Die deutsche Finanzaufsicht ist zu lasch, kritisierte Gerhard Schick in seinem Vortrag am Mittwoch. Foto: Stopper

Vortrag: Gerhard Schick schildert Kehrseite des Finanzkapitalismus / Junge Hechinger sind Organisatoren

Hechingen. Sie sind junge Hechinger, wünschen sich eine bessere Welt, haben den Blog "perspektiven-zeigen.de" gegründet und am Mittwoch den kritischen Finanzexperten Gerhard Schick zu einem Vortrag in die Stadthalle eingeladen. Über 70 Zuhörer kamen. Ein toller Erfolg.

Die Gruppe bestehe derzeit aus fünf jungen Leuten, die sich regelmäßig über Themen wie Klimawandel, Gemeinwesenökonomie oder Wirtschaftssystem austauschen, erklärte zur Begrüßung Markus Buckenmaier. Kritisch über Entwicklungen der Gegenwart nachdenken, respektvoll darüber diskutieren und Meinungsbeiträge ins Internet stellen, das seien ihre Ziele.

Zum Nachdenken anregen, das gelang dann Gerhard Schick sehr gut. Der promovierte Volkswirt hat einst eine abgesicherte Grünen-Bundestagskarriere aufgegeben, um die Bürgerbewegung "Finanzwende" zu gründen. Eine Art Expertenpool, der ein Gegengewicht zur Lobby der Finanzwelt bilden will, die seiner Ansicht nach die deutsche und internationale Politik viel zu stark beeinflusst.

Das Ergebnis dieser Lobbyarbeit ist Schick zufolge ein Finanzsystem, das mit riesigen Summen "ohne geeignete Kontrolle" dafür sorgt, dass sehr Vermögende noch reicher werden, das zugleich aber Bankkunden, Steuerzahlern und im Prinzip der gesamten Gesellschaft schade.

Häufig machen sich Akteure auf diesem Gebiet sogar strafbar, berichtete er. CumEx sei nur ein Beispiel. Aktuell werde hier ein Strafprozess gegen über 1000 Beschuldigte geführt, "die uns allen in die Tasche gegriffen haben", so Schick. Sie hätten sich vom Staat mehr Steuer erstatten lassen, als sie je gezahlt hätten. Schaden: Zehn Milliarden Euro, bezahlt vom deutschen Steuerzahler.

Deutsche Finanzaufsicht als zu lasch kritisiert

Gründe findet Schick in der laxen deutschen Finanzaufsicht, die die kriminelle Energie hinter großen Geldströmen systematisch unterschätze. Das koste die Steuerzahler enorme Summen. Zur Geldwäsche würden in Deutschland jährlich 100 Milliarden Euro bewegt. Die Gefahr, erwischt zu werden, sei angesichts schlecht aufgestellter deutschen Behörden gering. Und während in Italien erwischten Sündern das ergaunerte Vermögen wieder abgenommen wird, bleibe Deutschland hier erstaunlich milde. Seiner Ansicht nach ist das ein zentrales Feld, auf dem der deutsche Staat umsteuern muss.

Ein enormes Problem sieht er auch in der Digitalisierung. Börsen seien heute Profitunternehmen, die an Transaktionen verdienen und den Hochfrequenzhandel unterstützen. Folge: Computer handeln mit Computern im Millisekundentakt. Wer nah am Börsen-Server sitzt, kassiert ab. Der einfache Kunde zahlt.

Auch die Digitalkonzerte sieht er als Gefahr. Nicht nur wegen Milliardenumsätzen weltweit hätten sie gefährliche Macht. "Datenkraken" nennt er sie, denn mit ihren Handelsaktivitäten würden sie Informationen sammeln, für neue Profitmodell verwenden und sich als Berater sogar Zugang zu politische Entscheidungsprozessen sichern.

Das Ergebnis solche Aktivitäten sei ein instabiles Finanzsystem, das ständig von Zentralbanken und der Politik gerettet werden müsse. Auf Kosten der Steuerzahler, während die Profite in guten Zeiten privat abgeschöpft werden.

Warum das so läuft? "Wer viel verdient hat viel Geld, um Politik zu beeinflussen", so Schick. Die Finanzlobby habe enorme viel Personal und Geld, auf die Gesetzgebung einzuwirken.

Auf der politische Bühne mit Kompetenz und Engagement zumindest etwas dagegen zu halten, sei Sinn und Ziel seiner Organisation "Finanzwende".