Eine vollgesaugte Zecke sitzt auf einem weißen Blatt: Das vor sechs Jahren in China entdeckte Alongshan-Virus (ALSV) ist inzwischen auch in europäischen Zecken verbreitet. Foto: Imago/Ren/ Traut

Zecken können nicht nur Krankheitserreger übertragen: In den USA gibt es mehr als 100 000 Verdachtsfälle für eine durch die Tiere verursachte Allergie. In Deutschland tragen Zecken zunehmend das neuartige Alongshan-Virus.

Das vor sechs Jahren in China entdeckte, von Zecken übertragene Alongshan-Virus ist nach Angaben des Centrums für Reisemedizin (CRM) in Düsseldorf auch in Europa verbreitet. Erste Nachweise gibt es bereits in Deutschland.

Schwere Erkrankungen werden mit einer Alongshan-Virus-Infektion aber bislang nicht in Verbindung gebracht, wie CRM-Experten erklären. Sie riefen aktuell zu einem guten Zeckenschutz auf, denn die Spinnentiere können noch sehr viel gefährlichere Viren übertragen.

Wo sind Alongshan-Viren entdeckt worden?

Forschende der Tierärztlichen Hochschule Hannover hatten Hinweise auf die Übertragung von ALSV über Zecken auf Wildtiere in Niedersachsen nachgewiesen, wie sie in der Fachzeitschrift „Microorganisms“ berichteten. Das Team hatte Blutproben von Wildtieren aus der Jagdsaison 2017 bis 2019 untersucht.

Laut CRM ist zudem ALSV bei einer Untersuchung von Zecken, die 2021 und 2022 in der Schweiz gesammelt worden, häufiger gefunden worden als das FSME-Virus.

Das Virus wurde zudem im Körper und im Speichel von Zecken nachgewiesen, die an mehreren Standorten in Niedersachsen gesammelt worden waren. Bei einer systematischen Untersuchung von in der Schweiz gesammelten Zecken fand sich 2021 und 2022 ALSV sogar häufiger als FSME-Viren – also jene Erreger, die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen.

Wo befinden sich die Verbreitungsgebiete von Zecken?

Die Verbreitungsgebiete vieler heimischer Zeckenarten hätten sich in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet, erläutert der wissenschaftlicher Leiter des CRM, Tomas Jelinek. Die milden Winter und wärmeren Sommer kämen den Insekten zugute. Sogar zwei ursprünglich aus den Tropen stammende Arten hätten begonnen, sich in Deutschland zu etablieren.

FSME-Risikogebiete in Deutschland (Stand: 16. Januar 2023). Foto: R/KI

Übersicht der Landkreise in Deutschland, die als FSME-Risikogebiete eingestuft werden. Foto: R/KI

Warum sind Zecken gefährlich?

Zecken können eine Vielzahl an Viren und Bakterien übertragen. Mit dem Alongshan-Virus (ALSV) sei die Liste der über Zeckenstiche verbreiteten Krankheitserreger „noch einmal angewachsen“, betont das CRM. Das Virus hat seinen Namen von der chinesischen Stadt Alongshan, wo es 2017 erstmals identifiziert worden war.

„Wie stark Menschen von ALSV-Infektionen betroffen sind, ist noch weitgehend unbekannt“, erklärt Jelinek. In China wurde das neue Virus identifiziert, als Patienten nach einem Zeckenbiss FSME-typische Symptome wie Kopfschmerzen und Fieber entwickelten, sich jedoch keine FSME-Viren nachweisen ließen.

„Es ist davon auszugehen, dass das Virus auch in Europa bereits länger zirkuliert und vermutlich auch schon zu Erkrankungen geführt hat“, so Jelinek weiter. Diese seien aber vermutlich mit nur leichten grippeähnlichen Symptomen verbunden gewesen.

Was ist das Alpha-Gal-Syndrom?

In den USA entwickeln immer mehr Menschen eine Fleischallergie nach dem Stich einer bestimmten Zeckenart. Zwischen 2010 und 2022 seien mehr als 110 000 Verdachtsfälle des sogenannten Alpha-Gal-Syndroms (AGS) identifiziert worden, teilt die US-Gesundheitsbehörde CDC mit. Möglicherweise könnten .sogar um die 450 000 Menschen vom Alpha-Gal-Syndrom betroffen sein

„Das Alpha-Gal-Syndrom ist ein wichtiges sich ausbreitendes Gesundheitsproblem“, sagt die CDC-Wissenschaftlerin Ann Carpenter. Das Syndrom wird der CDC zufolge wohl hauptsächlich von einer bestimmten in den USA verbreiteten Zeckenart ausgelöst – der Lone-Star-Zecke (Amblyomma americanum).

Betroffene reagieren demnach allergisch auf ein bestimmtes Zucker-Molekül, das in den meisten Säugetieren vorkommt und sich in Fleisch und Fleischprodukten befinden kann. Symptome können etwa Schwindel, Durchfall oder Ausschlag sein. Zu Deutschland lägen keine Daten über Fälle von Alpha-Gal-Syndrom vor, teilte das Robert Koch-Institut mit.

Wo leben Zecken?

Die Spinnentiere lauern in Wäldern, Parks und Gärten auf Gräsern, Farnen oder Sträuchern. Von dort aus gelangen sie zu vorbeilaufenden Tieren oder Menschen und beißen sich an weichen Hautpartien wie Kniekehlen, unter den Armen und am Haaransatz fest.

Mit Hilfe ihres mit Widerhaken versehenen stachelartigen Mundwerkzeugs bohren sie sich in die Haut, um Blut zu saugen. Dabei können Krankheitserreger übertragen werden.

Eine Zecke sitzt auf einer weißen Flagge (Makroaufnahme). Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Eine Auwaldzecke sitzt auf einem Arm. Foto: Imago/Andreas /Franke

Impfpass mit dem Nachweis einer FSME-Schutzimpfung. Foto: Imago/Jochen Tack

Welche Krankheiten können Zecken übertragen?

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Zecken können den Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen, einer virusbedingten Hirnhaut- oder Gehirnentzündung. 2022 registrierte das Robert-Koch-Institut bundesweit 546 FSME-Erkrankungen. Das waren 30 Prozent mehr als 2021, als es 421 übermittelte FSME-Erkrankungen gegeben hatte.

Nur bei etwa einem Drittel der Erkrankten entwickelt sich tatsächlich eine Entzündung im Bereich des Gehirns. Symptome einer leichten FSME ähneln den Symptomen einer Grippe wie Fieber, Kopfschmerzen und Übelkeit.

Lyme-Borreliose

Am häufigsten durch Zecken übertragen wird jedoch die von Bakterien verursachte sogenannte Lyme-Borreliose, die Nervensysteme und Gelenke schädigen kann. Die Schätzungen zu den Krankheitsfällen schwanken sehr stark zwischen 40 000 und 120 000 pro Jahr.

Die Borreliose ist eine durch Bakterien ausgelöste Infektionskrankheit und wird von einem spiralförmigen Bakterium namens „Borrelia burgdorferi“ ausgelöst, das im Darm der Zecke haust.

Treten binnen vier Wochen grippeähnliche Symptome, Fieber, Lymphknotenschwellungen oder die sogenannte Wanderröte auf, sollte sicherheitshalber ein Arzt aufgesucht werden. Denn sonst drohen noch nach Jahren Spätfolgen.

Wer an Borreliose erkrankt muss eine mehrwöchige Antibiotika-Infusions-Kur über sich ergehen lassen. Wer Zecken frühzeitig entfernt, macht eine Infektion weniger wahrscheinlich. Eine Borreliose kann zu einer ringförmigen Rötung an der Einstichstelle oder grippeähnlichen Beschwerden führen. Sie wird in der Regel mit Antibiotika behandelt.

Gibt es Schutzimpfungen?

Gegen FSME schützt längerfristig eine aus drei Einzeldosen bestehende Impfung, die alle drei bis fünf Jahre aufzufrischen ist. Von den Erkrankten sind fast alle nicht oder unzureichend geimpft. Wie die Krankenkasse BKK VBU im Mai mitteilte, lassen sich selbst in Gebieten mit hohem Infektionsrisiko nur wenige Menschen impfen. Durchschnittlich seien das jährlich etwa drei bis vier Prozent ihrer Versicherten.

Eine Schutzimpfung gegen Borreliose gibt es nicht. Früh erkannt, lässt sich die Infektion aber gut mit Antibiotika behandeln.

Wie hoch ist das Risiko einer Erkrankung?

Laut Robert-Koch-Institut ist die Zahl der FSME-Risikogebiete in Deutschland auf aktuell 178 gestiegen.Dazu gehören vor allem Bayern und Baden-Württemberg, Südhessen, das südöstliche Thüringen, Sachsen und das südöstliche Brandenburg. Einzelne Risikogebiete liegen zudem in Mittelhessen, in Sachsen-Anhalt, im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen.

Experten schätzen, dass selbst in Risikogebieten nur wenige Zecken infiziert sind – im Schnitt 0,1 bis fünf Prozent. Die Borreliose kommt in ganz Deutschland vor. Je nach Region tragen bis zu 30 Prozent der Zecken die Erreger in sich. Sie werden aber erst übertragen, wenn die Zecke bereits einige Stunden Blut saugt. Nur ein sehr kleiner Teil der Infizierten von rund einem Prozent entwickelt Krankheitssymptome.

Was tun, wenn man eine Zecke hat?

• Entfernen Sie Zecken so schnell wie möglich. Zecken lassen sich, unmittelbar nachdem sie gestochen haben, leichter herausnehmen, da sie sich noch nicht vollständig festgehakt haben.

• Gehen Sie dabei behutsam vor. Tragen Sie auf keinen Fall Flüssigkeiten wie Nagellack, Klebstoff oder Ölauf, das fördert eher, dass Zecken ihren Speichel und damit potenzielle Keime auf die Wunde übertragen.

• Quetschen Sie den Blutsauger nicht heraus, greifen Sie ihn knapp über der Haut mit einer speziellen Zeckenzange oder Zeckenkarte.

• Nach dem Entfernen der Zecke müssen Sie die Wunde gründlich desinfizieren.

• In den meisten Fällen geht ein Zeckenstich glimpflich aus. Nicht jede Zeckenart ist mit Krankheitserregern infiziert. Wird sie schnell entfernt, bleibt oft nur eine juckende und gerötete kleine Stelle übrig, die nach einigen Tagen wieder verschwindet

Wann muss man zum Arzt gehen?

• Der Kopf der Zecke steckt fest und die Stelle hat sich entzündet. Manchmal reiß der Kopf des Parasit beim Entfernen ab. Meist ist das kein Problem, nur selten entwickelt sich daraus eine Entzündung.

• Die Zecke befindet sich an einer Körperstelle, die Sie nicht erreichen können, beispielsweise am Hinterkopf.

• Die Einstichstelle entzündet sich oder heilt schlecht ab.

• Es tritt eine Wanderröte auf. Dieser kreisförmige Ausschlag taucht einige Tage nach dem Zeckenstich auf und dehnt sich immer weiter aus. Er deutet auf eine Borreliose hin.

• Beobachten Sie die die Einstichstelle über 14 Tage genau. Bekommen Sie 5 bis 14 Tage nach dem Entfernen der Zecke Fieber, Kopf- oder Gliederschmerzen und fühlen sich matt und abgeschlagen. Diese Symptome sind sowohl für FSME als auch für Borreliose typisch.