Magnus Schmidt Foto: Schwarzwälder Bote

Hochschule: Lehrbetrieb startet wegen Corona ohne Präsenz / Positive Erfahrungen

Furtwangen. Am 20. April hat an der Hochschule Furtwangen (HFU) der digitale Vorlesungsbetrieb begonnen. Die Studenten kommen nicht an den Campus, sondern sitzen zu Hause am Rechner. Lehre unter ungewohnten Bedingungen. Innerhalb kurzer Zeit musste ein digitales Semester auf die Beine gestellt werden.

Die Hochschule mit ihren 5705 Studenten hatte überwiegend auf Präsenz-Unterricht gesetzt. Nun wurde massiv in Software und den Ausbau der System-Kapazitäten investiert. Für Lizenzen wurden 150 000 Euro aufgewandt. Die IT-Mitarbeiter brachten neue Programme zum Laufen, verstärkten die Server, gaben Schulungen, schrieben Anleitungen und beantworten individuelle Fragen.

Zentrale Stelle ist die Lernplattform Felix. Waren dort bislang maximal 1000 Nutzer gleichzeitig online, sind es nun bis zu 2500 Personen. Diese massive Zunahme hat Felix gut verkraftet. Mit der neu angeschafften Konferenz-Software Alfaview wird ein Großteil der Live-Vorlesungen gehalten. 205 Räume stehen für die neun Fakultäten zur Verfügung. Diese virtuellen Räume haben eine Kapazität von 11 000 Plätzen. Es gibt viele Formate: synchroner Unterricht, also live, genauso wie asynchroner. Die Motivation ist groß – bei Dozenten und Studenten. Eine Anfangseuphorie ist zu spüren. Dazu zählt auch die Erleichterung darüber, dass es endlich losging, fünf Wochen später entgegen dem üblichen Termin. Die Lehrveranstaltungen ziehen sich weiter in den Juli hinein, die Prüfungsphase dauert bis 7. August.

Kirstin Tschan unterrichtet Informatik und Mathematik. Den Studenten hat sie Programmierungsaufgaben gegeben, die diese in Gruppen lösen sollen. Sie treffen sich virtuell mit der Professorin und zeigen ihr auf dem Bildschirm, was sie an Programmcodes geschrieben haben. So kann sie korrigieren und Tipps geben. Kirstin Tschan hat Material hochgeladen. Präsentationen, bei denen sie auch im Video zu sehen ist und den Stoff erläutert, Arbeitsblätter, Hinweise auf E-Books und Videos zu Zusammenhängen. "Die Studierenden mögen Erklärvideos", erzählt sie. Auch der Chat wird gern genutzt, um die Lösung mit ihr zu besprechen.

Magnus Schmidt ist erst seit einem halben Jahr Chemie-Dozent an der Hochschule, gerade der Chemie-Unterricht besteht aus Versuchen im Labor. Der Professor hat etliche Videos gedreht. Er sitzt entweder zu Hause am Schreibtisch und erklärt mit Hilfe von "Tafelanschrieben" den Unterrichtsstoff – zu sehen ist also seine Handschrift auf dem Monitor. Oder er hat im Labor gedreht, wie er mit Mitarbeiterin Yasmin Weiß die Versuche vorführt. Ergänzend gibt es Aufgabenblätter. "Die Studierenden brauchen Struktur. Besonders die Erstsemester muss man an die Hand nehmen", sagt er.

Christoph Reich unterrichtet Informatik. Viele Inhalte seien durch Nicht-Präsenz-Veranstaltungen gut vermittelbar. Aufwendig seien aber komplexe Sequenzen und Prozesse, die durch schrittweise Entwicklung mittels Powerpoint oder Grafikwerkzeugen online vermittelt werden müssten. Es fehle die Rückkopplung von den Studenten. "Die Studierenden haben keine großen Probleme mit dem Inhalt. Sehr kritisch sehe ich die notwendige Selbstorganisation der Studierenden. Vermutlich sind einige damit überfordert. Ich rechne sehr stark damit, dass ich immer wieder zu den Aufgaben motivieren und aktiv nachfragen muss, ob Hilfe gebraucht wird."

Matthias Kohl berichtet: "Meine Fächer, Mathematik und Statistik, sind bei den Studierenden ja bekanntermaßen nicht die beliebtesten. Ich hoffe, dass die Studierenden mit meinen Hilfsmitteln trotzdem klar kommen werden. Insgesamt empfinde ich den Aufwand als hoch, höher als bei der Präsenzlehre. Ich habe für jeden Kurs einen Arbeitsplan erstellt. Zu den Vorlesungszeiten biete ich Online-Sprechstunden oder Fragestunden an. In der Zeit zwischen diesen Sprechstunden können die Studierenden ihre Fragen über entsprechende Felix-Foren stellen."

Um eine Einschätzung der Studenten zu erhalten, hat die Hochschule eine Online-Umfrage gemacht. Das Feedback ist im Großteil positiv. So wurde unter anderem angemerkt: "Aufgezeichnete Vorlesungen empfand ich als sehr angenehm, da man die Vorlesung nach Wunsch unterbrechen konnte und so dem Inhalt besser folgen konnte." In Felix finde man alles schnell, wenn man wisse, wie es funktioniert. Die Technik sei, je nach Geschwindigkeit des Internets, manchmal der Flaschenhals: "Die Bildübertragung ruckelt häufig." Und klar ist allen: "Man muss viel selbstständig machen."

Um die jungen Leute in der Situation nicht alleine zu lassen, gibt es Unterstützungsangebote. Die Telefonsprechstunde der Zentralen Studienberatung wurde insbesondere von den Erstsemestern wahr genommen. Unter dem Namen Florian ist das Online-Lernzentrum entstanden. Studentische Tutoren stehen bereit, um – kostenlos – Nachhilfe zu geben. Nicht alles lässt sich ins Virtuelle übertragen. Auch das ist eine Erkenntnis aus dem Semester in Zeichen von Corona: Der direkte Kontakt, spontane Gespräche, Treffen auf den Fluren oder in der Mensa, das fehlt. Doch alle machen aus der Lage entsprechend das Beste daraus.