Waschbären machen es sich gerne auf Dachböden gemütlich – und können dort große Schäden anrichten. Foto: picture alliance/dpa/Britta Pedersen

Ein Goldschakal bei Rastatt hat zuletzt für hohe Aufmerksamkeit gesorgt. Auch andere invasive Tierarten sind in Baden-Württemberg immer häufiger zu beobachten, wie der Waschbär oder der Marderhund. Mitunter verdrängen sie andere Arten – oder richten Schaden an.

Stuttgart - Ein Goldschakal bei Rastatt ist vor kurzem zum Medienstar avanciert – dabei gibt es lediglich ein einziges Bild von ihm, geschossen von einer Wildkamera. Zumindest hätten einige Jäger ihn schon vor dem Fotoshooting im Wald beobachtet, erzählt Michael Janke vom Landratsamt Rastatt. Tatsächlich ist diese Art für Baden-Württemberg etwas ganz Besonderes – dazu gleich mehr. Insgesamt verzeichnet ein Papier des Stuttgarter Agrarministeriums gut ein Dutzend invasive Arten, die sich bereits im Südwesten angesiedelt haben, darunter vier Krebsarten, die Nilgans sowie Nutria und Bisamratte. Zwei weitere Tiere gehören der gleichen Unterordnung wie der Goldschakal an, nämlich den Hundeartigen: Gemeint sind der Marderhund und der Waschbär.

 

Der Goldschakal

Für Felix Böcker von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) gibt es kaum ein anderes Tier, das sich aus baden-württembergischer Sicht mit dem Goldschakal vergleichen lässt: Denn diese Art hat nie hierzulande gelebt und wandert jetzt aus eigener Kraft in den Südwesten ein – sie wird deshalb gar nicht als invasive Art gezählt. Wölfe und Luchse dagegen kommen zwar auch von selbst, waren aber früher über Jahrtausende hinweg Teil der heimischen Tierwelt. Umgekehrt hätten Waschbär und Marderhund Deutschland nie besiedelt, wenn Menschen nicht Tiere aktiv freigelassen hätten oder wenn nicht einige Exemplare aus Farmen entkommen wären – sie sind die wahren unwillkommenen „gebietsfremden Arten“. „Für uns Forscher ist der Goldschakal sehr interessant“, sagt Felix Böcker: „Wir können an ihm studieren, wie sich eine Art ausbreitet.“

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Bis Ende 2019 gab es in Deutschland 24 Nachweise von Goldschakalen – er breitet sich vom Balkan aus allmählich nach Norden hin aus, vermutlich, weil konkurrierende Großräuber fehlen und weil unsere Kulturlandschaft ihm viel Beute verspricht. In Baden-Württemberg bleibt der Goldschakal geschützt, obwohl er womöglich den Fuchs zurückdrängen könnte. In Ungarn sei er dagegen schon flächig verbreitet, sagt Böcker, und werde deshalb bejagt. Wann sich im Südwesten eine Goldschakal-Population etabliert, kann auch der FVA-Experte nicht sagen – oft dauere es lange, bis sich der erste Nachwuchs einstelle, aber dann könne die Kurve schnell nach oben gehen.

Der Marderhund

Er stammt ursprünglich aus Ostasien, wurde aber vor hundert Jahren in Osteuropa als Pelztier gehalten – von dort breiteten sich entkommene Tiere immer weiter nach Westen aus. Laut dem Wildtierportal Baden-Württemberg, einer Einrichtung des Agrarministeriums, ist er Anfang der 1970er Jahre erstmals im Schönbuch gesichtet worden. Da er ein sehr heimliches und nachtaktives Tier ist und selbst Jäger ihn fast nie zu Gesicht bekommen, weiß man über seine Verbreitung sehr wenig. Zumindest zeigt die Jagdstatistik, in die jährlich nur zehn bis 30 Marderhunde eingehen, dass er bei weitem nicht so häufig zu sein scheint wie etwa in Schleswig-Holstein, wo in der vergangenen Jagdsaison 9400 Marderhunde erlegt worden sind.

Auch fehlt bisher der eindeutige Nachweis einer Reproduktion für Baden-Württemberg. Klaus Lachenmaier, Wildbiologe beim Landesjagdverband, könnte sich vorstellen, dass die Lebensräume im Südwesten nicht ganz so gut für den Marderhund geeignet sind wie jene in Ost- und Norddeutschland, wo die Art bereits einen negativen Einfluss auf den Fuchsbestand ausübe. Von einer weiteren Zunahme sei aber auch bei uns auszugehen.

Der Waschbär

Ganz anders sieht es beim Waschbär aus. Zwar liegt auch für diese Art das Hauptverbreitungsgebiet weiter in Ostdeutschland; in Brandenburg wurden zuletzt 37 000 Tiere erlegt. Aber der Waschbär ist auch im Südwesten, vor allem in Hohenlohe und auf der Ostalb, schwer auf dem Vormarsch und kann längst überall im Land vorkommen. Genau 3214 Tiere sind in der letzten Jagdsaison mit Fallen oder Schrotgewehr getötet worden. Auch an Fütterungsplätzen von Wildschweinen treffe man Waschbären häufiger an, sagt Klaus Lachenmaier.

Der Waschbär, der ursprünglich in Nordamerika beheimatet ist, war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in mindestens vier Fällen bewusst ausgesetzt worden. Zum ersten Mal in Baden-Württemberg beobachtet wurde der Waschbär laut dem Wildtierportal 1960 bei Benningen im Kreis Ludwigsburg. Jungtiere wurden erstmals 1974 gemeldet.

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Inwieweit der Waschbär den heimischen Arten schadet, darüber streiten die Wissenschaftler noch immer. Die Landesanstalt für Umwelt sieht negative Auswirkungen für die sehr gefährdete Europäische Sumpfschildkröte und die Gelbbauchunke, aber auch für viele seltene Vögel, da der Waschbär Eier von Boden- und Höhlenbrütern geschickt ausräubert.

Lachenmaier betont: „Waschbären sind sehr intelligent und wenn sie einmal einen Kniff raushaben, spezialisieren sie sich oft, etwa auf Höhlenbrüter – das kann dann katastrophale Auswirkungen haben.“ Eine Studie im Nationalpark Müritz in Mecklenburg-Vorpommern hatte dagegen ergeben, dass nur neun Prozent der Biomasse im Kot aus Vögeln, Eier, Amphibien und Reptilien besteht. Der Naturschutzbund (Nabu) ist sowieso der Meinung, dass man lieber Lebensräume seltener Arten schützen sollte als den Waschbär zu bejagen. Tatsächlich sagt auch Lachenmaier: „Mit dem Waschbär müssen wir leben lernen, und durch Jagd lässt sich die Zahl nur schwer absenken – wir sollten deshalb vorwiegend bei Problemfällen eingreifen.“

Probleme mit Waschbären gibt es immer wieder

Und die gibt es, zunehmend auch in Baden-Württemberg. Waschbären nisten sich gerne wie Marder in einem Dachboden ein; dort können sie nicht nur für Ruhestörungen sorgen, sondern im schlimmsten Fall die gesamte Dämmung zerstören und einen hohen Schaden verursachen. Adrian Machal ist einer von bisher nur wenigen Schädlingsbekämpfer in Baden-Württemberg, die auch den Waschbär „im Programm“ haben. Seine Firma AML Schädlingsbekämpfung ist im Großraum Stuttgart aktiv. „Das hat erst vor drei, vier Jahren richtig angefangen“, erzählt Machal, „aber seither werden die Anrufe wegen Waschbären immer mehr.“

Er lehnt es ab, Stromzäune aufs Dach zu spannen, wie es in anderen Bundesländern durchaus praktiziert wird: „Das mache ich den Tieren zuliebe nicht.“ Er benützt vor allem eine Paste, die an den Durchschlupf des Waschbären ins Dach geschmiert wird; angeblich besteht sie aus dem Kot von Zootieren, deren Geruch die Waschbären vertreibt: „In acht von zehn Fällen kommt der Waschbär nicht wieder“, so Machal.

Seit kurzem ist es mit einer speziellen Ausbildung in Baden-Württemberg auch erlaubt, Waschbären (und andere Wildtiere) innerhalb einer Gemeinde oder Stadt zu jagen – bisher waren besiedelte Gebiete Sperrzone für Jäger. Rund hundert solcher Stadtjäger hätten in Baden-Württemberg diese Ausbildung bereits absolviert, sagt Klaus Lachenmaier. Auch das wird den Waschbären aber nicht aufhalten.