Kriminalität: Im Kreis Freudenstadt lebt es sich sicher / Zahl der Straftaten sinkt weiter

Weniger Straftaten, hohe Aufklärungsquote. Im Landkreis Freudenstadt lebt es sich sehr sicher. Mit dieser Botschaft wartete der Leitende Polizeidirektor aus Tuttlingen, Ralf Thimm, am Montag im Kreistag auf. "Ich kann Sie beglückwünschen zu dem heilen Stück Erde, auf dem Sie leben", so Thimm.

Kreis Freudenstadt. Die Kriminalstatistik 2018 für den Kreis Freudenstadt ist die letzte des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Ab 2020 fällt Freudenstadt ins Gebiet des neuen Präsidiums Nordschwarzwald mit Sitz in Pforzheim. Zum Abschied gab es gute Zahlen, verglichen mit anderen Regionen in Baden-Württemberg. Verwaltung und alle Fraktionen lobten die Arbeit der Polizei und dankten für den Einsatz. Ein Blick in die Statistik: Straftaten gesamt: 3925 Straftaten wurden voriges Jahr im Landkreis erfasst, 3,9 Prozent weniger als 2017. Die meisten Fälle spielten sich in Freudenstadt und Horb ab, was laut Thimm normal sei, denn hier leben die meisten Menschen. Aber auch hier zeigt die Kurve nach unten: in Freudenstadt mit minus 9,2 Prozent und in Horb mit minus 6,2 Prozent. Die Aufklärungsquote liege im Kreis bei 64,7 Prozent (Land: 62,7). Auch die "Häufigkeitsziffer", das Verhältnis von Straftaten je 100 000 Einwohner, ist mit 3342 rückläufig (2017: 3500) und weit besser als der Landesschnitt von 5191. Opfer von Straftaten: 5506 Einwohner wurden voriges Jahr Opfer einer Straftat (minus 8,2 Prozent). Es gab drei Mord- und Totschlagsdelikte. Ein Mensch wurde umgebracht. 33 Menschen wurden schwer verletzt und 380 leicht. Bei zehn Opfern von Raubdelikten hätte sich diese Zahl halbiert, überhaupt sei der Rückgang der Opferzahlen "erfreulich", was dem jeweils Betroffenen natürlich wenig Trost sei. Registriert wurden ferner 45 Sexualdelikte, 141 Fälle von gefährlicher oder schwerer Körperverletzung, 301 leichte Körperverletzungen, 51 Nötigungen, 80 Bedrohungen und 17 Fälle von "Nachstellen". Trends: Auffällig nach oben gingen die Zahlen bei schweren Ladendiebstählen (394 Fälle, plus 240 Prozent), schweren Diebstählen aus Fahrzeugen (37 Fälle, plus 147 Prozent) sowie Einbrüchen (30 Fälle, plus 15 Prozent). Bei Autoaufbrüchen hätten wenige Serientäter in Freudenstadt und Baiersbronn die Fallzahlen nach oben getrieben. Das selbe gelte für Einbrüche in Firmen, Schulgebäude und Gartenhäuser in Pfalzgrafenweiler, Baiersbronn und Freudenstadt. Rückläufig seien Fälle von Schwarzfahren in Bussen und Bahnen (minus 24 Prozent, 153 Fälle) und Computerkriminalität (79 Fälle, minus 54 Prozent). Auch die Zunahme von schweren Ladendiebstählen habe einen besonderen Grund: Es kämen vermehrt Detektive zum Einsatz. Wehrt sich ein Dieb gegen ihn, wird aus einem Ladendiebstahl ein schwerer. Wohnungseinbrüche: Bei den Wohnungseinbrüchen konnte Thimm einen Erfolg vermelden. Am 15. Mai seien zwei Litauer verhaftet worden, die für mindestens fünf Taten verantwortlich seien – wahrscheinlich sogar noch für mehr, wie Thimm aus den gefundenen Schmuck- und Wertsachen schloss. Mit 30 Fällen und hohen Aufklärungsquoten von 40 Prozent im Kreis und 83 Prozent in Freudenstadt sei dei Gefahr "deutlich zurückgegangen". Das führte Thimm auch auf die Reaktion der Polizei auf steigende Fallzahlen zurück. Seit vier Jahren werde in größeren und speziellen Einheiten ermittelt, was die Chancen erhöhe, die Täter zu erwischen. Manche Serie sei auf diese Weise schon aufgeklärt worden. Das spreche sich offenbar auch in der "Szene" herum. Straftaten gegen das Leben: Mord und Totschlag gebe es leider überall, so Thimm. Registriert wurden ein Mord und ein Mordversuch, ferner ein versuchter Totschlag. Die Aufklärungsquote liege bei 100 Prozent. Erkenntnis der Polizei: Man werde in aller Regel nicht zufällig oder wahllos Opfer einer solchen Tat. "Täter und Opfer – man kennt sich", so Thimm. Sexualstraftaten: Mit 64 Fällen (plus 1,6 Prozent) im Kreis, davon 25 sexuellen Beleidigungen, geht die Zahl nach oben, was die Polizei auch auf eine Gesetzesänderung zurückführt. Der Straftatbestand der Vergewaltigung oder sexueller Belästigung sei mittlerweile schneller erfüllt. Die Aufklärungsquote im Kreis liege bei annähernd 100 Prozent. Aussagekräftig seien die Zahlen dennoch nur bedingt; nicht alles werde angezeigt. Die Polizei registriere jedoch, dass Opfer und Umfeld heute schneller reagieren und Anzeige erstatten. "Grapschen" gelte nicht mehr als "Kavaliersdelikt". Straßenkriminalität: Mit 544 Fällen im Kreis bewege sich dieses Feld auf "niedrigen Niveau". Fast die Hälfte machen Sachbeschädigungen an Fahrzeugen aus. Heiter: im Kreis werden vergleichsweise wenige Fahrräder geklaut; offenbar ist es potenziellen Dieben zu bergig und deshalb zu anstrengend. Thimms Appell an die Bevölkerung dennoch: Sich bei verdächtigen Wahrnehmungen sofort bei der Polizei melden. Oft hörten die Beamten am Tatort Sätze wie diesen: "Wir haben schon was gehört, uns aber nichts weiter dabei gedacht. " Das mindere die Chancen auf Fahndungserfolge. Gewalt/Aggression: Hier sind die Fallzahlen konstant und offenbar auch künstlich hoch, vor allem bei Angriffen im öffentlichen Raum. Die "Türsteher-Szene" treibe die Fallzahlen von Delikten im öffentlichen Raum nach oben. Außerdem sei ein einziges Wohnhaus in Baiersbronn mit offenbar eher "schwierigem Milieu" verantwortlich für einen großen Teil aller Fälle. Gewalt gegen Einsatzkräfte: 53 Polizisten wurden voriges Jahr angegangen, zwölf von ihnen erlitten leichte Verletzungen. Wenn der Angreifer "zwei Promille intus" habe, dann könnten die Beamten damit umgehen. Es seien stets Angriffe gegen die Institution Polizei, nicht gegen die Person. Der Sittenverfall hält sich im Kreis allerdings wohl in Grenzen. Es sei "kein einziger Fall bekannt", dass jenseits von Situationen, in denen Alkohol oder Drogen im Spiel waren, Angehörige von Rettungsdienst oder Feuerwehr angegangen wurden. Rauschgiftdelikte: 290 Fälle weist die Statistik für 2018 aus, elf Prozent weniger als im Jahr davor. "Drogen gibt es überall", so Thimm. Es gebe ein großes "Dunkelfeld". Je genauer die Polizei hinschaue, desto höher fielen die Zahlen aus. Die Aufklärungsquote im Kreis liege bei 95 Prozent. "Darauf sind wir stolz, und wir bleiben dran", so Thimm. Der Kreis sei allerdings keine Drogenhochburg. Tatverdächtige: 2027 Verdächtige wurden voriges Jahr ermittelt. Ein Viertel von ihnen war Ausländer. Bereinigt ist die Statistik um Bagatellfälle wie Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz. An der Spitze stehen Verdächtige aus den Ländern Ost- und Südosteuropas. Ihnen werden oft Eingentumsdelikte vorgeworfen. Afrikaner seien eher in Drogendelikte verwickelt. Extremismus: Laut Ralf Thimm gibt es derzeit keine rechts- oder linksextreme Szenen, auch keine selbst ernannten "Reichsbürger". Es seien eher mal einzelne Fälle, die "aufploppen". Bei genauer Untersuchung stelle sich meist auch heraus, das beispielsweise Hakenkreuz-Schmierereien "nicht wirklich politisch motiviert" seien. Jugendkriminalität: Laut Thimm sei der Landkreis alles andere als ein Schwerpunkt. Es gebe keine besonderen Vorkommnisse. Thimm sagte, man müsse "Jugendsündern" auch nicht schlimmer machen als sie seien. Jugendliche probierten sich nun mal aus, da könne es auch mal Scherereien geben. Weitere Aussichten: Thimm geht davon aus, dass sich die Situation im Kreis Freudenstadt durch die neuerliche Polizeireform nicht verschlechtert, im Gegenteil. Durch die Insellage mit weiteren Wegen zu Schnellstraßen meiden offenbar nicht nur Einbrecher den Kreis, die Polizeireviere hier bekämen bei der Personalzuteilung meist einen Zuschlag obendrauf. Es werde eine "enorme Verjüngung" des Personals geben. Die 24-sieben-Besetzung – also rund um die Uhr an jedem Wochentag – bleibe bestehen, zumindest für die Reviere. Ob das auch für jeden Posten gelte, könne er nicht sagen.