Weber führt an die Orte der damaligen Wasserversorgung, so auch die Bärenbrauerei. Foto: Maria Liebelt

Wie sah Schwenningen vor 350 Millionen Jahre aus? Wo sind heutzutage die ganzen Brunnen von früher und wieso heißt der „Sauerwasen“ eigentlich so? Stadtführer Hans Martin Weber gibt in einer Führung im Rahmen der Schwenninger Geschichtswoche Antworten.

Vor etwa 350 Millionen Jahren soll, wo jetzt Schwenningen liegt, ein lagunenartiges Meer gewesen sein. Diese Bedingungen hätten so für die besondere Beschaffenheit des Bodens gesorgt. „Er liegt in dem Grenzbereich zwischen Muschelkalk und Keuper“, erklärt der geprüfte Stadtführer Hans Martin Weber.

Eine 20-köpfige Gruppe hat sich am Freitag am Trisanum ob dem Brückle versammelt, um mehr über die ehemalige Wasserversorgung Schwenningens zu lernen.Zu Beginn präsentiert Weber ein selbstaufgezeichnetes Schaubild von der Entstehung und dem Aufbau der geologischen Schichten der heimischen Böden.

Vor dem Jahr 1900

Einst soll es in Schwenningen über 200 Quellen gegeben haben. „Vor 1900 hatte fast jeder einen Brunnen vor seinem Haus“, wird den Interessierten erklärt. Schwenningen sei ein sehr wasserreicher Ort. Man habe nur an einer beliebigen Stelle in der Stadt etwa drei Meter tief graben müssen, um seinen eigenen Brunnen zu produzieren. Aber, fügt Weber in charmantem Schwäbisch hinzu, „Bier war zu der Zeit g’sünder als Wasser, gell“.

Keckquelle versorgte Schwenningen mit Wasser

Unter den Zuhörern sind viele Interessierte und einige Kenner, so dass erregte Diskussionen und Gespräche entstehen. Eine ältere Frau erinnert sich an längst versiegelte Quellen. Warum es die meisten Brunnen heutzutage nicht mehr gebe, liege daran, dass die Mechanik irgendwann nicht mehr funktionsfähig gewesen, oder die Instandhaltung für die Stadt zu teuer geworden sei. Nicht immer herrscht Einigkeit über die genaue Faktenlage, doch Weber lässt sich davon nicht beirren.

Im Jahr 1900

Um 1900 habe man die Keckquelle bei Dauchingen und Deißlingen in den Neckar fließen lassen, berichtet Weber. Ganze 150 Liter pro Sekunde sprudelten da durchschnittlich hindurch. So wurden dann Schwenningen, Deißlingen, Tuningen und Dauchingen mit Wasser versorgt. Heute werde aber weniger Keckquellenwasser verwendet, sondern vor allem das Wasser aus dem Bodensee. Weber hat auch ein Foto von dem Startpunkt der Führung mitgebracht, dass den gleichen Platz vor über 100 Jahren zeigt.

Hans Martin Weber führt an historische Orte mit vorher/nachher-Vergleich. Foto: Maria Liebelt

Welcher Fluss fließt unter dem City-Rondell

Schwenningen wäre mit Bauernhöfen an der Musel entlang besiedelt worden, nicht am Neckar. Dies habe an der besseren Wasserqualität der Musel gelegen, mutmaßt der Stadtführer.

Auch wenn die Stadt heute für den Neckar bekannt ist, fließt die Musel immer noch unter dem City Rondell hindurch.

Der Geograf führt die Gruppe zum gegenüberliegenden Parkplatz und dann in die Bärenstraße. Die Leute unterhalten sich gut, schwelgen in Erzählungen der Groß- und Urgroßeltern.

In den 1920ern

In den 1920er-Jahren dann, sollte Schwenningen zur Großstadt werden. Die heutigen Stadtteile „Sauerwasen“ und „Auf Rinelen“ seien entstanden. Die Stadt hätte die Leute damals aber nicht an die städtische Wasserversorgung anschließen wollen. Deshalb sei die Wasserversorgung hier abgesondert vom Rest der Stadt gewesen. Durch die Staunässe im Wohngebiet hatte man schlecht etwas anpflanzen können, wohingegen sich das Vieh gut habe weiden lassen. Daher stammt übrigens auch der Name: vom sauren, schlechten Boden.

Anwohner rettet Kulturdenkmal vor Abriss

Der nächste Stopp ist der Charlottenquelle. Der Eigentümer Georg Bitterwolf hat das Gebäude der Stadt nach langem bürokratischen Prozedere abgekauft und ist jetzt dabei es zu restaurieren.

Und heute

Eigentümer Georg Bitterwolf führt die Gruppe gemeinsam mit Weber durch das Wasserhaus. Die Stadt habe es abreißen wollen, da es aber das letzte „Pumpehäusle“ seiner Art sei, habe der Anwohner Bitterwolf interveniert. „Das Haus war so lange intakt, bis in den 60er-Jahren der Teil ans Bodenseewasser angeschlossen wurde“, erklärt Weber. Der Brunnen an sich ist jetzt mit Beton zugegossen, aber das Häuschen neben dem Spielplatz gegenüber der Schwenninger Polizei steht noch.

Erinnerung an früher

Die Leute schauen sich interessiert in dem kleinen, restaurierungsbedürftigen Steinhäuschen um. Bitterwolf hat bereits den gröbsten Dreck entfernt und auch schon neue Ziegel gekauft. Bezogen auf die Sauberkeit meint er: „Mei Frau hätt’s besser gekonnt, aber sie wollt nicht.“

Die Gruppe darf die private Charlottenquelle besichtigen. Foto: Maria Liebelt

Die Besichtigung der Charlottenquelle ist auf jeden Fall der Höhepunkt der Führung. Das Kulturdenkmal erinnert an vergangene Zeiten, als das Wasser nicht einfach aufbereitet durch den Wasserhahn floss und das Leben ein anderes war.