Als erstes mehrheitlich christlich-orthodoxes Land hat Griechenland vor Kurzem die Ehe für alle ermöglicht. Der Klerus schäumt.
Nirgendwo in Griechenland wird das Osterfest größer gefeiert als auf der Insel Korfu. Am Karsamstag werfen die Bewohner große mit Wasser gefüllte Tonkrüge aus den Fenstern und von den Balkonen auf die Straße. Der Brauch, „Botides“ genannt, soll den Sieg des Lebens über den Tod symbolisieren.
In diesem Jahr allerdings gibt es schon Wochen vor dem Fest, das in Griechenland am 3. Mai gefeiert wird, jede Menge zerschlagenes Porzellan auf der Insel. Der orthodoxe Bischof von Korfu, Nektarios, exkommunizierte zwei Abgeordnete, die für den Gesetzentwurf zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt hatten. Die beiden, einer gehört der oppositionellen Pasok an, der andere dem radikalen Linksbündnis Syriza, dürfen nicht mehr am Abendmahl teilnehmen. Und sollte ihnen etwas zustoßen, können sie kein kirchliches Begräbnis erwarten.
„Meilenstein für die Menschenrechte“
Nach langen Debatten hatte das Parlament mit 176 von 300 Stimmen die gleichgeschlechtliche Ehe gebilligt und homosexuellen Paaren volle Elternrechte eingeräumt. Griechenland ist damit das erste orthodox geprägte Land, das die homosexuelle Ehe legalisiert. Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis hatte die Reform vor der Parlamentswahl 2023 angekündigt und sich persönlich dafür eingesetzt. Auf Widerstand stieß er beim orthodoxen Klerus, aber auch beim rechten Flügel der eigenen Partei.
Der orthodoxe Erzbischof Hieronymos schlug der Regierung ein Referendum vor. Die lehnte das mit der Begründung ab, über Fragen der Grundrechte könne man nicht in einer Volksabstimmung entscheiden. In Athen protestierten Tausende Menschen mit Kruzifixen und Ikonen gegen die Reform. Meinungsumfragen zeigten eine knappe Mehrheit in der Bevölkerung für die Neuregelung. Mitsotakis bezeichnete die Verabschiedung des Gesetzes als „Meilenstein für die Menschenrechte“. Kleriker sprechen von einer „dämonischen Entscheidung“ und riefen zum Heiligen Krieg auf.
„Organe des Satans“
Und sie geben nicht auf. Auch der Bischof von Piräus verstieß Abgeordnete, die für das Gesetz gestimmt hatten, aus der Kirche. Ambrosios, der frühere Bischof von Kalavryta, bezeichnet die Befürworter der Reform als „Organe des Satans“ und rief zu einer „Revolution gegen jene, die das Gesetz Gottes missachten“. Die Heilige Synode, Griechenlands Kirchenleitung, verlegte einen Gottesdienst zum 24. März, dem Sonntag der Orthodoxie, von der Athener Kathedrale in eine kleine Kirche. Reservierte Plätze für die politische Führung, die stets an der Messe teilnimmt, gibt es nicht.
Auch eine Einladung der Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou zum traditionellen Abendessen im Präsidentenpalais schlug die Kirchenleitung aus. Begründung: Sakellaropoulou sei in einem Restaurant gesehen worden, dessen Besitzer schwul ist. Angesichts dieses Hasses fragen sich viele Griechen, was jenen blüht, die eine gleichgeschlechtliche Ehe eingehen.
Premier Mitsotakis schärft zwar sein Profil als liberaler Reformer, das dürfte ihn allerdings Sympathien konservativer Wähler kosten. Vor allem auf dem Land hat der Klerus großen Einfluss. Ein Gradmesser könnte die Europawahl im Juni werden.