Halbfinale: Gegen "Alemanha" setzt der fünfmalige Weltmeister auf Trotzreaktion. Kolumbiens "Übeltäter" Zúñiga entschuldigt sich.

Nach dem WM-Aus für Superstar Neymar setzt Brasilien im Halbfinal-Kracher gegen "Alemanha" auf eine Trotzreaktion.

Ohne seinen Top-Stürmer muss der Gastgeber morgen (22 Uhr MESZ) in Belo Horizonte gegen Deutschland den Traum vom "Hexacampeão", dem sechsten WM-Titel, am Leben erhalten.

"Wenn die deutsche Mannschaft jetzt glaubt, sie würde gegen eine schwache, entmutigte Mannschaft spielen, wäre das ein enormer Fehler. Wir haben wunderbare Spieler", sagte WM-Rekord-Torschütze Ronaldo und zog eine Parallele zur Turnier 1962, als Pelé verletzt ausfiel und die Seleção dennoch triumphierte. "Auch ohne Neymar ist Brasilien Favorit."

Für Cheftrainer Luiz Felipe Scolari ist Neymars Verletzung "eine Katastrophe". Dennoch sei er nach diesem Schock "ruhig, sicher und voller Selbstvertrauen", dass die Seleção das Endspiel am 13. Juli im Maracanã von Rio de Janeiro erreiche. "Das wird sehr schwierig. Aber wir werden alles geben, damit unser Traum weitergeht", sagte Luiz Gustavo vom VfL Wolfsburg. Neymar fehlt dann wegen eines Wirbelbruches, den er beim 2:1 im Viertelfinale gegen Kolumbien erlitt, als ihm Juan Zúñiga mit dem Knie voraus in den Rücken sprang. Zúñiga hat sich bereits bei Neymar entschuldigt. Er "bedaure zutiefst", dass sich Neymar so schwer verletzt habe, ließ sich Zuniga auf der Webseite des kolumbianischen Verbandes FCF zitieren. Zugleich räumte der Flügelspieler des SSC Neapel ein, "keine böswillige Absicht" bei dieser "normalen Spielsituation" gehegt zu haben. Zuniga schloss mit persönlichen Worten an Neymar: "Ich bewundere und respektiere dich. Ich halte dich für einen der besten Spieler der Welt. Ich hoffe, dass du dich gut erholst und schnell zurückkommst."

Die Nachricht von der schweren Verletzung des 22-Jährigen verbreitete sich wie ein Lauffeuer und erstickte den Jubel über den Einzug ins Halbfinale. Innenverteidiger David Luiz brach in den Katakomben des Castelão von Fortaleza in Tränen aus. "Wir werden einen Pakt abschließen, um ihn zu unterstützen, um an seiner Seite zu sein. Und auch um die Stärke dieser Mannschaft auf dem Platz zu zeigen", sagte er. Kapitän Thiago Silva, gegen Deutschland gelbgesperrt, versprach: "Wir werden für Neymar siegen." Der brasilianische Verband wird gegen die Gelbsperre von Silva Einspruch einlegen. Da es sich aber um eine Tatsachenentscheidung des spanischen Schiedsrichters Carlos Velasco Carballo handelt, dürfte an der Sperre des brasilianischen Abwehrchefs nicht gerüttelt werden.

Neymar flog erst mit der Mannschaft nach Rio de Janeiro zurück, wurde mit dem Krankenwagen nach Teresópolis gebracht und verließ dann das Trainingscamp, festgeschnallt auf einer Trage, in einem Hubschrauber wieder. Die Szene wurde live im Fernsehen übertragen. In einer bewegenden Videoansprache bedankte er sich für die Anteilnahme in ganz Brasilien und machte seinen Kollegen Mut. "Mein Traum als Spieler ist ein WM-Finale, aber der Traum vom WM-Titel ist noch nicht vorbei. Es fehlen noch zwei Spiele, und ich bin sicher, dass meine Teamkollegen alles tun werden, um diesen Pokal hoch zu heben", sagte der 22-Jährige. "Sie werden den Titel holen, und ich werde bei der Mannschaft sein. Ganz Brasilien wird zusammen feiern."

Das Deutschland-Spiel kann Neymar möglicherweise als Zuschauer im Stadion verfolgen. "Wenn er schmerzfrei ist und sich gut fühlt, kann man es erlauben", sagte Mannschaftsarzt José Luiz Runco bei einer Pressekonferenz am Samstag. Neymar müsse ein Stützkorsett tragen. drei bis sechs Wochen pausieren, aber keine Folgeschäden am Rücken befürchten. "Er wird bei uns sein, wenn er kann – ob auf der Bank oder auf der Tribüne. Darum haben wir ihn gebeten", sagte Scolari. "Alles hängt von seinem Zustand die nächsten Tage ab."

Für Neymar könnte gegen die DFB-Auswahl der 1,63 Meter kleine Bernard (Schachtar Donezk) oder Chelsea-Profi Willian spielen. Einen vollwertigen Ersatz für den Wunderknaben hat Brasilien nicht. Das müsse schon ein "Messias" wie Amarildo sein, sagte Tostão, der Weltmeister von 1970. Der Mittelstürmer Amarildo ersetzte 1962 in Chile "König" Pelé, als dieser verletzt ausfiel und schoss Brasilien zum Titel.

Auch Dante fiebert dem Spiel in Belo Horizonte entgegen. Der Innenverteidiger vom FC Bayern München darf sich wegen des Ausfalls von Thiago Silva große Hoffnungen auf seine WM-Premiere machen. "Ich freue mich sehr und bin schon ein bisschen heiß", sagte der 30-Jährige.