Ein Gendarm des „Königlich Württembergischen Landjägerkorps“ empfängt seine Befehle von einem Offizier. Foto: Arnold Einholz

Was machte ein Leonberger Gendarm vor 210 Jahren im kleinen Erpfingen? Sein Beispiel zeigt, wie sich die Organisationsstrukturen des Landes Baden-Württemberg im Lauf der Zeit verändert haben.

Wie es dazu kam, dass Gottlieb Käppler aus dem Oberamt Leonberg vor 210 Jahren als Gendarm im Oberamt Reutlingen stationiert wurde – und warum hier das kleine und arme Erpfingen für die Verpflegung seines Pferdes zuständig war, lässt sich heute kaum erkunden. Vielleicht hat ihn die damalige Oberpolizeidirektion Ludwigsburg dahin abkommandiert – wer weiß es heute schon? Eine alte Fourage-Quittung vom 8. Dezember 1813 zeigt allerdings, dass seinem Gaul täglich 1,5 Viertel Hafer (knapp 400 Gramm) sowie etwa fünf Kilogramm Heu und 2,5 Kilogramm Stroh zustanden.

Der Gendarm tat seinen Dienst in einer bewegten Zeit, als nach der Völkerschlacht bei Leipzig (Oktober 1813) in Europa die Befreiungskriege ansetzten, mit denen die Vorherrschaft Frankreichs unter Napoleon Bonaparte über große Teile des Kontinents beendet wurde. In Württemberg dagegen waren es die Jahre, in denen der neue König auf der Suche nach einer gut funktionierenden Verwaltungsstruktur für sein Land war. Letztendlich gehörte das Herzogtum zu den größten Gewinnern der Napoleonischen Kriege. Friedrich I. wurde am 1. Januar 1806 dank seiner am 3. Oktober 1805 in Ludwigsburg geschlossenen Allianz mit Napoleon König, und hatte am Ende dieses europaweiten Kriegsgeschehens die Fläche seines Landes und die Zahl seiner Untertanen fast verdoppelt.

1803 wurde das Herzogtum Württemberg zum Kurfürstentum erhoben

Württemberg war schon als Herzogtum in Ämter und Oberämter eingeteilt. 1803 wurde das Herzogtum erheblich vergrößert und zum Kurfürstentum erhoben. Weitere Gebiete kamen 1806 hinzu und es wurde Königreich. Eine neue Verwaltungsgliederung wurde erforderlich. Diese Einteilung wurde 1810 und 1818 verändert, blieb dann aber im Wesentlichen bis 1938 erhalten. Durch ein königliches Manifest wurde im Oktober 1810 das Staatsgebiet Württembergs mit Ausnahme der Residenzstadt Stuttgart in 64 Oberämter eingeteilt, die in zwölf Landvogteien zusammengefasst waren. Die Landvogteien trugen jetzt Landschafts- anstelle von Städtenamen. Die Einteilung der Oberämter hatte mit kleinen Änderungen bis 1938 Bestand.

Leonberg gehörte der „Landvogtei Rothenberg“ (Sitz in Stuttgart) an, zusammen mit den Oberämtern Cannstatt, Esslingen, Stuttgart (Amtsoberamt) und Waiblingen. Der Gendarm Gottlieb Käppler war in der „Landvogtei auf der Alb“ (Sitz in Urach) und zwar im Oberamt Reutlingen stationiert.

Die Vogteien hatten nur kurze Zeit Bestand, denn am 1. Januar 1818 wurden sie durch vier Kreise ersetzt: den Neckarkreis mit Sitz in Ludwigsburg, den Donaukreis (Ulm), den Jagstkreis (Ellwangen) und den Schwarzwaldkreis (Reutlingen). Dem Neckarkreis gehörte Stuttgart an – und unter vielen anderen Oberämtern auch Leonberg.

Leonberg war seit dem 14. Jahrhundert eine Vogtei

Leonberg, die erste Stadtgründung der Grafen von Württemberg, war seit dem 14. Jahrhundert eine Vogtei, aus der sich ab 1758 das Oberamt Leonberg entwickelte. Mit der Einrichtung des neuen Amts Ludwigsburg im Jahr 1718 hatte Leonberg Malmsheim (zuvor beim Amt Böblingen) hinzubekommen, musste aber Weilimdorf ans Amt Cannstatt abgeben. Nach Abschluss der württembergischen Gebietsreform 1813 war mit Leonberg ein Bezirk entstanden, dessen Gemeinden davor unter unterschiedlichsten Herrschaften standen. Da war zum einen das Herzogtum Württemberg, dessen Gebiet zum weltlichen Amt Leonberg zählte, dem auch die Stabskellerei Heimsheim unterstellt war. Zu anderen Ämtern gehörten bis dahin etwa Münchingen (Amt Markgröningen), Hausen (Klosteramt Herrenalb) oder Flacht und Wimsheim (Klosteramt Maulbronn). Aus Niederadelsbesitz unter württembergischer Landeshoheit kamen Schöckingen, die Hälfte von Hemmingen sowie Korntal und der Ihinger Hof dazu. Auch die Reichstadt Weil der Stadt gehörte nun dazu.

Für Ordnung und Sicherheit im Land sorgte das „Königlich Württembergische Landjägerkorps“, das bis 1918 die Gendarmerie des Königreichs Württemberg bildete. Mit einer Generalverordnung König Friedrichs wurde 1807 das „Landreuterkorps“ eingerichtet. Dieses überwachte Fremde, Vagabunden und Bettler, es zeigte Gesetzesübertretungen an, begleitete die Postwagen und schützte die „ihnen anvertrauten Personen und Sachen“.

Gendarmerie nach französischem Vorbild

Nach dem Vorbild der französischen Gendarmerie impériale wurde das Korps per königlichem Befehl 1811 vollständig umstrukturiert und erhielt den Namen „Königliche Gendarmerie“. Die Mannschaft des Korps bestand aus 140 Gemeinen zu Pferd und 200 Gemeinen zu Fuß. Gottlieb Käppler gehörte also zu den Ersteren, denn Erpfingen musste die Verpflegung für sein Pferd stellen. Der Kommandeur und die beiden Quartiermeister residierten in Stuttgart, denn Stuttgart und Ludwigsburg waren Oberpolizeidirektionen. Während der Napoleonischen Kriegen wurde das Korps erheblich verstärkt. Russische, österreichische und bayerische Truppen wurden bei ihrem Durchzug durch Württemberg von Gendarmen begleitet und zum Schutz der Einwohner auch lokal stationiert. Sie trugen einen blauen Frack mit gelben Aufschlägen, auf der Brust ein Schild mit dem württembergischen Wappen und der Aufschrift „Von der Polizey“.

Nach dem Ende der Koalitionskriege gegen Napoleon wurde die Gendarmerie wieder verkleinert. Im März 1823 wurde das Gendarmeriekorps in Landjägerkorps umbenannt. Der Landjägerdienst war offenbar so unbeliebt, dass der Personalbedarf nicht durch Freiwillige, sondern durch Abordnungen aus dem Linienmilitär gedeckt werden musste. 1918 dankte König Wilhelm II. während der Novemberrevolution ab. Der Begriff „Königlich“ fiel weg, die Bezeichnung „Landjägerkorps“ wurde jedoch beibehalten. Das Korps wurde vollständig dem Innenministerium unterstellt.