Einspritzpumpen von L’Orange. Foto: Rolls-Royce Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: L’Orange wird an US-Konzern verkauft / Neue Mutter Woodward plant keinen Personalabbau

Der Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) verkauft seine Tochterfirma L’Orange für 700 Millionen Euro an den US-Konzern Woodward. Für den Standort in Glatten habe die Übernahme keine Auswirkungen, so ein Sprecher des bisherigen Mutterkonzerns.

Glatten/Stuttgart. "In der ganzen Breite" sei die L’Orange-Belegschaft in Glatten über den Verkauf informiert worden, sagt Wolfgang Boller, bei Rolls-Royce Power Systems für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, im Gespräch mit unserer Zeitung: im Intranet, per E-Mail sowie durch RRPS-Finanzvorstand Marcus Wassenberg und L’-Orange-Geschäftsführer Andreas Lingens bei drei Infoveranstaltungen für Mitarbeiter der Früh-, Spät- und Nachtschicht.

In Glatten befindet sich der mit Abstand größte von vier deutschen Standorten von L’Orange, das seinen Stammsitz in Stuttgart hat. Rund 700 der weltweit insgesamt 1000 Mitarbeiter sind in Glatten beschäftigt. Ihnen habe der neue Eigentümer zugesagt, dass er sämtliche tarifvertraglichen und arbeitsrechtlichen Regelungen übernimmt, so der Rolls-Royce-Sprecher. Ein Personalabbau sei nicht geplant. Auch das Management werde übernommen. Insgesamt sei das "Joint Venture" eher auf Wachstum ausgelegt.

Der Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems verkauft seine Tochter L’Orange GmbH, die Einspritzsysteme für Motoren entwickelt und produziert, im Zuge seiner Umstrukturierung. "Diese Transaktion basiert auf den Maßnahmen zur Vereinfachung des Geschäfts, die wir in den letzten zwei Jahren ergriffen haben", so Vorstandsvorsitzender Warren East, in einer Mitteilung.

L‘Orange liefert die Einspritztechnologie für Motoren, die in einer breiten Palette an industriellen Anwendungen eingesetzt werden, darunter Schiffe, Spezialfahrzeuge, Öl- und Gas-Förderung sowie Stromerzeugung. Das Unternehmen beliefert weltweit führende Hersteller von Spezialdieselmotoren, einschließlich der Tochterunternehmen von Rolls-Royce Power Systems, MTU Friedrichshafen und Bergen Engines, sowie andere Hersteller von langsamlaufenden bis zu schnelllaufenden Motoren.

Ziel: weitere Expansion

Auch mit der neuen Mutter Woodward, einem unabhängigen Entwickler, Hersteller und Dienstleister im Bereich Steuerungssystemlösungen und -komponenten für die Luftfahrt- und Industriemärkte, arbeitet L’Orange bereits zusammen. Eine Veränderung gibt es für die Mitarbeiter aber doch: Ihr Arbeitgeber wird in "Woodward L’Orange" umbenannt.

Woodward mit weltweit rund 7400 Mitarbeitern will mit der Übernahme zu einem führenden Technologie- und Systemanbieter von Motorsteuerungssystemen im Markt für Industriemotoren werden. Die sich stark ergänzenden Portfolios der Unternehmen ermöglichten ferner eine weitere Expansion in Schlüsselsegmente und -märkte der Branche, gleichzeitig werde die Ertragskraft der Unternehmen gesteigert, heißt es von Rolls-Royce. Durch den Verkauf sei L‘Orange in der Lage, neue Möglichkeiten am Markt zu erschließen, da es fortan nicht mehr direkt mit nur einem Motorenhersteller assoziiert werde. Durch eine langfristige Liefervereinbarung mit einer anfänglichen Laufzeit von 15 Jahren werde L‘Orange ein wichtiger Partner und Zulieferer für MTU Friedrichshafen und Bergen Engines bleiben.

Die Übernahme soll Ende des zweiten Quartals abgeschlossen sein. Das Kartellamt muss noch zustimmen.

  Standorte: L’Orange hat vier Standorte in Deutschland. In Stuttgart-Zuffenhausen befinden sich Geschäftsführung, Entwicklung und Vertrieb. Die Produktion ist in Glatten, wo das gesamte Produktportfolio gefertigt wird, und in Wolfratshausen, wo Einspritzdüsen fertiggestellt werden. In Rellingen bei Hamburg gibt es ein Service-Center. Weitere Standorte gibt es in China und in den USA.

  Geschichte: Das Unternehmen wurde 1933 von Rudolf L’Orange und seinem Bruder Harro in Stuttgart gegründet. In Hamburg gründete L’Orange die Zweigfirma Norddeutsche L’Orange GmbH Hamburg, um die Marine beliefern zu können. Weitere Betriebe folgten in Dresden, bei Berlin und in Pommern. Um der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zu entgehen, wurde der Berliner Betrieb nach Glatten verlegt. 1947 wurde nach Kriegsende ein Neubeginn angestrebt. Zusammen mit Karl Maybach wurde L’Orange wieder erfolgreich. Von Glatten aus eröffneten bald wieder Zweigbetriebe in München, Hamburg und Stuttgart-Zuffenhausen.

  Eigentümerwechsel: ITT Automotive übernahm im Jahr 1979 die Geschäftsanteile der Familie L’Orange und verkaufte diese 1985 weiter an die MTU München. 1995 wurde L’Orange an MTU Friedrichshafen verkauft und 2006 in den Tognum-Konzern eingegliedert (seit 2014 Rolls-Royce Power Systems).