Die beiden Unternehmer Adrián Lopez (links) und Marte Cázarez: "Am Anfang haben uns viele Leute für verrückt gehalten, selbst unsere Ingenieure." Foto: Desserto

Kroko-Handtasche war gestern: Unternehmer aus Mexiko entwerfen vegane Textilien. Empfinger von Idee angetan.

Guadalajara/Empfingen - Zwei Unternehmer aus Mexiko wollen die Modebranche auf den Kopf stellen. Sie machen Leder aus Kakteen. Wie genau das funktioniert, erklären die Erfinder selbst. Doch kann die vegane Variante das tierische Leder ersetzten?

Für die Herstellung von Taschen, Schuhen oder Kleidung aus Leder müssen Tiere oft unter qualvollen Bedingungen sterben. Umweltschützer kritisieren außerdem, dass beim Gerben Chrom freigesetzt wird, das gesundheitsschädlich ist.

Die beiden Unternehmer Adrián López und Marte Cázarez aus Mexiko wollen nun eine pflanzliche Alternative erfunden haben: Leder aus Kaktus. Es sei widerstandsfähig und atmungsaktiv. Ähnlich wie tierisches Leder. Nur, dass die Haltbarkeit der veganen Variante auf etwa zehn Jahre geschätzt wird.

Anbau des Kaktus ist sehr nachhaltig

Laut dem Start-up Desserto sei nicht nur das Produkt, sondern auch die Herstellung nachhaltig. Denn Opuntia ficus-indica, besser bekannt als Feigenkaktus, aus der das Leder gewonnen wird, braucht zum Wachsen wenig Wasser und ist Wetterresistent. Grundsätzlich könne aber jeder Kaktus zu Leder verarbeitet werden.

Die Nutzpflanze hat seit Jahrhunderten vielfältige Anwendungsbereiche, weiß Kakteenexperte Holger Dopp. Der 76-Jährige ist unter anderem aus SWR-Sendung "Kaffee oder Tee" bekannt. "Kaktusfeigen und die jungen Pflanzentriebe sind in der mexikanischen Küche beliebte Zutaten für Salate oder andere Gerichte", erklärt Dopp. Zudem werde das Gewächs als Futtermittel in der Landwirtschaft kultiviert. Jährlich werden allein in Mexiko Tausende Tonnen geerntet.

Dopp beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Pflanzen und pflegt mit Herzblut einen 250 Quadratmeter großen Kakteengarten in Horb (Kreis Freudenstadt). Außerdem betreibt er eine Kakteenklinik in Empfingen (Kreis Freudenstadt), wo er kranke Kakteen wieder aufpäppelt.

Feigenkaktus vielseitig einsetzbar

Von dem Kaktusleder hat der Experte aber noch nichts gehört. Dopp ist von der Idee aber sofort angetan. "Ich kann mir das sehr gut vorstellen", sagt er. Der Feigenkaktus sei vielseitig einsetzbar. Schon im frühen 21. Jahrhundert habe man für Nagellack und Lippenstift das rote Karmin von der Cochenille-Laus gewonnen, die auf dem Kaktus lebt. Auch wenn die Industrie im Laufe der Entwicklung wieder davon abgekommen sei, würde sich der Trend wieder in die andere Richtung bewegen. "Man geht diesen Weg wieder zurück, um Naturprodukte zu produzieren", meint Dopp. Es gebe nichts Sinnvolleres, als die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Der Experte ist dennoch skeptisch: "Ich bezweifle, dass das Leder so widerstandsfähig ist wie tierisches."

In Zacatecas einer Stadt in Zentralmexiko haben die Unternehmer ihre Kaktusplantage. Alle sechs bis acht Monate könne das Team von Adrián López und Marte Cázarez die reifen Blätter ernten. "Die Blätter haben weiche und kurze Dornen, das erleichtert uns die Verarbeitung", sagt Adrián López. Die Pflanzen wachsen allein von Regenwasser. "Nachdem die Blätter geerntet worden sind, trocknen sie drei Tage in der Sonne", erklärt López. Um aus den Blättern eine Faser herzustellen, mussten die Erfinder lange tüfteln. "Am Anfang haben uns viele Leute für verrückt gehalten", sagen die beiden laut einem Bericht der mexikanischen Zeitung "El Heraldo de México". Für das Leder aus dem Kaktus arbeiten die Entwickler mit einem Trägermaterial aus Baumwolle, auf das die Kaktusfasern aufgebracht werden. Ein Meter Kaktusleder kostet 25 Dollar.

Dopp, der selbst jahrelang als Werbeleiter in der Modefirma Louis London in Sindelfingen gearbeitet hat, kennt die Schwierigkeiten, die jetzt auf die Unternehmer zukommen. "Selbst wenn das Leder nicht so lange hält wie tierisches, mit der richtigen Vermarktung wird es einschlagen wie eine Bombe", erklärt Dopp. Mit dem Kaktusleder würden die beiden den Nerv der Zeit treffen.

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