Pfarrer, Torwart, norwegische Frohnatur: Jon-André Søvde (vorne) und seine Mitspieler vom VfL Höfen. Foto: Geideck

Fußball: Jon-André Søvde ist nicht nur evangelischer Pfarrer von Höfen, sondern auch Torwart beim VfL Höfen. 

Die Hand Gottes gehörte zwar dem großen Diego Maradona, dafür darf der VfL Höfen auf gleich zwei Hände eines echten Gottesmannes hoffen: Pfarrer Jon-André Søvde hütet das Tor der Alten Herren.

Schwarz-gelber Pullover, die Wollmütze ins Gesicht gezogen, einen Schal um den Hals gewickelt. "Ausgerechnet der Norweger friert", rufen ihm die teilweise in kurzer Hose erschienen Mitspieler neckisch zu. Mit seinem skandinavischen Zungenschlag antwortet Jon-André Søvde lässig: "Meine Abwehr ist halt so gut, dass ich nicht viel zu tun habe. Da wird mir kalt im Tor." Das Augenzwinkern verrät: Das ist nur die halbe Wahrheit. Eine alte Fußball-Taktik lautet zwar: hinten dicht machen und vorne hilft der liebe Gott. Doch vielleicht läuft das beim VfL Höfen ja genau umgekehrt – schließlich steht ein echter Gottesmann zwischen den Pfosten.

"Offener und cooler Typ"

Søvde ist seit 2018 evangelischer Pfarrer von Höfen. In der Gemeinde hat er sich gut eingelebt. So gut, dass Marcel Maaß keine Hemmungen hatte, ihn vor einigen Monaten zu fragen, ob er nicht Torwart der Alten Herren werden will. Zwei Jahre lang lag die Mannschaft brach, es gab nicht einmal mehr ein Training. Als zweiter Vorsitzender des VfL Höfen erweckte Maaß die Alten Herren im Sommer aus ihrem Dornröschenschlaf und formierte ein neues Team. Da seine Töchter zuvor erst von Søvde konfirmiert wurden, sprach er dabei auch den Pfarrer an. "Ich wusste, dass er ein total offener und cooler Typ ist", sagt Maaß.

In der 3. Liga

Mit dem Fußballspielen begann Søvde in Norwegen bereits im Bambini-Alter. Schon damals war er Torwart. Später sattelte der heute 44-Jährige auf Handball und vor allem Volleyball um und schaffte es sogar bis in die 3. Liga. "Aber in Norwegen", sagt der 1,95-Meter-Hüne mit einem Grinsen und meint: "Das ist nicht so gut."

Nach der Schule studierte Søvde zunächst in Oslo und Kristiansand auf Lehramt, ehe er im Alter von 29 Jahren zum Glauben fand und Pfarrer werden wollte. Von Deutschland, seiner Kultur und seiner Musik schwärmte der Norweger schon immer. "Als Kind habe ich klassische Musik geliebt und gefühlt kamen alle Komponisten aus deutschsprachigen Ländern", sagt Søvde, der aber auch gerne rockige Töne von Metallica hört. Dass er aber eines Tages in Deutschland leben wird, hielt er lange Zeit für unmöglich. "Auf dem Gymnasium musste ich dreimal die Deutsch-Prüfung wiederholen, weil ich so schlecht war", lacht Søvde.

"Ich bin Hardcore-VfB-Fan"

2009 wagte er schließlich den Schritt und begann sein Theologie-Studium in Tübingen, wo er auch seine Frau Dorothee kennenlernte, die heute Pfarrerin im nur neun Kilometer entfernten Engelsbrand ist. Doch auch eine andere Liebe entdeckte er am Neckar: "Ich bin Hardcore-VfB-Fan", betont Søvde und lacht: "Ich habe schon oft gesagt, dass der VfB genau die richtige Mannschaften für einen Christen ist: So viele Leiden – aber am Ende wird alles gut." Dennoch sagt der Norweger klipp und klar: Fällt ein Spiel des Stuttgarter Zweitligisten auf einen Sonntag, geht ganz klar die Kirche vor.

Fußball in der Predigt

Wenn Søvde im Sonntagsgottesdienst auf der Kanzel steht, dann spielt aber trotzdem auch der Fußball häufig eine Rolle. Immer wieder thematisiert der Höfener Pfarrer die schönste Nebensache der Welt in seinen Predigten. "Man soll Geschichten ansprechen, zu denen man einen Bezug hat", findet der Norweger, der auch über die Grenzen Höfens hinweg für seine moderne Einstellung bekannt ist. So ließ er bereits eine Musikband in der Kirche auftreten – auch wenn das für die ein oder andere kritische Stimme sorgte. Für Søvde nicht nachvollziehbar: "Ich verstehe nicht, warum Glaube und diese Musik nicht zusammengehören können. Und genauso sehe ich das auch mit dem Fußball."

Gespräche über Glauben

Bei den Alten Herren des VfL Höfen kommt diese Sichtweise gut an. Einige Mitspieler haben sogar schon den Sonntagsgottesdienst in der Kirche besucht. "Es ist zwar nicht das Hauptthema, aber in der Kabine wird jetzt auch über den Glauben gesprochen", beobachtet Maaß. Den Pfarrer freut das, denn auch das betrachtet er als Teil seiner Arbeit. "Wenn ich einfach nur in meinem Büro sitze und darauf warte, dass Menschen zu mir kommen, kann ich warten, bis ich grün und blau bin. Wie soll ich in Kontakt mit Menschen kommen, wenn ich kein Interesse für ihre Interessen habe?", fragt Søvde und freut sich: "Kirche ist für mich nicht nur dieses Gebäude mit dem Turm. Ich bin hier in der Mannschaft auf Interesse am Glauben gestoßen. Ich denke nicht, dass Menschen ihren Glauben aufgegeben haben, nur weil sie nicht mehr in die Kirche gehen."

Es wird weniger geflucht

Doch trotz göttlicher Berufung: Vor allem geht es Søvde beim VfL Höfen um die Freude am Fußball. "Die Leute hier sind nicht nur meine Gemeindemitglieder, sondern meine Freunde", zeigt der Norweger auf seine Mitspieler und lächelt: "Hier bin ich nicht Pfarrer Søvde. Hier bin ich Jon."

Das können die Mitspieler nur bestätigten. Zwar sagt Manuel Madaric, der erst in diesem Jahr mit seiner Frau von Søvde getraut wurde: "Man muss sich jetzt ein bisschen zusammenreißen und flucht nicht mehr zu viel." Und trotzdem freut er sich: "Ich kannte das gar nicht, dass sich ein Pfarrer so einbringt. Total positiv. Der trinkt mit uns nach dem Spiel auch mal ein Bier. Er ist unser Freund und Fußballkamerad."

Auch Maaß lobt: "Wo hat man das schon, dass ein Pfarrer so offen ist? Vielleicht ist das sogar eine Möglichkeit, Kirche wieder zu den jüngeren Leuten zu bringen. Das tut der Höfener Kirche auf jeden Fall richtig gut."

Zehn Gegentore

Das Trainingsspiel – fast schon so etwas wie die Generalprobe für Teilnahme am Wildbader Ü40-Turnier am 11. Januar – neigt sich derweil dem Ende entgegen. Søvde hat seinen Schal bereits abgenommen, denn es gab weitaus mehr zu tun als gedacht: Zehn Gegentore hat sich der Höfener Pfarrer schon eingefangen. Ein elftes kommt in der Schlussminute beinahe hinzu, doch der Ball wird aus guter Position zehn Meter über das Tor gepfeffert. Vielleicht hat da der liebe Gott geholfen. Søvde klopft dem Schützen jedenfalls mitleidig auf die Schulter und grinst spitzbübisch: "Es gibt Gnade für alles."