Ein Gewitter mit Starkregen setzte im Mai 2009 mehrere Straßenzüge in Gechingen komplett unter Wasser. Seit damals befasst man sich in der Gäugemeinde mit dem Thema Hochwasserschutz. Viel passiert ist bislang allerdings nicht. Fotos: Feuerwehr Gechingen/Gehring Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Geplante Maßnahmen schützen auch künftig nicht vor Extrem-Fluten wie 2009 / Kanaltrasse festgelegt

Da ging ein Raunen durch die Zuhörer der Gechinger Gemeinderatssitzung: Der seit knapp zehn Jahren in Planung befindliche Hochwasserschutz für die Kommune wird auch künftig nicht vor extremen Hochwasserereignissen wie im Mai 2009 schützen.

Gechingen. "Das habe ich heute zum ersten Mal so gehört", sagte ein Bürger kopfschüttelnd nach der Sitzung beim Diskutieren auf dem Rathausplatz. Ein weiterer Zuhörer, nach eigener Auskunft örtlicher Bauhof-Mitarbeiter, relativiert: "Wenn man die Sitzungen die letzten Jahre zu diesem Thema aufmerksam verfolgt hat, konnte man das zwischen den Zeilen schon heraushören."

Mischwasserfreier Ablauf

Eigentlich ging es an diesem Abend im Gechinger Gemeinderat aber "nur" um die Trassenfestlegung eines von Landratsamt und Regierungspräsidium geforderten zusätzlichen Regenwasserkanals (RWK), der das künftige Hochwasserrückehaltebecken (HRB) im Althengstetter Tal eine eigenständige, mischwassefreie Ablaufmöglichkeit schaffen soll. Das HRB ist das eigentliche zentrale Bauwerk des künftigen neuen Hochwasserschutzes in Gechingen. Nach detailreicher Vorstellung einer Machbarkeitsstudie durch den Vertreter des beauftragten Planungsbüros Wald und Corbe, Gregor Kühn, und anschließender ausführlicher Erörterung entschieden sich die Räte bei einer Gegenstimme für die sogenannte Trasse "1 A". Diese gilt als kürzeste und dadurch auch günstigste Trasse. Sie führt vom geplanten HRB durch die Tallage des Bettelgrabens, über den Fleckenparkplatz und um das Sparkassen-Gebäude herum zum bestehen Regenrückhaltebecken "RÜB 3" sowie von dort weiter zum zentralen Abfluss, der sogenannten Irmverdolung.

Es gibt keinen Idealverlauf

Dabei wiesen sowohl Planungs-Experte Kühn als auch Bürgermeister Jens Häußler nebst seinem Bauamtsleiter Heinz Braun immer wieder darauf hin, dass es zwar "keinen idealen Trassenverlauf" für den Regenwasserkanal quer durch den Ortskern gebe, aber bei Abwägung aller Vor- und Nachteile die Variante "1 A" den "so gerade eben noch besten Kompromiss" (Zitat Häußler) darstelle. Mit dem Bau des RWKs im jetzt weiter zu planenden Trassenverlauf unter anderem eben über den Fleckenparkplatz (gegenüber dem Rathaus; südlich der Calwer Straße) lässt sich nämlich zum Beispiel auch eine "umfassende Neuplanung" eben dieses zentralen Platzes verbinden, wie es Gemeinderat Simon Klass (Bürger-Union) ausdrückte.

Was dann auch die anliegenden – und durch den Bau des RWKs mutmaßlich massiv beeinträchtigten – Gewerbetreibenden im Gechinger Ortskern mit den avisierten "fünf bis sechs Monaten" Bauzeit für den RWK allein auf dem Fleckenparkplatz versöhnen könnte – wie diese in Vorgesprächen mit der Rathausverwaltung signalisiert hatten. Allerdings werde es auch mit dem aktuellen Entscheid, nach der nun erfolgten Tressenfestlegung unverzüglich mit den eigentlichen Planungen für den Ausbau des RWK zu beginnen, noch (mindestens) weitere zwei bis drei Jahre dauern, bis überhaupt mit dem eigentlichen Bau begonnen werden könnte. Der Grund liege in den komplizierten und extrem aufwändigen wasser- und genehmigungsrechtlichen Verfahren, wie Planer Kühn auf Nachfrage der Räte erläuterte.

Der, nachdem sein eigentlich ursprünglich bereits für Juli geplanter Auftritt im Gechinger Gemeinderat damals wegen schwerer Krankheit abgesagt werden musste, nun die Gelegenheit auch nutzte, um den aktuell diskutierten Planungsstart des RWKs in den Gesamtzusammenhang aller für Gechingen angedachten Hochwasserschutz-Maßnahmen einzusortieren. So befände sich etwa das HRB bereits in einem fortgeschrittenen Planungsstand, könne aber nun mit der Planung des RWKs etwa bei den notwendigen Grundstückserwerben und dem eigentlichen Planfeststellungverfahren zusammengefasst werden, um zum Beispiel die angestrebten Förderanträge gleichzeitig stellen zu können. Im Raum steht eine bis zu 70-prozentige Förderung durch Land und Landkreis, auch für den RWK – was für solche Kanalbauten "sehr ungewöhnlich" und ein echtes "Bonbon" von Landkreis und Regierungspräsidium sei, wie Bürgermeister Häußler ergänzte. Üblich seien sonst Förderungen für kommunale Kanalbauten bis zu 23 Prozent der Baukosten.

Viel zu teuer

In diesem Zusammenhang wies dann Planer Gregor Kühn auch darauf hin, dass das Land mit dieser Förderhöhe nur Hochwasserschutz-Maßnahmen unterstütze, die nach dem Wassergesetz für Baden-Württemberg einem "HQ100k"-Ereignis entsprächen – also einem Hochwasser-Ereignis, wie es aus statistischer Sicht nur alle hundert Jahre vorkäme; wobei das nachgeschobene "k" für die zusätzliche Einbeziehung von Sonder-Klimaereignissen stehe. Ausdrücklich nicht gefördert werde ein Hochwasserschutz vor einem Hochwasser, wie es 2009 in Gechingen aufgetreten war – und dass als ein "HQ500"-Ereignis gewertet werde, also ein Extremhochwasser, wie es statistisch nur alle 500 Jahre vorkomme. Solch ein Hochwasser würde auch mit dem künftigen Hochwasserschutz in Gechingen zu einer "absoluten Katastrophenlage" führen, so Kühn. Ein Schutz davor müsste die Gemeinde allein aus eigenen Mitteln finanzieren – was nicht darstellbar und daher illusorisch sei.

Trotzdem komme die Gemeinde Gechingen um einen "nur" HQ100k-Hochwasserschutz nicht herum, so Kühns weitere Einordnung, da die baden-württembergische Landesregierung in einer landesweiten Hochwassergefährdungs-Kartierung sogenannte Gefährdungsgebiete für Hochwasser festgelegt habe, die – ohne entsprechenden Hochwasserschutz nach HQ100k – nicht weiter entwickelt werden dürften. Neu- oder Umbaumaßnahmen wären in solchen Gebieten, zu denen auch weite Teile des Gechinger Innenorts gehören, tabu. Weshalb, wie Bauamtsleiter Heinz Braun auf Nachfrage noch einmal ausdrücklich bestätigte, die Gemeinde diesen Hochwasserschutz unbedingt leisten muss, will sie künftig überhaupt noch eine Innenortsentwicklung aktiv gestalten können.