Nach den Gewaltexzessen bei der Partie in der Kreisliga B 2 in Egesheim will man im Fußballbezirk Schwarzwald Maßnahmen zur Deeskalation ergreifen. Foto: Eibner

Fußball: Spielabbruch in Egesheim. "Brutalität Beteiligter erschüttert." 

Nach den Gewaltexzessen, die zum Spielabbruch der Partie in der Kreisliga B zwischen dem SV Egesheim und Türkgücü Tuttlingen führten, sprach der Schwarzwälder Bote mit Matthias Harzer, Bezirksspielleiter des WFV-Bezirks Schwarzwald, über das Thema, wie man künftig solche Vorkommnisse verhindern gedenkt.

Trotz aller Fairplay-Aktionen und Appellen seitens der Fußballverbände, dass ein respektvolles Miteinander im Vordergrund stehen soll, zeigen die Vorkommnisse der Partie in der Kreisliga B 2, dass man damit nicht alle erreicht. Wie will Bezirk, der Verband, darauf reagieren?

Wir versuchten die letzten Jahre, die Vereine an den Staffeltagen und Infoveranstaltungen für dieses Thema zu sensibilisieren. Ich weiß, dass einige Vereine dies auch annehmen und das Thema ernsthaft angehen. Teilweise brauchte es auch für den ein oder anderen ein kleineres Vorkommnis, sicherlich nicht in dem Ausmaß wie jetzt in der Kreisliga B2, um zu bemerken, dass das Thema gegenwärtig ist. Daher kann man nicht pauschal sagen, dass es unter unseren Vereinen, Spielern, Betreuern und Zuschauern kein respektvolles Miteinander mehr gibt.

Es ist glücklicherweise nach wie vor so, dass Ausschreitungen wie an dem Wochenende zu den Ausnahmen zählen. Zudem gibt es genügend Beispiele, auch im Bezirk Schwarzwald, wo sich Vereine einem Wandel unterzogen haben und das Thema Gewalt und Beleidigung weitestgehend im Griff haben.

Nur man muss eben etwas dafür tun. Von Seiten des Bezirks werden wir auch weiterhin versuchen, auf die Vereine einzuwirken und diese bestmöglich unterstützen, vor allem die, die noch deutlichen Nachholbedarf haben oder negativ auffallen. Wir werden hierzu auch in Sachen Prävention die angebotene Unterstützung des Polizeipräsidiums Konstanz in Anspruch nehmen.

Gespräche mit den Beteiligten allein scheinen nicht Zielführend zu sein. Gerade in jüngster Vergangenheit häuften sich deutschlandweit Gewaltszenen im Amateurfußball. Die Verrohung in der Gesellschaft, Respektlosigkeit im Allgemeinen, die in allen Bereichen festzustellen ist, scheint sich gerade im Fußball Bahn zu brechen, vor allem in den Spielklassen der Amateure. Oder sehen Sie, der Verband, das anders?

Nein, dieser negative Wandel der Gesellschaft macht leider keinen Bogen um den Amateurfußball. Wir sehen uns von Seiten des Fußballbezirks Schwarzwald vor ganz neue Herausforderungen gestellt, die wir gemeinsam mit den Vereinen meistern müssen. Es ist längst nicht mehr so, dass die Gewalt auf Sportplätzen weit weg ist oder nur ein großstädtisches Problem darstellt. Wir befinden uns leider mittendrin, und dies nicht erst seit den Vorkommnissen in Egesheim vergangenes Wochenende. Allerdings hat uns die Brutalität einzelner Beteiligter erschüttert und zugleich sprachlos gemacht. Das Maß an Gewalt hat in unserem Fußballbezirk einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Diskussion über Gewalt im Fußball ist in den Medien im vollen Gange, auch weil vor allem Schiedsrichter Leidtragende dieser Auswüchse sind. Erreichen oder Bewirken tut man nichts, wie die Gewaltexzesse beim Spiel in Egesheim belegen. Im Sommer 2019 kam es bei einem AH-Turnier im Bezirk Schwarzwald zu ähnlich schweren Ausschreitungen. Wird Fußball, die angeblich "schönste Nebensache der Welt", immer mehr zum Ventil, um Aggressionen nicht nur abzubauen sondern sie auszuleben?

Ich glaube es geht niemand auf den Fußballplatz, um vorsätzlich seine Aggressionen auszuleben. Der gesellschaftliche Wandel führt aber dazu, dass oft nicht respektvoll miteinander umgegangen wird. Beleidigungen, teilweise auch rassistischer Art, fallen schneller und öfter. Die Hemmschwelle, darauf mit Gewalt zu reagieren, sinkt dabei. Dies trifft auf Spieler, Betreuer und Zuschauer gleichermaßen zu. Man befindet sich dann schnell in einem Teufelskreis der im Extremfall zu solch erschütternden Ausschreitungen wie damals beim besagten AH-Turnier und jetzt in Egesheim führt. Ich möchte nicht sagen, dass es das früher nicht gab, aber die Häufigkeit und die Extremität nimmt leider stark zu, auch im ländlich geprägten Bezirk Schwarzwald.

Kann der nun anberaumte "Runde Tisch" mit den beiden Vereinen verhindern, dass sich solche Gewaltszenen nicht wiederholen?

Ich hoffe es zumindest. Ich denke, das Treffen zusammen mit dem Verbandsspielvorsitzenden Harald Müller, dem Bezirksvorsitzenden Marcus Kiekbusch und Michael Ilg vom Polizeipräsidium Konstanz hat den beteiligten Vereinen gezeigt, dass wir die Sache sehr ernst nehmen. Wir haben beide Vereine dazu aufgefordert, die Geschehnisse lückenlos und transparent aufzuarbeiten. Wenn wir das Gefühl haben, dass dem in den kommenden Tagen Folge geleistet wird, war der runde Tisch zielführend. Wenn nicht, müssen wir uns weitere Schritte überlegen, um den Vereinen klar vor Augen zu führen, dass wir jegliche Art von Gewalt, Beleidigungen und Rassismus nicht tolerieren und entschlossen dagegen vorgehen werden.

Gewalttätigen Spielern "nur die Rote Karte" zu zeigen reicht doch längst nicht mehr aus. Selbst im Juniorenbereich sind solche Vorfälle keine Seltenheit mehr. Müsste nicht schon hier viel härter durchgegriffen werden?

Die Rote Karte, die letztendlich den gewalttätigen Spielern gezeigt wird, kommt meistens nicht unvorhersehbar. Solche Spieler sind oft schon in Spielen davor, vielleicht dann nicht ganz so extrem, oder im Trainingsbetrieb auffällig. Ich würde mir wünschen, dass hier bereits die Vereine eingreifen und ihren Teil dazu beitragen, dass es erst gar nicht so weit kommt. Im Bereich der Junioren geht es schon damit los, ob ein Trainer oder Betreuer überhaupt geeignet ist, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Wenn Beleidigungen oder Gewalt bereits beim Kinder- oder Jugendfußball von außen in das Spielfeld hineingetragen werden, teilweise auch durch die Eltern, hat die Vorbildfunktion leider komplett versagt. Es liegt ganz allein in der Verantwortung der Vereine, geeignete Vereinsmitarbeiter zu finden, wohlwissentlich, dass dies nicht einfach ist, und diese, sowie die Eltern, bei körperlichen und verbalen Entgleisungen in die Schranken zu weisen.

Wäre es nicht längst an der Zeit, ein Exempel zu statuieren, solche Mannschaften vom Spielbetrieb komplett auszuschließen?

Selbstverständlich prüfen wir sämtliche Möglichkeiten, die uns bei solchen Extremfällen laut den Statuten des WFV zur Verfügung stehen. Ein Vereinsausschluss ist dabei aber die drastischste und letzte Maßnahme. Davor suchen wir mit den Vereinen und Beteiligten das Gespräch und versuchen, nicht einen ganzen Verein zu bestrafen, sondern die Personen, von denen die Gewalt ausgeht. Wenn sich ein Verein hierbei wenig kooperativ zeigt, wir nicht den Anschein haben, dass genügend Transparenz geschaffen wird und unzureichend bemüht ist, die Gewaltbereitschaft in den Griff zu bekommen, behalten wir uns vor, einen Vereinsausschluss anzudrohen und letztendlich auch einen entsprechenden Antrag beim Verbandsspielausschuss des WFV zu stellen.

Was ist, wenn sich künftig Mannschaften/Vereine weigern würden, gegen Mannschaften anzutreten, die derart negativ durch Gewalt aufgefallen sind?

Oberstes Ziel ist es, die Wettbewerbe sportlich fair abzuschließen. Da wäre es katastrophal, wenn eine gewaltbereite Mannschaft nur durch die Verbreitung von Angst und Schrecken zum Erfolg kommt, unter Umständen dann noch den Meistertitel und den Aufstieg erreicht. Das gilt es mit allem uns in der Macht stehende zu verhindern. Im aktuellen Fall der Kreisliga B2 haben wir auch deshalb bereits am Mittwoch die folgenden Spiele der beteiligten Mannschaften abgesetzt, unabhängig davon, dass ein Tag später wegen der Corona-Krise der gesamte Spielbetrieb eingestellt wurde. Wir wollten damit ein Zeichen setzen und nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Zusätzlich gewannen wir durch die Aussetzung der Spiele etwas Zeit um mit den Vereinen in Kontakt zu treten und mit diesen die Geschehnisse möglichst transparent aufzuarbeiten, um dann die richtigen Schlüsse und Maßnahmen zu ziehen. Da es durch den Schiedsrichter keine Platzverweise gab, hatten wir zudem das Thema, dass die gewalttätigen Spieler und sonstigen Beteiligten in den kommenden Spielen bis zur Urteilssprechung des Sportgerichts spielberechtigt gewesen wären. Das wäre so gegenüber den nächsten Gegnern nicht vereinbar gewesen, daher die Spielabsetzungen.

Muss es erst so weit kommen, dass der Württembergische Fußballverband drastischer gegen gewaltbereite Spieler durchgreift?

Ich denke, dass die Strafen und Sperren gegen gewaltbereite Spieler und Betreuer angemessen sind, zumal bei Härtefällen, außer einer mehrmonatigen Sperre, die Teilnahme an einer Gewaltpräventionsmaßnahme beim WFV in Stuttgart angeordnet wird. Nehmen diese nicht an dieser Maßnahme teil, wird sofort das Spielrecht ausgesetzt oder die Betreuung von Mannschaften, insbesondere im Kinder- und Jugendbereich, untersagt.

Das Problem ist vielmehr, dass die Gewaltbereitschaft auf und neben den Sportplätzen nicht identifiziert wird. Leider haben wir bei den meisten Spielen im Amateurbereich mit dem Schiedsrichter nur eine neutrale Person. Diese kann nicht alles erfassen was während eines Spieles passiert, zumal viele Gewaltszenen oder die Auslöser dafür, außerhalb des Wahrnehmungsfeldes des Schiedsrichters geschehen oder sogar fernab des Spiels, beispielsweise im Anschluss einer Begegnung, teilweise durch Einwirkung der Zuschauer.

Wenn uns vom Schiedsrichter keine eindeutige Meldung vorliegt und von den Vereinen die Szenen meist aus komplett verschiedenen Blickwinkeln beschrieben werden, fällt es dem Sportgericht schwer, einen solchen Vorfall fair abzuurteilen beziehungsweise kann im Zweifel gar nichts unternehmen. Ich sehe an dieser Stelle jeden einzelnen Verein in der Pflicht, präventiv die Gewaltbereitschaft zu unterbinden und interne Maßnahmen zu ergreifen, sei es durch die Gestellung von Ordnern, die wissen welche Verantwortung sie tragen und ihre Aufgabe ernst nehmen oder durch Gespräche innerhalb des Vereins.

Wenn dies ohne Wirkung bleibt, haben auch die Vereine die Möglichkeiten disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, z.B. die Aussperrung gewaltbereiter Zuschauer oder der Ausschluss einzelner auffälliger Spieler oder Betreuer vom Trainings- oder Spielbetrieb. Meiner Meinung nach sind sich einige Vereine dieser Verantwortung nicht bewusst.