Juna Grossmann bei ihrer Lesung. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder Bote

Lesung: Juna Grossmann liest aus ihrem Buch "Schonzeit vorbei"

Freudenstadt. Das Interesse an Juna Grossmanns Lesung aus ihrer Dokumentation "Schonzeit vorbei – Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus" im Landratsamts war überwältigend.

Mit der Einladung an die Berliner Sonderpädagogin, Museumsbüroleiterin, Publizistin und Bloggerin wollte Landrat Klaus Michael Rückert ein Zeichen setzen gegen Rechtsradikalismus und für die Bewahrung des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Die Verbundenheit mit den jüdischen Mitbürgern im Land beinhalte auch, dass ihr Glaube respektiert werde. Das schließe eine kritische Begleitung der israelischen Regierungspolitik aber nicht aus.

Insbesondere junge Menschen sollten gegen das Gift der Intoleranz gefeit werden. Deshalb hatte Juna Grossmann bereits am Vormittag an den gewerblich-hauswirtschaftlichen Berufsschulen in Horb gelesen.

Schon das Inhaltsverzeichnis ihres Buches lässt erahnen, welchen Verdächtigungen, Vorurteilen und Hasstiraden jüdische Menschen hierzulande ausgesetzt sind, beispielsweise mit Äußerungen wie "11. September 2001 – Das waren doch die Juden", "Die Besitzerin vermietet nicht an Juden", "Geldgierig, gut im Bett und sicher dunkelhaarig", "Ihr Juden seid Bestien".

Ihre Geschichten über den Antisemitismus stammen aus den vergangenen 17 Jahren. Ihr Herz krampft sich zusammen", wenn sie ein Schulkind während einer Führung im Jüdischen Museum sagen hört: "Ich mag keine Juden!"

Antisemitismus in Bewerbungsgesprächen

Eine Hassmail erreicht die Bloggerin: "Ihr Juden seid keine Menschen, sondern eine Krankheit, das (sic!) man vermeiden muss. Die Welt vermisst Hitler, insbesondere die muslimische Welt." Die Schmähungen der Dumpfbacken füllen ein ganzes Vokabular: "Jude, Jude, feiges Schwein!" Aber der alltägliche Antisemitismus zeigt auch ein anderes Gesicht: Er ist subtil, schwelt unter der Oberfläche, beispielsweise in Bewerbungsgesprächen: "Goldberg ist Ihr Name? Sind Sie Jüdin?" – "Ja." Die Bewerberin hört nie mehr von der Firma.

Ein anderer Fall: Hinweis auf Sprachkenntnisse im Lebenslauf. Der Personalchef fragt: "Das mit Hebräisch, hat das familiäre Gründe?" – "Ja." Der Bewerber bekommt die Stelle nicht. Fortan streicht er Hebräisch und belässt es bei Englisch und Französisch.

Um Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, sollten Juden keine Erkennungsmerkmale in der Öffentlichkeit tragen, beispielsweise keine Kippa und keinen Davidsstern. So lauten jedenfalls Empfehlungen auch von offizieller Seite als Reaktion auf Übergriffe. Juna Grossmann fragte sich, ob dieses Verstecken ein gangbarer Weg sein könne. Nein, meint sie und trägt selbstbewusst ihren Stern. Sie habe allerdings das "Urvertrauen in ihr Land verloren und bis heute nicht wiedergewonnen", bekennt die 1976 in Ostberlin geborene Frau, die sich als "liberale Jüdin" bezeichnet.

Gute Erfahrungen mit Schülern

Juna Grossmann stellt sich dem immer dreister auftrumpfenden Antisemitismus entgegen. Sie weiß aber auch, dass ihr Kampf ohne Unterstützung kaum Wirkung zeigen wird. Deshalb appelliert sie an die Mitmenschen, dort nicht zu schwiegen und wegzusehen, wo Unrecht geschieht.

Ihre guten Erfahrungen mit Schülern bei Besuchen in Gedenkstätten stimmen sie hoffnungsvoll. Kaum ein Deutscher, meint sie, kenne bewusst Jüdinnen und Juden. 2017 gehörten etwa 99 000 einer jüdischen Gemeinde in Deutschland an. Aufklärung ist für Juna Grossmann das Gebot der Stunde. So arbeitet sie an der Initiative "Rent a Jew", die bundesweit mit Aktionen, beispielsweise an Schulen, aktiv ist, mit.

Die Betroffenheit des Publikums nach der Lesung war förmlich greifbar. Etliche Gäste nahmen die Gelegenheit zum Austausch mit der Autorin wahr. Wiederholt wurde an Juna Grossmann appelliert, im Kampf gegen den Antisemitismus nicht nachzulassen: "Halten Sie bitte dagegen, bleiben Sie standhaft und bleiben sie hier in Deutschland!"

Landrat Klaus Michael Rückert dankte der Referentin sichtlich bewegt. Seine ausdrückliche Anerkennung galt ferner allen, die zum Zustandekommen der Lesung beigetragen hatten, vornehmlich Kreisvolkshochschuldirektor Sascha Falk und Hausmeister Burkhard Keller. Viele Besucher ließen sich am Ende der Lesung ihren Band signieren.

Das Buch: Juna Grossmann, Schonzeit vorbei – Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus, Droemer Knaur Verlag München, 2018, 160 Seiten, kartoniert, 14,99 Euro.