Die Mitglieder des Hospizvereins wünschen sich ein Sterbehaus. Foto: Heller

Hospizverein wünscht sich ein Sterbehaus. "Wie kann man Entscheidungsträger wachrütteln?"

Freudenstadt - "Kennen Sie das Herzklopfen, wenn man an den eigenen Tod denkt?", fragt Anja Broß. Sie weiß wovon sie spricht – Broß ist Dienststellenleiterin im Altenpflegeheim am Jägerhof und hat quasi täglich mit dem Tod zu tun. Dass sich die lebenslustige Frau auch in ihrer Freizeit mit dem Sterben beschäftigt, liegt nicht zuletzt an ihrem Alltag – Broß ist Vorsitzende des Hospizvereins Landkreis Freudenstadt und sie kämpft gemeinsam mit den Mitgliedern für ein Sterbehaus.

"Sterben, das tun eigentlich nur die Anderen. Dabei ist uns nichts so sicher wie der Tod", sagt Broß und kritisiert, dass der Tod in der Gesellschaft noch immer ein Tabuthema ist. Vor einiger Zeit sei sie bei der Seniorenunion zu Gast gewesen und habe über die Arbeit des Hospizvereins berichtet, darüber wie wichtig ein Hospiz auch für den Bereich Freudenstadt sei. Ein älterer Herr habe am Ende gemeint: "Für was brauche ich ein Hospiz, ich trinke halt ein Gläschen Grauburgunder." Ein Beispiel von vielen, das die engagierte Vorsitzende zur Weißglut bringt. "Wie kann man bei so einem Thema so etwas von sich geben?", fragt Broß. Die aktuelle Debatte um die Lage der Krankenhäuser im Landkreis sei ein Beispiel dafür, wie schlecht es um die Pflege Schwerstkranker und Todgeweihter bestellt sei. Diese könnten ohne Hospiz nicht adäquat betreut werden. Die Palliativ-Vorsorge könne dies nicht gewährleisten.

Ob ein an Darmkrebs erkrankter Mann wohl an ein Glas Grauburgunder denkt? "Wenn ich mir vorstelle, ich bin schwer krebskrank und muss sterben – wie möchte ich dann sterben?", überlegt Broß und liefert die Antwort gleich hinterher – "zufrieden". Das könne ein Löffelchen Eis sein, eine wärmende Hand, das Gefühl, das jemand da ist, der Linderung verschafft. Ein Hospiz könne all’ dies leisten, sagt Broß.

Es fehlen Geld und eine Lobby

Doch dem Verein fehlen die finanziellen Mittel – und eine Lobby. Es geht ums Geld, und das ist im Gesundheitssektor ohnehin knapp.

In ihrem Berufsalltag hat das Elend ein Gesicht. Da gibt es eine Patientin mit Leberzirrhose im Endstadium, deren Körper derart massiv Wasser einlagert, dass es aus aufgequollenen Unterschenkeln wieder herausläuft. Die Verbände sind nach kürzester Zeit durchtränkt. Der Arzt sieht sich nicht mehr in der Lage Verbandsmaterial zu verschreiben, weil er unter Umständen mit Regressforderungen rechnen muss. Die Krankenkasse rät dem Pflegepersonal am Telefon, die Beine der Patientin in Plastikschüsseln zu stellen. Broß schüttelt den Kopf: "Was muss passieren, dass wir als Gesellschaft dafür sorgen, dass Armen, Kranken und Sterbenden die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden? Wie kann man die Entscheidungsträger wachrütteln?"

Das Sterben gehöre zum Leben und nicht zum Tod, sagt die engagierte Frau, weshalb es einen Platz in der Umgebung geben müsse, wo Sterbende sterben können, wo Trauer aufgefangen wird und es Zeit für Gespräche gibt. "Ein Haus in dem eine individuelle Palliativ-Pflege durch ein multiprofessionelles Team rund um die Uhr gewährleistet ist, wo die Wünsche und Bedürfnisse des Sterbenden im Mittelpunkt stehen", sagt Broß. Der Neubau eines Hospiz’ mit acht Betten belaufe sich auf rund 1,8 Millionen Euro. Der Umbau einer bestehenden Immobilie gestalte sich noch schwieriger, weil ein Hospiz unter das Heimgesetz falle, "die Anforderungen sind so hoch, dass sich ein Umbau nicht lohnt".

Mitglieder bieten Sterbebegleitung an

Weil es weder Fördergelder vom Land, noch eine finanzielle Unterstützung von Seiten des Kreises gebe, sei der Hospizverein auf Spenden angewiesen und damit der Weg zum eigenen Hospiz nicht mit Steinen, sondern mit Felsbrocken gepflastert. Ein Grund zum Aufgeben ist das für Anja Broß und ihre Mitstreiter allerdings nicht: Sie kämpfen weiter und bieten Sterbegleitung – wenn gewünscht – auch ohne Hospiz an.

Weitere Informationen:

Bei Anja Broß unter Telefon 07441/951342 oder 07443/8400