Eine Variante der Ansichten des geplanten Komplexes: Manche Bürger finden, dass die Massivität beschönigt wird. Am rechten Bildrand: die Markthalle. Illustration: Behnisch Architekten

Hotel Silber: Grüne und SPD wollen Breuninger keinen Wohnungsbau am Karlsplatz verordnen.

Stuttgart - Die neue Landesregierung wird sich voraussichtlich für den Erhalt des Hotel Silber, der ehemaligen Gestapo-Zentrale in der Dorotheenstraße, aussprechen. In ihr soll ein NS-Dokumentations- und Lernzentrum eingerichtet werden. Damit aber wären die bisherigen Neubaupläne des Landes und des Handelshauses Breuninger ("Da Vinci") am Karlsplatz nicht mehr umsetzbar.

Wenn es zum Dokumentationszentrum komme, "dann braucht es ein neues Raumkonzept und einen neuen Bebauungsplan", stellte OB Wolfgang Schuster (CDU) im Interview mit unserer Zeitung fest. Ein neuer Bebauungsplan für die Ersatzbauten des alten Innenministeriums aber müsste den neuen, von Grünen, SPD und SÖS/Linke im Gemeinderat verabschiedeten Vorgaben zum Wohnungsbau genügen. 20 Prozent Wohnungen sind vorgeschrieben. Doch Grüne und SPD scheuen sich am Karlsplatz vor diesem Schritt. Der Investor Breuninger dürfe nicht überfordert werden.

"Wenn das Hotel Silber stehen bleibt, ist es uns recht", sagt Michael Kienzle. Der Grünen-Stadtrat engagiert sich seit langem für das Zentrum. Einem Kompletterhalt des nach dem Krieg zu großen Teilen wieder aufgebauten früheren Hotels stand er aber genauso kritisch gegenüber wie Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle. Der mahnte die Grünen nach einer turbulenten Kreismitgliederversammlung im Dezember, die Realitäten nicht zu verkennen. Die Versammlung hatte sich für den hälftigen Gebäudeerhalt ausgesprochen. In der Fraktion war zuvor eine Verhandlungslinie abgestimmt worden, die den Teilerhalt nicht als Bedingung sah. Kienzle und Wölfle fühlten sich nicht an den Beschluss der Mitgliederversammlung gebunden. Inzwischen aber greift die grün-rote Koalitions-Räson im Land.

Er habe sich schon im Dezember in einem Beitrag für die Initiative Gedenkort Silber für den Erhalt ausgesprochen, was in der Fraktion "auf Zuspruch gestoßen" sei, sagte Kienzle am Dienstag auf Anfrage. Für Breuninger sei die neue Lage "hart, aber das Unternehmen hatte keine Garantie für seine Neubaupläne", so der Stadtrat weiter.

Bis zu 49000 Quadratmeter neue Büros, Ladenflächen und ein Luxushotel sehen die Pläne vor. Der Technikausschuss des Gemeinderats hatte dafür am 26. Oktober 2010 einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst - deutlich vor Wohnungsbau-Votum. "Klar geht das Wohnen auch dort, aber es ist nicht sinnvoll, eine neue Front aufzumachen", warnt Kienzle vor Stillstand: "Wir wollen, dass Breuninger das Projekt zusammen mit dem Land macht." Der Stadtrat mahnt allerdings einen neuen Architektenwettbewerb an.

Auch SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind will nicht auf zusätzliche Wohnungen am Karlsplatz pochen. "Ich kann mit dem jetzigen Nutzungskonzept leben, wenn das Hotel erhalten bleibt." Blind stören "Baumasse und Höhe". "Man müsste den Bebauungsplan ändern", sagt Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD). Die Wohnungsbau-Richtlinie müsse aber nicht greifen.

Den Architektenwettbewerb zur jetzigen Nutzung, ohne Hotel Silber, hatte das Stuttgarter Büro Behnisch Architekten gewonnen. Im Preisgericht gab es allerdings vier Gegenstimmen: die von Kienzle, einem SPD-Stadtrat, Hahn, und von OB Wolfgang Schuster (CDU). Man habe zwei Entwürfe in der engeren Auswahl gehabt und für eine Weiterbearbeitung von beiden plädiert, erinnert sich ein Preisrichter. Land und Breuninger aber hätten auf Vollzug gedrängt.

Land und Breuninger wollen eine gemeinsame Gesellschaft mit je hälftiger Beteiligung für die 150 Millionen Euro teuren Neubauten gründen. Das sei bisher nicht geschehen, heißt es im Finanzministerium. Dazu brauche man "bauplanungsrechtliche Sicherheit". Das Land würde später Büros im Neubau anmieten. Die Konstruktion sei "unverständlich", findet Blind. Das alte Innenministerium gehört bisher der Landesstiftung, Grundstücke und Häuser an der Holzstraße Breuninger. Die Landesstiftung würde an die gemeinsame Gesellschaft verkaufen. So entsteht eine Gesamtinvestitionssumme von 280 Millionen Euro. "Die Frage ist, ob das Land bei einer solchen Mietlösung finanziell gut rauskommt", gibt Kienzle zu bedenken.