Thomas Hajo, Heidi Klum, Wolfgang Joop Foto: ProSieben

„Show Yourself“ fordert Heidi Klum zum Start der neuen Staffel ihrer Show „Germany’s Next Topmodel“. Show Yourself – das ist auch die Botschaft in Gabriel Baryllis Bühnenstück „Showtime“. Pro Sieben setzt auf die Kamerawirkung, das Alte Schauspielhaus in Stuttgart auf die Bühnenwirkung.

Stuttgart - „Show Yourself“ fordert Heidi Klum zum Start der neuen Staffel ihrer Show „Germany’s Next Topmodel“. Show Yourself – das ist auch die Botschaft in Gabriel Baryllis Bühnenstück „Showtime“. Pro Sieben setzt auf die Kamerawirkung, das Alte Schauspielhaus in Stuttgart auf die Bühnenwirkung.

Kamera an

Heidi Klum, als Model international erfolgreich, demonstriert in der Kampagne für die neue Staffel ihrer Show „Germany’s Next Topmodel“, zu was man bereit ist sein muss, um 2014 ganz nach oben zu kommen: Haut, viel Haut. Am Donnerstag startete der TV-Privatsender Pro Sieben die Klum-Show. Und setzte auf „Personality“. Die zeigte zum Start vor allem Neu-Juror Wolfgang Joop.

Vorhang auf

Einen bitterbösen Abend könnte man von einem Bühnenstück erwarten, das sich des am fatalsten grassierenden Fernsehgenres annimmt, bitterböse Satire, abgrundtiefen Zynismus, quälende Moral. Gabriel Barylli, der Udo Jürgens das Musical „Ich war noch niemals in New York“ auf den Leib schrieb, als Schauspieler arbeitet und Romane schreibt, verfällt in „Showtime“ auf nichts davon. Dabei hat Barylli bei der Uraufführung im Alten Schauspielhaus in Stuttgart buchstäblich alles im Griff. Autor ist er, Regisseur und zudem in der Rolle der Bühnenregiestimme aus dem Off auch Akteur.

Barylli setzt nicht auf den Zeigefinger. Die Wendung, die er seinem Stück gibt, ist charmanter: In „Showtime“ geht es, wie bei jeder Castingshow, schlicht darum, besser zu sein. Nur tritt in Wirklichkeit das Theater gegen das Fernsehen an – und gewinnt. Die wahre Inszenierung ist der inszenierten Wirklichkeit überlegen, Theatermomente sind besser als die hässliche Jagd nach falscher Authentizität, auf der Bühne werden aus kaputten Schicksalen wieder erzählbare Geschichten, die ganz ohne Peinlichkeit unterhalten.

Auswahl-Arbeit

GNTM“ ist eine Marke. „Unterstützt von Produktplatzierungen“. Und ein Laufsteg. Zuvorderst für Heidi Klum, längst aber auch für Thomas Hayo. Sein Beruf? „Art Director“. Um eine Jury-Entscheidung zu treffen, braucht es aber drei. Modedesigner Wolfgang Joop erfüllt mehr als nur Star-Erwartungen. Und er macht deutlich, welche harte Arbeit die Modelsuche ist. „Die Boobs stehen in Konkurrenz zum Kopf“, sagt Joop so trocken, dass niemand an Erniedrigung denkt. Sacharbeit ist gefragt, so will es die Jury-Regie. Die Bildregie für „GNTM“ schert das wenig. Großaufnahme – und weg.

Bestbesetzungen

Wer im Alten Schauspielhaus in Stuttgart auf der Bühne steht, ist nicht gecastet, sondern hervorragend besetzt. Alfons Haider spielt den Moderator Roland. Haider ist in seiner Heimat Österreich genau dies: als Fernsehmoderator ein Star. Gut frisiert, in schwarzem Anzug, weißem Hemd besitzt er die richtige Glätte, die richtige Gabe, Tiefen und Missgeschicke zu überspielen. Und er macht die Müdigkeit und Verdrossenheit seines Charakters sichtbar. Moderator Roland gerät immer wieder ins sarkastische Sinnieren – Grund genug für Barylli, seinen Mann an der Rampe per Zuruf auf Kurs zu bringen. Paul Lerchbaumer hat die Show sparsam ausgestattet – die erste Hälfte des Abends spielt vor kahler Wand, wenige Requisiten verwandeln die Bühne in ein italienisches Lokal oder das Zuhause einer alleinerziehenden Mutter. Manchmal leuchtet ein Mond am Himmel. Später glitzert es wirklich – Showtreppe inklusive.

Lisa & Co.

„GNTM 9“ setzt auf Betty, das Heimkind. Auf Nancy, die Mutter. Und auf Lisa. Haarverlängerung ist ihr wichtig, wasserstoffblond sowieso und dass sie kein durchschnittliches Leben führt. Sagt sie. Lässt sie die Regie sagen? Wer weiß das schon. Sie ist dabei. Eine von 25.

Rosanna & Co.

Stephanie von Brocke spielt in „Showtime“ Rosanna, die alleinerziehende Mutter, die als lasziver Vamp gewinnen will. Teresa Anna Brandstetter ist Madeleine, das neurotische Vergewaltigungsopfer, das entrückt mit Kleist, Judy Garland und der Zauberflöte unterwegs ist. Hinter ihnen lauern Männer – Markus Angenvorth als Manfred, der Rosanna zur Mutter machte, ein Prolet, der seltsamerweise Noten lesen kann, und der famose Luigi Scaranao, als Giovanni, ein überdrehter Italiener, der den Frauen im Traum und in der Wirklichkeit erscheint. Stets präsent ist der Bühnenarbeiter Martin (Armin Jung). Lakonisch wischt er die Spucke der nervösen Kandidaten vom Boden auf. Carmen Voigt, Vera Maria Horn, Franziska Hiltl und Sandra Stein umschwirren Moderator Roland als lächelnde Showgirls.

Alles für die Show

Egal wie es Dir geht – lächeln, immer lächeln. Es ist eines der Gebote der „Model-Mama“. Durchhalten also. Fieber während des ersten „GNTM 9“-Drehs aber zwingt Heidi Klum in die Notaufnahme. Die Kamera bleibt dran.

Alles für die Bühne

Vorhang. „Showtime“ ist vorbei. Das Publikum im Alten Schauspielhaus ist begeistert. Von der Intensität des Spiels, der Präzision in Gabriel Baryllis Regie, von der Lust des Starmoderators Alfons Haider alles zu geben – auf der Bühne, für die Bühne.