Kevin Sören Harr Foto: HSV

Rohrdorfer Kevin Sören Harr startet beim Hamburger SV in der U21-Mannschaft durch.

Vom TSV Rohrdorf zum großen Hamburger SV: Kevin Sören Harr hat sich in dieser Saison in der U21 der Hanseaten etabliert. Doch dabei soll es nicht bleiben: Der 20-jährige Torwart arbeitet auf ein Engagement in der 3. Liga hin.

"Solche Spiele braucht man als Torhüter ab und zu in einer Saison, in denen man für sein Team der Rückhalt ist. Es ist ein schönes Gefühl, seinen Teil zum Sieg beitragen zu können", freute sich Choi Min-soo nach dem 1:0-Erfolg der U21 des Hamburger Sportvereins, die in der Regionalliga Nord spielt, gegen den SV Drochtersen/Assel. Dieser SV Drochtersen/Assel, der sich im August 2018 nur knapp mit 0:1 gegen den großen FC Bayern München im DFB-Pokal geschlagen geben musste. Ein toller Erfolg der 11.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Landkreis Stade (Niedersachsen), 45 Kilometer vor den Toren Hamburgs gelegen.

Choi Min-soo jedoch ist im Nagolder Raum sicherlich besser unter dem Namen Kevin Sören Harr bekannt. "Hinten hielt Kevin Harr den Dreier fest" war anderntags in den Zeitungen zu lesen. Die 450 Besucher wussten, bei wem sie sich zu bedanken hatten. Schließlich waren es drei eminent wichtige Punkte für den "kleinen" HSV, von der Hamburger Presse auch ab und an etwas despektierlich Rothöschen in Anspielung auf den HSV-Spitznamen Rothosen tituliert, im Kampf um den Klassenerhalt in der Regionalliga Nord.

Der gebürtige Nagolder Harr hatte einen Sahnetag erwischt, konnte in diesen 90 Minuten beste Eigenwerbung betreiben. Immerhin hat Harr höhere Ziele, denn der nächste Schritt soll ihn "in die 3. Liga bringen", strotzt der junge Mann aus dem Schwarzwald voller Tatendrang. Dabei ist die Konkurrenz vor der eigenen Haustür groß. Stehen doch mit Daniel Heuer Fernandes und Tom Mickel zwei exzellente Torhüter im Profikader und da wäre auch noch ein Julian Pollersbeck, der nach seiner Verletzung wieder den Handschuh in den Ring geworfen hat. Schließlich hat der Altöttinger in seiner Vita immerhin den Titel eines U21-Europameisters stehen. Ein Trio, von dem Harr nur lernen kann. Insbesondere Tom Mickel bekommt in dieser Hinsicht ein dickes Lob vom Zwanzigjährigen: "Er hilft mir mit seiner Erfahrung weiter."

Noch einmal zurück zum Spiel gegen den SV Drochtersen/Assel. "Das Gefühl ein Matchwinner zu sein, der den Sieg festgehalten hat, ist eine tolle Sache", grinst Harr bei diesem Gedanken so breit wie einst sein Namensvetter Kevin McCallister aus der Filmkomödie "Kevin allein zu Haus" aus dem Jahr 1990. Eine Filmkomödie ist allerdings eine Sache, eine Profikarriere eine ganz andere. "Manche Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich bin von dieser Einstellung sehr enttäuscht. Ich kann Ihnen versichern, es ist sehr viel wichtiger als das!", befand einst der große schottische Spieler und spätere Trainer Bill Shankly.

Ganz so ernst sieht es Kevin Sören Harr, alias Choi Min-soo, zum Glück nicht, wenngleich sich auf seinem sowieso schon freundlichem Gesicht ein Strahlen breit macht wird, wenn er an den 5. Januar des vergangenen Jahres denkt. Denn da machte ihm der Hamburger SV ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk. "Ich durfte bei den Profis mittrainieren und bei aller Freude kommt da auch eine Portion Nervosität dazu", sagte Harr. Bei der Extra-Portion Profi-Torwarttraining kam er mit dem Torwarttrainer der Bundesliga-Truppe des HSV prompt bestens aus. Schließlich stammt Kai Rabe auch aus dem Ländle, genauer gesagt aus Bietigheim-Bissingen, und war vor seinem Engagement unter anderem beim Karlsruher Sport Club tätig. "Eine tolle Erfahrung", sagte der junge Mann aus dem Schwarzwald.

Harr ist in Nagold im Februar 2000 geboren und in Rohrdorf aufgewachsen. Dort begann einst seine Fußballkarriere beim heimischen TSV Rohrdorf. Dort, wo sein Vater eine Firma unterhielt. Wo dieser einst als Macher den kleinen TSV Rohrdorf bis hoch in die Landesliga führte. Von Rohrdorf ging es für Kevin Harr zum VfL Nagold. Dort wurde er bei einem Turnier "auffällig" und so flatterte ihm eine Einladung des VfB Stuttgart ins Haus. "Ich hatte nichts zu verlieren und habe mich sehr über die Einladung gefreut", so der Jungspund, ehe er als U11-Spieler an den Wasen wechselte.

Und plötzlich war alles ganz anders. Von Rohrdorf in die Schule nach Nagold. Weiter zum Training nach Cannstatt und zurück. "Ohne meine Eltern, ohne ihre Unterstützung hätte ich das alles nicht geschafft", weiß Harr, bei wem er sich zu bedanken hat. "Manchmal war es schon extrem", erinnert sich Harr. "Ich war durchstrukturiert von A bis Z. Da blieb so manches auf der Strecke, was ich in diesem Alter auch gerne gemacht hätte. Aber ich habe es gerne getan."

Gerade war er noch in Sindelfingen beim Junior Cup im Einsatz und plötzlich Schnitt, Kante, Klappe zu. Anstatt Neckar die Elbe. Volkspark statt Wasen. Kevin allein in Hamburg? Und das mit 17 Jahren. Kein leichter Schritt, aber "ich habe irgendwie gespürt, in Stuttgart komme ich nicht richtig weiter. Da habe ich mich mit meinem Berater und meinen Eltern zusammengesetzt und die Chance ergriffen, zum HSV zu wechseln. Das war für mich der nächste Schritt meiner Entwicklung."

Das Probetraining fiel zur Zufriedenheit für beide Seiten aus und im Juli 2017 erfolgte der Wechsel. Dino Hermann anstatt Fritzle, das Krokodil – das Maskottchen der Wasenkicker. Die Raute auf der Brust ersetzte den Brustring. Erst die U19, dann der Sprung in die U21 des Hamburger SV, die in der Regionalliga Nord spielt.

Mit 17 aus der Provinz hinaus nach Hamburg. Das Tor zur Welt. Ein Sprung, der erst einmal verkraftet werden muss. Doch da bleibt Kevin Sören Harr zurückhaltend. "Nach dem Training bin ich meistens zu kaputt, um noch um die Häuser zu ziehen." Ab und zu geht er mit seinen Freunden zum Essen in die Sternschanze. Zwar der kleinste Stadtteil Hamburgs, dennoch gibt es in diesem Szeneviertel viel zu entdecken. Es ist ein Stadtteil zum Schlendern, sich treiben lassen, bummeln, entdecken und Menschen beobachten. Genau das Richtige zum Entspannen nach dem Training. "Der Sprung von Stuttgart nach Hamburg war schon groß. Den Unterschied habe ich deutlich gespürt. Ich habe mich in Hamburg aber sehr schnell sehr wohl gefühlt, habe schnell Anschluss gefunden", sagt Harr. Das heimische idyllische Rohrdorf "ist für mich so weit weg", auch wenn es natürlich noch zu sporadischen Besuchen reicht. Kevin Harr fühlt sich wohl in Hamburg: "Die Leute sind gut gelaunt. Es herrscht eine nette Atmosphäre." Dennoch verliert der Torwart, sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen. Und das heißt nun einmal: "Langfristig ist der nächste Schritt für mich die 3. Liga. Darauf arbeite ich jeden Tag hin."