Bruno Gransche forscht und lehrt zur "Philosophie neuer Mensch-Technik-Relationen". Foto: Hochschule Foto: Schwarzwälder Bote

Hochschule: Studium-Generale-Vortrag am 13. Dezember widmet sich neuartigen Mensch-Technik-Verhältnissen

Furtwangen. In der Reihe Studium Generale hält Bruno Gransche am Donnerstag, 13. Dezember, an der Hochschule Furtwangen einen Vortrag über "Die List der Systeme – Wie Spotify unsere Stimmung verkauft. Oder: Von großen Dirigenten und kleinen Datenlichtern".

Der Vortrag beginnt um 20 Uhr im Hörsaal I 0.17 am Campus Furtwangen, Unterallmendstraße 21; der Eintritt ist frei. Unsere Lebenswelt und unser Alltag werden zunehmend von umfassenden technischen Ensembles durchdrungen, unsere Handlungen zunehmend im Medium der Technik verwirklicht. Nahezu jede Handlung hinterlässt digitale Spuren, erzeugt digitale Reaktionen und wird weitreichend von technischen Systemen ermöglicht und begrenzt: Smart Everything, Internet of Things, Ubiquitous Computing und Cyberphysical Systems sind Labels, unter denen Teile dieser Entwicklung gefasst werden.

Maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Digitalisierung und die Ausweitung der Systeme führen zu neuartigen Mensch-Technik-Verhältnissen, in denen der Mensch nicht mehr der autonome geschickte Techniknutzer ist, sondern bestenfalls hoffen kann, sich zum Dirigenten eines Orchesters von (teil-)autonomen Systemen aufzuschwingen.

In dieser Entwicklung liegen große Chancen, aber auch die enorme Herausforderung – für viele auch Zumutung oder Überforderung – Dirigent sein zu müssen. Dies ist eine Frage von Bildung, Governance und Beteiligung, doch dem Erfolg steht einiges im Wege: darunter die List der Systeme. Mit einer List (die Ursprungsbedeutung von Maschine) wird die Verfolgung eines Ziels vorgetäuscht, während tatsächlich verdeckt ein anderes Ziel verwirklicht wird. So meint man im alltäglichen Umgang mit verschiedenen Systemen der Technosphäre, die eigenen Ziele mit technischer Unterstützung zu verfolgen – beispielsweise uns mit Filmen oder Musik über Streamingdienste zu unterhalten. Die List zwingt diese Ziele aber in die Rolle von Mitteln für andere verdeckte Ziele – im Beispiel die intimste, lückenlose, minutiöse Erfassung von Neigung, Stimmung, Alter, Mentalität, Tagesablauf und anderes der Streamingkunden.

Das Problem: Wer meint, als Dirigent seiner Welt auf Zuruf – Alexa! OK Google! Siri! – den Takt vorzugeben, dabei aber tatsächlich eher dem Datenschwingen einer Seite eines Instrumentes des Orchesters unter ganz anderer Dirigentschaft gleicht, der unterliegt einer fundamentalen Täuschung seiner Weltverhältnisse. Die Listigen werden überlistet. Der Vortrag spannt den Bogen von aktuell einschlägigen technikphilosophischen und handlungstheoretischen Grundlagen zu heutigen und entstehenden Alltagstechnologien, präsentiert die Idee einer List der Systeme in Anlehnung an Hegels Gedanken von der List der Vernunft und stellt ethische wie gesellschaftliche Konsequenzen sowie konkrete Handlungsoptionen zur Diskussion.

Bruno Gransche ist seit 2017 als Philosoph am Institute of Advanced Studies (FoKoS) der Universität Siegen tätig. Er forscht und lehrt zur "Philosophie neuer Mensch-Technik-Relationen" mit den Schwerpunkten Technikphilosophie/Ethik, Zukunftsdenken, soziotechnische Kulturtechniken sowie Digitalisierung und ist Berater, Gutachter und Vortragsredner zu diesen Themen. Gransche ist Fellow am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe, wo er bis 2016 als Philosoph und Zukunftsforscher (Foresight) arbeitete.