Schlangestehen für fällige Erklärungen: Mehr als 400 Mitglieder drängten gestern Abend zur außerordentlichen Generalversammlung der Raiffeisenbank in der Geislinger Schlossparkhalle. Dort erfuhren sie, weshalb der bisherige Vorstand gehen musste. Foto: Schnurr

Kurz vor Mitgliederversammlung. Anton Abt und seine bisherigen Mitarbeiter gehen dauerhaft getrennte Wege.

Geislingen/Rosenfeld - Anton Abt und seine bisherigen Mitarbeiter gehen dauerhaft getrennter Wege: Der vom Aufsichtsrat vorläufig von seinen Aufgaben entbundene Raiba-Vorstand legte am Mittwoch kurz vor der außerordentlichen Generalversammlung sein Amt nieder.

Ein Paukenschlag war die Mitteilung der Raiffeisenbank Geislingen-Rosenfeld Ende August gewesen, dass Vorstand Abt vorläufig des Amts enthoben sei. Nur Gerüchte waren danach im Umlauf gewesen, nichts Konkretes drang aus den Mauern des Bankgebäudes nach draußen.

Das war für Geislinger Verhältnisse ungewöhnlich – Neuigkeiten machen in der Stadt sonst schnell die Runde. Selbst beim Schlangestehen vor der Schlossparkhalle rätselten gestern viele Mitglieder weiter, was eigentlich die dicke Luft verursacht habe.

Kurz nach halb Acht war dann die Katze aus dem Sack. Der Aufsichtsratsvorsitzende Rudi Rauch erklärte mehr als 400 versammelten Genossenschaftsmitgliedern, weshalb das Gremium Abt zum 30. Juni 2015 gekündigt und der Versammlung die dauerhafte Amtsenthebung vorgeschlagen hat. Dazu habe sich das Kollegium am 11. August einstimmig entschieden, um die operative Handlungsfähigkeit zu erhalten: Es hätte sonst "womöglich bald eine Bank, aber keine Mitarbeiter mehr" gegeben, so Rauch.

Unter der Personalführung des seit 1. Oktober 2011 dafür Verantwortlichen habe sich eine enorme Fluktuation ergeben: Sechs Mitarbeiter mit zum Teil mehr als 25 Jahren Betriebszugehörigkeit hätten seit Abts Amtsantritt gekündigt. Neun der 18 seither neu Eingestellten seien bereits wieder gegangen.

Insgesamt hätten in diesen zweieinhalb Jahren also rund 55 Prozent der Raiba-Mitarbeiter die Bank von sich aus verlassen: "Sie kündigten aus Verzweiflung", so Rauch. "Welcher Arbeitgeber überlebt so was dauerhaft?" Normal seien in einer Bank drei bis fünf Prozent Fluktuation – pro Jahr.

Was hat zu diesem personellen Aderlass geführt? Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, berichtete Rauch von "Bloßstellungen und Beleidigungen" von Bankmitarbeitern durch ihren Vorgesetzten vor Kunden, Arbeit unter Angst sowie Aufträgen zu gegenseitiger Überwachung. Es habe eine große Verunsicherung geherrscht.

Auf mehrere Kündigungen diesen Sommer reagierte der für die Bereiche Markt und Personal zuständige Vorstand mit einer "Durchhalte-Rundmail" und der Ankündigung rascher Neuausschreibungen. Ende Juli war das Maß deshalb voll: An einer Diskussion über die Umsetzung des selbst erarbeiteten Leitbilds "Gemeinsam mehr erreichen" entzündete sich eine, so Rauch, "zutiefst frustrierende Bestandsaufnahme", an deren Ende sich die Mitarbeiter einig gewesen seien, nicht mehr mit Abt zusammenarbeiten zu wollen – das teilte das Team dem Aufsichtsrat mit.

Das Gremium beschloss daraufhin nach einer Krisensitzung am 4. August, Anton Abt zu kündigen. Da jener bis Ende Juni 2015 für die Raiba noch vertreteungsberechtigt gewesen wäre, habe man eine einvernehmliche Lösung gesucht, so der Aufsichtsratsvorsitzende Rauch. Diese sei aber an "fehlender Gesprächsbereitschaft" und "überzogenen Abfindungsforderungen" gescheitert. Auf Nachfrage des Genossenschaftsmitglieds Jürgen Link präzisierte Rauch, es sei um eine Summe "im hohen, sechsstelligen Bereich" gegangen. Weil persönliche Gespräche danach nicht mehr zustande kamen, habe der Aufsichtsrat die Amtsenthebung als letzte Möglichkeit gesehen und die Mitglieder eingeladen, darüber zu beschließen.

Doch zu einer Abstimmung kam es gestern nicht mehr: Knapp vier Stunden vor der außerordentlichen Generalversammlung legte Abt schriftlich sein Amt nieder, die Bestätigung der Enthebung wurde dadurch hinfällig.

Dass der bisherige Vorstand eine Abfindung bekommt, erscheint fraglich. Christoph Fauser-Leiensetter, Hauptgeschäftsführer des Genossenschaftlichen Arbeitgeberverbands Baden-Württemberg, der den Aufsichtsrat beraten hat, erklärte auf eine entsprechende Frage von Mitglied Albert Raible: Es sei nichts vereinbart, also werde auch nichts bezahlt – das erübrige sich mit der Amtsniederlegung. Allerdings stehe Ende Oktober in dieser Sache ein Rechtsstreit an.

Aufsichtsrat und Bankmitarbeiter erhielten von den versammelten Genossenschaftsmitgliedern für den Befreiungsschlag breite Rückendeckung, die sich in wiederholtem Applaus zeigte – besonders als sich die Mitarbeiter demonstrativ um ihren Sprecher Dietmar Müller scharten, der ihre Sichtweise schilderte: Viele Geislinger hätten mitbekommen, was die vergangenen Jahre abgelaufen sei. "Menschen mit Führungsaufgaben haben sich an Regeln des menschlichen Umgangs zu halten", sagte Müller. Weitere Kündigungen hätten das Wohl der Bank bedroht – darum sei es ihnen allen gegangen. "Ich hoffe auf das Ende der vielen, schlaflosen Nächte und dass bei uns endlich Ruhe einkehrt."

Mit letzterem sprach er offensichtlich vielen Anwesenden aus dem Herzen, die nach der Versammlung erkennbar erleichtert die Halle verließen. Ganz ausgestanden ist die Angelegenheit allerdings noch nicht: Bei der anstehenden Neubesetzung des frei gewordenen Vorstandspostens drängt die Finanzaufsicht – und damit die Zeit.