Vor zehn Monaten hat die Stadt auf der Hohenheimer Straße bergauf das Höchsttempo von 50 auf 40 Kilometer pro Stunde gedrosselt. Die Schadstoffwerte gehen seitdem zurück. Nun soll die Tempobremse schrittweise auf zwölf weiteren Straßenabschnitten greifen.
Stuttgart - Am 23. Juli hat Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) seinen Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ vorgelegt. Kuhns Langfristziel sind 20 Prozent weniger Autos und geringere Schadstoffwerte in der City. Ein Baustein in dem umfangreichen Werk bildet die Reduzierung der zulässigen Höchsttempi auf 40 Kilometer pro Stunde auf Steigungsstrecken.
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Am Dienstag hat sich der Technik-Ausschuss des Gemeinderates mit den Tempo-40-Plänen befasst. Bis 2017 soll die Geschwindigkeit auf insgesamt zwölf Straßenabschnitten auf 40 reduziert werden. Das längste Stück liegt mit der Gablenberger Haupt-, der Neuen Straße und der Albert-Schäffle-Straße im Osten. Vergleichsweise kurz ist der Abschnitt auf der Karl-Kloß-Straße im Süden.
Die Tempobremse kann im Verbund mit angepassten Ampelschaltungen und möglicherweise einem Parkverbot flüssigeren Verkehr ermöglichen und gefährliche Schadstoffe reduzieren. Diesen Effekt hat die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz des Landes (LUBW) erst vergangene Woche mit einem Gutachten für die Hohenheimer Straße belegt. Dort gilt seit Ende 2012 bergauf, also auf den beiden stadtauswärts führenden Spuren, Tempo 40 statt 50. Ampelschaltungen wurden verändert, bis 21 Uhr wurde auf einer Spur ein Parkverbot verhängt. Der Verkehrsfluss habe sich dadurch verstetigt und die Belastung mit Stickstoffdioxid sei um bis zu 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zurückgegangen, sagte LUBW-Präsidentin Margareta Barth. Der zulässige Grenzwert wurde 2013 in der Hohenheimer Straße bis Ende September nur noch in zwölf Stunden überschritten. 2012 wurde der in der EU einheitliche Stundengrenzwert 196-mal gerissen.
SÖS/Linke wollen Tempo 40 auf allen Vorbehaltsstraßen
Angesichts des Erfolgs sollen von 2014 bis 2017 jährlich drei weitere Steigungsstrecken für insgesamt 1,169 Millionen Euro mit Tempo 40 belegt werden. „Wir haben die Reihenfolge bewusst gewählt“, sagte Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) am Dienstag. Die Priorität sei dort am höchsten, wo viele Fahrzeuge unterwegs seien und viele Bürger wohnten. Die Streckung des Programms auf vier Jahre bedeute nicht, „dass wir dem Thema nicht die notwendige Priorität beimessen“. Alles müsse sehr genau geplant werden. Dazu brauche man Personal und ein Fahrzeug. 2014 sollen 254 000 Euro, 2015 dann 713 000, 2016 aber nur 70 000 Euro und 2017 dann 132 000 Euro in Signalanlagen, Untersuchungen und Ausrüstung investiert werden.
Mit dem Tempo für Tempo 40 und der fehlenden finanziellen Absicherung im Haushalt zeigten sich die Fraktionen von Grünen, SPD und SÖS/Linke nicht zufrieden. Wer das Programm auf vier Jahre strecke, messe dem Thema „nicht die notwendige Priorität bei“, sagte Jochen Stopper für die Grünen. Roswitha Blind reklamierte die Tempo-40-Idee für ihre Fraktion. „Wir haben den Antrag gestellt“, sagte sie. Die Sozialdemokraten seien „ausgesprochen verblüfft, dass im Entwurf für den Haushaltsplan kein Cent dafür vorgesehen ist“. Die SPD fordert außerdem Tempo 30 vor allen Schulen an Vorbehaltsstraßen. Dazu müssten 431 00 Euro investiert werden. Auch der SPD-Bezirksvorsteher im Osten, Martin Körner, greift Kuhn an. Das Konzept sei „nichts wert, wenn die Verwaltung die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stellt“.
Thomas Adler (SÖS/Linke) rügte den Rathauschef Fritz Kuhn unverschlüsselt: „Das Konzept des OB springt deutlich zu kurz. Wir wollen auf allen Vorbehaltsstraßen grundsätzlich Tempo 40“, sagte er. Das Papier der Verwaltung liefere dafür Argumente. Das von den Grünen geführte Landesverkehrsministerium dementierte diese Annahme vergangene Woche. Ein generelles Tempolimit 40 könne wegen Verlagerungseffekten und mangelnder schadstoffsenkender Wirkung „nicht realisiert werden“.