Der Apollofalter ist ein Beispiel für erfolgreichen Artenschutz Foto: Gregor Faller

Gregor Faller hat beim Stuttgarter Kosmos-Verlag ein Buch über Insekten veröffentlicht. Er erzählt, was Insekten eigentlich im Winter treiben, warum sich Leuchtkäfer ausgerechnet auf der Wiese am Bärenschlößle tummeln und welches Insekt sich nur in der Großstadt wohlfühlt.

Stuttgart – Gregor Faller hat beim Stuttgarter Kosmos-Verlag ein Buch über Insekten veröffentlicht. Er erzählt, was Insekten eigentlich im Winter treiben, warum sich Leuchtkäfer ausgerechnet auf der Wiese am Bärenschlössle tummeln und welches Insekt sich nur in der Großstadt wohlfühlt.
Herr Faller, ist der Winter nicht eine herrliche Jahreszeit? Endlich kreucht und fleucht nicht mehr überall das leidige Getier?
Nun, aber die Insekten kommen wieder! Sie überwintern – und zwar in allen möglichen Varianten. Insekten durchlaufen eine Metamorphose, das heißt, sie können als Ei, als Larve oder als Puppe vorhanden sein. Und je nach Art überwintern sie auch in einem dieser Stadien.
Dazu kommen wir später. Zunächst interessiert mich, warum Sie Insekten so faszinieren, obwohl dies Getier für viele Menschen schlicht Ungeziefer ist, das uns sticht und plagt.
Also Mücken stechen mich ebenfalls – und darum mag auch ich sie nicht besonders. Auch von Ameisen bin ich wenig begeistert: Als Kind haben die mich immer geärgert, weil sie sich auf meinem Lieblingsbaum getummelt und mich vertrieben haben.
Kinder bringen ja auch gern mal Insekten um. Haben Sie das als Kind auch gemacht?
Ich habe als Kind wohl auch ein paar grausame Spielchen getrieben. Mit Weberknechten oder Stubenfliegen. Das muss ich zugeben.
Wie kam es dann zur großen Leidenschaft?
Insekten faszinieren durch ihre Lebensweise und durch ihre Schönheit. Die ersten Insekten, für die ich mich interessiert habe, waren Schmetterlinge. Als Kind habe ich eine Sammlung angefangen, aber das habe ich schon lange aufgegeben. Ich fotografiere jetzt lieber.
Das heißt, sie haben Schmetterlinge gefangen, sie auf Nadeln aufgespießt und sie in Setzkästen gesammelt?
Ja, ganz früher schon.
Das würden Sie heute nicht mehr machen, oder?
Nein. Aber man sollte es auch nicht verurteilen, wenn es jemand macht. Zum Kennenlernen und für Bestandsaufnahmen ist das immer noch wichtig.
Aber gibt es nicht auch geschützte Arten, bei denen das verboten ist?
Doch, bei fast allen Tagfaltern ist das verboten – bereits seit einigen Jahren.
Sind Schmetterlinge noch immer Ihr Lieblingsinsekt?
Ich fotografiere gerne, und Schmetterlinge gehören zu den attraktivsten Fotomodellen. Zudem sind sie bei Tageslicht unterwegs und problemlos zu fotografieren. Insofern gehören sie noch immer zu meinen Lieblingen. Ich mag aber auch Libellen. Mich fasziniert, wie vielfältig sie sich verhalten.
Mir wurde als Kind noch erzählt, dass Libellen stechen – was ja nicht stimmt. Tragen solche Mythen zum schlechten Bild der Insekten bei?
Libellen wirken auf den Betrachter oft ein wenig unheimlich – gerade die großen Arten. Wenn ein solches Exemplar brummend auf einen zufliegt, kann man schon Angst bekommen. Andererseits wird von Hummeln gerne behauptet, sie hätten keinen Stachel, wahrscheinlich, weil sie recht friedlich sind – sie können aber sehr wohl stechen.
Im Buch beschreiben sie ein Erlebnis: Auf der Wiese am Bärenschlössle bei Stuttgart stießen sie auf Unmengen kleiner Leuchtkäfer – warum ausgerechnet dort?
Am Bärenschlössle gefällt den Käfern die Kombination aus Wald, Wiese und See – sie mögen feuchte Luft und eine offene Landschaft. Wir haben am Bärenschlössle den50. Geburtstag meiner Schwester gefeiert, und waren in der Abendzeit unterwegs. Die Kinder waren total fasziniert.
Aber es gibt auch viele Fledermäuse am Bärenschlössle – fressen die die Leuchtkäfer nicht?
Das weiß ich gar nicht, aber meines Wissens sind die Leuchtkäfer ungenießbar.
Stuttgart ist eine kleine Großstadt. Gibt es denn Insekten, die nur in der Großstadt vorkommen? Ich denke da etwa an Kakerlaken . . .
Die wird’s überall geben, aber schon eher in Städten. Ich weiß etwa, dass es in vielen Gastronomiebetrieb Kakerlaken gibt. Die sind schon sehr verbreitet.
Gibt es sonst noch nette Mitbewohner?
Insekten gibt es praktisch überall, in jedem Haus. Wenn man intensiv sucht, kann man sogar noch neue Arten finden und beschreiben. So fanden Insektenforscher selbst im Keller ihres Museums neue Arten. Man weiß, dass es etwa eine Million Arten gibt, aber die sind noch lange nicht alle beschrieben. Wobei das meist unauffällige Käferchen sind.
Gibt es auch Insekten, die in der Großstadt überhaupt nicht vorkommen, weil sie hier nicht überleben können und immer mehr von Zersiedlung verdrängt werden?
Das ist das Hauptproblem vieler Insekten. Jedes Insekt hat seine eigenen Ansprüche an die Umwelt, und es gibt viele Arten, die nur noch eine beschränkte Verbreitung haben.
Welche?
Gerade im Schwäbischen gibt es den Alpenbock, für den es schöne Naturschutzprojekte gibt. Der braucht Buchenwälder mit Altholz, und wenn das Altholz und Brennholzstapel abtransportiert werden, ist das kritisch für diesen Käfer.
Es gibt ja durchaus Artenschutz- und Pflegegesetze. Ist das Land Baden-Württemberg vorbildlich – oder gibt es noch viel zu tun?
Wichtig ist es, den Lebensraum der Insekten zu erhalten. Da tut sich in Baden-Württemberg schon viel. Auf der Schwäbischen Alb gibt es Schutzprojekte für eine Schmetterlingsart, die Berghexe, die sehr erfolgreich sind. Auch die letzten Kolonien des Apollofalters werden geschützt und gepflegt – und das hat durchaus positive Effekte.
Kann auch jeder einzelne was tun?
Ja, jeder kann was tun, indem er nicht jede Woche den Rasen mäht und im Garten alles aufräumt, sondern auch mal Chaos zulässt. Es nutzt nichts, bestimmte Arten zu schützen, wenn kein Lebensraum vorhanden ist.
Noch einmal zurück zum Winter : Was genau treiben Insekten da nun so?
Ich kann es am Schmetterling erklären: Es gibt Arten, die als Ei überwintern, so kleine Zipfelfalter, die legen ihr Ei zum Beispiel an Schlehen, und dieses Ei sitzt den Winter über an dem Zweig. Im Frühjahr schlüpft dann das Räupchen. Viele Schmetterlinge überwintern aber auch als Raupe, etwa die Bärenspinner oder der Schachbrettfalter.
Was machen die Raupen im Winter?
Sie sitzen im Gras und hoffen auf besseres Wetter. Andere Schmetterlingsarten überwintern als Puppe. Oder sogar als Falter.
Welche?
Etwa der Zitronenfalter. Das ist der Schmetterling, der in Mitteleuropa die längste Lebenserwartung hat: zwölf Monate. Die Falter schlüpfen im frühen Sommer und überwintern im Gebüsch. Im Frühling kommen sie wieder raus. Das Tagpfauenauge oder der Kleine Fuchs überwintern ebenfalls als Falter, in Kellern oder in Speichern. Darum ist es so wichtig, dass es in Gebäuden noch Hohlräume gibt und ungedämmte Dächer.

Gregor Faller: „Insekten entdecken, beobachten, schützen“. Kosmos-Verlag, 136 Seiten, 16,99 Euro.