Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion bei der Erlacher Höhe (von links): Dekan Werner Trick, Erster Landesbeamter Reinhard Geiser, Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Moderator Peter Ruf und Abteilungsleiter Wolfgang Günther. Foto: Breitenreuter Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Podiumsdiskussion beendet Veranstaltungen zum 25-jährigen Bestehen der Erlacher Höhe

Die Wohnungsnot ist eines der drängendsten Probleme nicht nur im Land, sondern auch im Kreis Freudenstadt. Mit einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema wurden die Veranstaltungen zum 25-jährigen Bestehen der Erlacher Höhe in Freudenstadt abgeschlossen.

Freudenstadt. Wohnungslose Menschen standen im Mittelpunkt verschiedener Veranstaltungen (wir berichteten), die unter dem Thema "Unerhört! Diese Obdachlosen" standen. Da die Stimmen von Menschen ohne Wohnung oft unerhört bleiben, sollte die Abschlussveranstaltung dazu dienen, "manches zu Gehör zu bringen", wie Moderator Peter Ruf, Sprecher des Diakonieverbunds Dornahof und Erlacher Höhe, betonte. Dazu dienten Interviews mit zwei Betroffenen und zwei Mitarbeitern der Erlacher Höhe in Freudenstadt.

Auf dem Podium gaben Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg, Erster Landesbeamter Reinhard Geiser, der Freudenstädter Dekan Werner Trick und Wolfgang Günther, Abteilungsleiter der Erlacher Höhe im Kreis Freudenstadt, Statements ab.

Ein Grußwort sprach Freudenstadts Bürgermeisterin Stephanie Hentschel, die die Erlacher Höhe als kompetente Einrichtung bezeichnete, die das öffentliche Bewusstsein für die Wohnungslosigkeit und die Situation der Betroffenen verändere. Ein vorbildliches Projekt sei dabei der Infopunkt am Freudenstädter Stadtbahnhof, der von der Erlacher Höhe in Zusammenarbeit mit der Stadt betrieben wird. Die Schaffung von Wohnraum sei eine wichtige Aufgabe, für die Bauträger und Investoren zusammenarbeiten und verantwortlich handeln müssten. Als Beispiel dafür nannte Hentschel das Wohnbauprojekt der Stadt in Zusammenarbeit mit einem privaten Investor in der Gottlieb-Daimler-Straße.

Hinhören und hinschauen

Zwei von Wohnungslosigkeit Betroffene schilderten ihre Situation. So wohnt Martin (31) seit 14 Monaten bei der Erlacher Höhe in Freudenstadt. Er studierte Mediendesign, musste persönliche Schicksalsschläge einstecken und sein Studium aufgeben, litt an Depressionen und fand dann den Kontakt zur Erlacher Höhe, die ein Zimmer für ihn frei hatte. Jetzt hat er eine Ausbildung als Bierbrauer in Aussicht. Eine Wohnung hat er bisher nicht gefunden. "Man hat keine Chance, wenn Vermieter erfahren, dass man derzeit bei der Erlacher Höhe wohnt", schilderte er seine Situation.

Über Fredy Matzka, der heute wieder in einer eigenen Wohnung wohnt und eine Arbeitsstelle hat, wurde ein Film gezeigt. Auch er hatte mit Depressionen zu kämpfen und hatte zudem mit der Drogenszene zu tun. Zwölf Wochen lebte er auf der Straße, bevor er ein Zimmer bei der Erlacher Höhe bekam. In deren Bistro Windrad hat er die Gastronomie für sich entdeckt und eine Arbeitsstelle gefunden. Doch auch für ihn war die Wohnungssuche lange Zeit "hoffnungslos".

Als Fachfrau nahm Gabriele Kraft, Referentin für die Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie in Stuttgart, Stellung. "Wir brauchen Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit", betonte sie unter anderem. Es sei besser, in Prävention zu investieren, als in die Beseitigung von Schäden.

Zu Wort kamen auch zwei Mitarbeiter der Erlacher Höhe. Sabine Laabs-Buschbacher, die sich in der Wohnungslosenhilfe engagiert, schilderte, wie mühselig und erfolglos es meistens ist, bezahlbaren Wohnraum zu bekommen. Sie erzählte von einer 65-jährigen Frau für die es nicht gelungen sei, eine erschwingliche Wohnung für eine Person in Horb zu finden.

Manuel Trick schilderte die Situation ebenfalls dramatisch. Viele Menschen seien für eine Wohnung am Kämpfen und liefen gegen eine Mauer. Das gehe auch an ihm nicht spurlos vorüber. Er erwarte mehr Aktivität im sozialen Wohnungsbau. Auch staatliche Träger hätten dabei Verantwortung. Auf dem Podium sagte Dieter Kaufmann, dass jeder Mensch in seinem Leben an einen Wendepunkt kommen könne. Wer hinhöre und hinschaue, verstehe auch viel, betonte er. Am Wohnthema müsse weiter massiv gearbeitet werden.

Situation löst Betroffenheit aus

Reinhard Geiser sprach nach den Äußerungen der Betroffenen von Betroffenheit und Hoffnung. Am Ende überwiege aber das Positive. Der Landkreis sei in Sachen Hilfsangebote gut aufgestellt. Dankbar sei er für die Arbeit der Erlacher Höhe.

Auch Dekan Werner Trick sagte, dass die Situation der Wohnungslosen Betroffenheit auslöse. Er wolle vermitteln, dass die Menschen von Gott geschaffen sind, eine Würde haben und sich daher alle auf Augenhöhe begegnen sollten.

Wolfgang Günther, seit Bestehen der Erlacher Höhe in Freudenstadt Abteilungsleiter, machte klar, dass Diakonie und Gottvertrauen zusammen gehören. In einer zweiten Diskussionsrunde ging es unter anderem um die Angemessenheitsgrenze bei den Mieten, die vom Jobcenter übernommen werden. Diese Grenze hinke den Preisen hinterher, kritisierte Wolfgang Günther. Werner Trick fand, dass gewisse Sätze, an die man sich halten muss, schon nötig seien. Doch man müsse pragmatisch handeln, damit wegen zehn Euro ein Mensch nicht in der Wohnungslosigkeit bleibt.

Reinhard Geiser betonte, dass das Landratsamt die Gesetze stets zugunsten der Bürger auslege. Doch eine gewisse Angemessenheit müsse es geben. Für Einzelfälle wünsche man sich dabei aber mehr Spielraum. "Der Mensch muss leben", sagte Dieter Kaufmann kurz und knapp. In der Grundsicherung gebe es erheblichen Sanierungsbedarf. "Wenn ich könnte, würde ich die Zinspolitik der EZB ändern." Denn durch die niedrigen Zinsen würden nur noch teuerste Wohnungen gebaut, die niemand bezahlen könne, so Kaufmann.