Vor der Lesung von Urs Faes (Mitte) führte Walter Trefz (links) die Teilnehmer durch den Wald auf dem Kienberg. Foto: Frey Foto: Schwarzwälder Bote

Literaturtage: Spaziergang mit Walter Trefz über den Kienberg / Schweizer Autor liest aus seinem Werk

Gleich mittenrein in den Wald ging es für die 60 Teilnehmer des literarischen Spaziergangs mit dem ehemaligen Förster Walter Trefz und Urs Faes.

Freudenstadt. Die beiden erwiesen sich als eine wundervolle Kombination. Los ging es am Friedrichsturm. Trefz war sofort in seinem Element und führte die Teilnehmer in den Wald, wo sie lernten, dass Menschen mit dem Kopf unterwegs sind, während Tiere nach ihren Gefühlen gehen. Trefz beschrieb die verschiedenen Düfte im Wald, die nicht nur mit der Nase, sondern auch über die Haut aufgenommen würden. Das sei der Hauptgrund für das Wohlgefühl, das sich regelmäßig nach einem Waldspaziergang einstelle.

Der Wald am Kienberg sei gut durchmischt imt Nadel- und Laubbäumen. Gerade in den ersten Jahren sei es für einen Baum besonders wichtig, dass er langsam wächst. Dann würde er mit der Zeit immer höher und mächtiger. Eindrücklich bewies Trefz dies an einer alten Fichte, die weit in die Höhe ragte, in den unteren Bereichen nahezu vollkommen astlos war und damit der Traum eines jeden Sägewerkers sei.

Zwischen Mummelsee und Kinzigtal

Danach ging es ins "Friedrichs", wo bereits alles für die Lesung von Urs Faes aus seinem Werk "Raunächte" vorbereitet war. Die Berliner Künstlerin Nanne Meyer hatte diese Erzählung illustriert. Augenpausen nannte das "Literaturblatt" aus der Schweiz die Bilder.

Walle Sayer stellte den Schweizer Schriftsteller Urs Faes vor, der 1947 im Aargau geboren wurde und dort auch seine Kindheit und Jugend verbracht hatte. Er lebt in Zürich und schreibt Romane, Gedichte, Erzählungen, Hörspiele. Für seine Werke hat er viele Preise erhalten.

Mehrere Winter hat er zwischen Mummelsee und Kinzigtal für seine Erzählung "Raunächte" verbracht. Faes beschreibt seine Erzählung als eine Winter-, eine Familiengeschichte. Sie sei in den Raunächten, also in dieser dunklen, irgendwie schwerelosen Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig entstanden.

Rachsucht und Einsamkeit

Zum Inhalt: Manfred als dem Älteren war der elterliche Hof versprochen worden. Nach einem Auslandsaufenthalt konfrontieren ihn die Eltern und sein Bruder Sebastian an Heiligabend mit der Entscheidung, dass nun der jüngere Bruder den Hof bekommen soll. Bis dahin hatte Sebastian wenig Interesse am Hof gezeigt und war nach Ansicht seines Bruders kein Bauer.

Manfred verliert damit nicht nur den Hof, sondern auch seine Hoffnung auf ein gemeinsames Leben mit Minna, seiner großen Liebe. Getrieben von Rachsucht, tötet er Amaro, das Lieblingspferd seines Bruders. Minna wendet sich derweil Sebastian zu. Manfred verlässt schließlich seine Heimat.

Die Erzählung setzt ein, als Manfred Jahre später durch den Schnee zu einem Gasthof stapft, um seinen Bruder zu treffen. Dabei kommen immer wieder Erinnerungen an die Kindheit und die Jugend hoch, an die Rituale der Mutter, die in den Raunächten versuchte, die Geister mit Kräutern zu vertreiben.

Im Gasthof erfährt er, dass dem Bruder in seinem Leben wenig Glück widerfahren war. Die Eltern früh verstorben, der Viehbestand durch eine Seuche dahingerafft, Minna früh erkrankt und dann in einem Pflegeheim gestorben. Sebastian lebt als Einzelgänger auf seinem Hof, wird selten im Dorf gesehen, hat zu niemandem Kontakt. Am Ende bleibt offen, ob die Brüder sich im Gasthof treffen.