erdbeben im März ums Leben gekommen oder aus der Region geflüchtet.

"Die Kinder sprechen nicht offen über ihr Schicksal, aber sie haben Angst", sagt der aus Waldkirch stammende Betreuer Noriaki Ikeda. Deshalb sollten sie nun bei einer achttägigen Reise im Schwarzwald neue Lebenskraft schöpfen, so Ikeda weiter.

Eigentlich war bereits im Juni eine Studienreise des landwirtschaftlichen Verbands aus Ikeda in den Schwarzwald geplant. Damals stand die Reise unter dem Motto "Erneuerbare Energien, Land- und Forstwirtschaft, sanfter Tourismus, Dorf- und Stadtentwicklung und Kultur". Durch den Besuch hatte sich der landwirtschaftliche Verband aus Japan Erkenntnisse für die eigene Zukunftsgestaltung erhofft.

Studienreise im Zeichen regenerativer Energien

Das Kinzigtal schien für die besagte Studienreise besonders geeignet, da die Landschaft um Iitate der des Schwarzwalds sehr ähnelt. Rund 90 Prozent der 230 Quadratkilometer großen Fläche des Gebiets besteht aus Wald, Wiesen und Äckern. Im März musste die Reise dann wegen des Erdbebens und des Reaktorunglücks abgesagt werden. "Mit Geldern der Gemeinde wurde nun die Reise für die Schüler ermöglicht", sagt Ikeda. Bereits seit dem 8. August ist die japanische Reisegruppe im Schwarzwald unterwegs. In dem Projekt "Flügel in die Zukunft" standen neben den Freizeitaktivitäten Themen wie erneuerbare Energien oder die Landwirtschaft auf dem Programm. Während in Bleibach, Simonswald, Biederbach, Freiamt, Waldkirch sowie im Europa Park in Rust und im Freilichtmuseum in Gutach vor allem Kulturvermittlung und Freizeit im Vordergrund standen, erfuhren die jungen Japaner in Freiburg einiges über den Entwicklungsstand von regenerativen Energien in Deutschland. "In Japan haben wir einige Pilotprojekte in den Bereichen Solarenergie und Biomasseanlagen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden diese von der Regierung aber nicht ausreichend gefördert. Hier haben wir jetzt gesehen, dass es auch anders geht", sagt der leitende Mitarbeiter der Gemeinde Iitate, Takahashi.

Japaner wollen von Deutschen lernen

Ein völlig neue Erfahrung ist für die japanischen Gäste auch der Anti-Atom-Protest in Deutschland. Am Montag nahmen die Reisenden erstmals an einer Demonstration teil. "In Japan ist die Protestkultur nicht hoch angesehen. Oft gelten Demonstranten sogar als Terroristen", so Takahashi. Auch hier könne Japan viel von Deutschland lernen.

Nach dem Besuch im Vogtsbauernhof und einer Fahrt mit der Rodelbahn traten die japanischen Gäste gestern die Heimreise an. Takahashi betonte, dass seine Gemeinde auch in Zukunft Kontakt zu Gutach halten wolle, um weiter von den Deutschen zu lernen. Der stellvertretende Bürgermeister Peter Wälde, der die Reisegruppe zusammen mit seinem Amtskollegen Martin Moser und dem Gutacher Ehrenbürger Ansgar Barth empfing, freute sich über diese Wertschätzung. "Wir hoffen, dass sie die bleibenden Eindrücke aus unserer Gemeinde mit nach Hause nehmen", so Wälde.