Die Zukunft des deutschen Frauen-Skispringens: Gianina Ernst Foto: dpa

Die Skispringerinnen betreten erstmals die olympische Bühne. Mit dabei: Gianina Ernst, die jüngste Teilnehmerin bei den Winterspielen in Sotschi.

Sotschi - Tiefblaue Augen, verschmitztes Zahnspangen-Lächeln und herrlich unverblümt – Gianina Ernst ist ein wahrer Sonnenschein. Der Skisprung-Floh, nur 1,53 Meter groß und 44 Kilogramm schwer, stellt sich ohne jegliche Scheu der geballten deutschen Presse. Kess sagt sie: „Ich mache das schon sehr lange und weiß, was ich kann.“ Dabei ist die junge Dame vom SC Oberstdorf gerade erst 15 Jahre alt und damit die jüngste Teilnehmerin der Winterspiele an der russischen Schwarzmeerküste. Dass es etwas ganz Besonderes ist, bei Olympia an den Start zu gehen, ist Gianina Ernst durchaus bewusst. Ja, sagt sie der US-amerikanischen Kollegin in drolligem, bayerisch gefärbtem Englisch, „it is a wonder, a dream“.

Ein Wunder, ein Traum – denn wäre sie nur einen Tag später, also am 1. 1. 1999, geboren worden, hätten ihr die Statuten des Internationalen Olympischen Komitees, die ein Mindestalter vorgeben, einen Start nicht erlaubt. „Da bin ich meiner Mama sehr dankbar, dass sie mich am Silvestertag auf die Welt gebracht hat. Das hat sie gut hingekriegt“, sagt die Gymnasiastin und grinst breit. Ihr Talent hat sie nicht nur von Mutter Cornelia, die mehrfache Schweizer Langlaufmeisterin war, sondern vor allem von Vater Joachim. Der war 1982 deutscher Skisprungmeister, ist seit sieben Jahren Gianinas Heimtrainer. Auf die Unterstützung der Eltern und ihrer fünf älteren Geschwister muss Gianina Ernst in Sotschi verzichten. Das Nesthäkchen der Familie nimmt es locker: „Im Herzen sind sie immer bei mir. Und dank Internet und Skype ganz nah.“

An diesem Dienstag um 18.30 Uhr (ARD) heißt es dann für Familie Ernst vor dem Fernseher Daumen drücken. Das Abschlusstraining am Montag verpasste Gianina zwar wegen erhöhter Temperatur, ihren Wettkampf-Start sieht sie deshalb aber nicht gefährdet. „Sie schwächelt ein bisschen“, berichtete Bundestrainer Andreas Bauer. Dass sie bei optimaler Fitness einiges draufhat, hat sie bei ihrem Weltcup-Debüt mit Platz zwei Anfang Dezember bewiesen. Da war sie 14 Jahre alt und in ihrer Schule anschließend ein Star. „Mir gratulierten teilweise Lehrer und Mitschüler, die ich gar nicht kannte“, erzählt der aufgeweckte Teenager.

Mit der Schanze oben in den Bergen bei dem Örtchen Krasnaja Poljana kommt Gianina Ernst ganz gut zurecht. Bauer ist denn auch voll des Lobes über sein Küken im Team. „Gianina ist ein pfiffiges Mädchen. Sie bringt alles für diesen Sport mit“, sagt der Bundestrainer. Eine gute Dynamik beim Absprung, eine gute Flugqualität, und sie kann auch bei weiten Sprüngen einen Telemark setzen. Nur eines bemängelte der Coach nach den Trainingseindrücken: „Sie muss noch mehr Gewicht und Druck auf die Skier bringen. Es fehlt an der Geschwindigkeit.“

Ganz vorn, da ist Gianina Ernst ganz realistisch, wird sie nicht landen. Eher Teamkollegin Carina Vogt (22) aus Degenfeld bei Schwäbisch Gmünd. Die Bundespolizistin ist derzeit Gesamtweltcup-Zweite und will versuchen, die große Favoritin Sara Takanashi aus Japan zu ärgern. „Ich will mich voll auf mich konzentrieren und mein Ding machen. Dann werde ich sehen, was dabei rauskommt“, sagt Carina Vogt nüchtern.

Mit am Start ist auch Ulrike Gräßler (26). Als die Skispringerin aus Klingenthal erstmals mit sieben Jahren von einer Schanze sprang, gab es das offizielle Frauen-Skispringen noch gar nicht. Und jetzt – 19 Jahre später – ist ihre Sportart endlich olympisch. „Das ist was ganz Besonderes“, sagt die Älteste im deutschen Team, die sich noch bis Samstag mit einer fiebrigen Erkältung herumplagte und nicht ganz fit ist. Seinem Quartett, zu dem auch Katharina Althaus (17/Oberstdorf) gehört, traut Bauer einiges zu. „Wir sind nicht hierhergefahren, um nur dabei zu sein. Wir wollen bei der olympischen Premiere unseres Sports vorne mitmischen“, sagt der 50-Jährige, der seit 2011 Cheftrainer ist. Diesen Ehrgeiz hat Gianina Ernst auch. Doch hauptsächlich will sie eines: „Skispringen und Spaß haben.“