Ein letztes Mal in dieser Zusammensetzung trafen sich einige Nachtwanderer, um Bilanz zu ziehen. Foto: Eigen-Sinn Foto: Schwarzwälder-Bote

Sozialarbeit: Projekt "Dynamos" sorgt für mehr Ruhe am Stadtbahnhof und auf Straßen / Jetzt fehlt es an Personal

Es waren durchaus gemischte Gefühle, die die meisten Beteiligten beschlichen, als sie sich in dieser Zusammensetzung zum vermutlich letzten Mal trafen: Die Nachtwanderer Freudenstadts werden wohl nicht mehr auf die Straße gehen.

Freudenstadt. Die Verantwortlichen Renate Braun-Schmid (Diakonische Bezirksstelle), Wolfgang Günther (Erlacher Höhe) und Hans-Martin Haist (Kinderwerkstatt Eigen-Sinn) haben das Projekt eingestellt. Einige von den Nachtwanderern trafen sich nun zum Abschluss in der Kinderwerkstatt, um Rückblick zu halten.

"Erwachsene werden gebraucht, um nachts für Jugendliche da zu sein!" Dies hatten die Nachtwanderer in ihren Flyer geschrieben, als sie sich 2009 unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Julian Osswald gründeten. Das war die Zeit als die Beschwerden über "jugendliche Umtriebe" in der Straßburger Straße und rund um den Stadtbahnhof Stadtgespräch waren. Eltern, Polizei, Ordnungskräfte, Erzieher und der Gemeinderat beschäftigten sich damit. Die mobile Straßen-Sozialarbeit "Dynamos" aus der Kombination Diakonie, Erlacher Höhe und Kinderwerkstatt wurde gegründet und begann ihre Arbeit. Nach dem Vorbild aus Skandinavien wollte eine Gruppe Erwachsener den Sozialarbeitern der "Dynamos" zur Seite stehen.

Die Nachtwanderer verstanden sich nicht als Bürgerwehr. "Wir wollten für Jugendliche Ansprechpartner sein, Hilfe und Unterstützung in verschiedenen Situationen anbieten und versuchen, auf schwierige Situationen beruhigend einzuwirken", schrieben die Nachtwanderer seinerzeit. Dazu boten sie für ihre Teilnehmer Kurse in Erster Hilfe, in Deeskalation und Gesprächsführung an.

An ihrer Zielsetzung hat sich nach fast neun Jahren nichts geändert. Die Frage jedoch, ob die Nachtwanderer an ihrem Ziel angekommen sind, beantworten sie selbst unterschiedlich. Zweifellos ist in den Sommermonaten die viel gescholtene "Szene" am Stadtbahnhof weitgehend zur Ruhe gekommen. Vielleicht auch, weil junge Menschen dank besserer Konjunktur leichter Beschäftigung finden als noch vor knapp zehn Jahren. Dennoch wird bedauert, dass die Nachtwanderer ihre nächtlichen Touren an Wochenenden auch mangels genügender Teilnehmer einstellen müssen. "Unsere Präsenz auf der Straße war wichtig und richtig", sagt Hans-Martin Haist heute. Er erinnerte daran, dass sich das anfängliche Misstrauen und Unverständnis vieler Jugendlicher in die nächtlichen Spaziergänger schnell gewandelt hatten und in ein regelrechtes Vertrauensverhältnis umgeschlagen waren.

Renate Braun-Schmid befürchtet, dass Kontaktmöglichkeiten zur Jugend aufgegeben werden: "Wir müssten den Jugendlichen viel mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen". Wolfgang Günther dagegen sieht die Aufgaben der Nachtwanderer als weitgehend erledigt an. Man müsse ein Projekt nicht "totreiten".

Tatsächlich wurde es für Organisator Hans-Jürgen Großwendt immer schwieriger, Nachtwandergruppen zusammenzustellen, da die Bereitschaft der Erwachsenen nachließ. Ob sich deren Aufgabe für immer erledigt hat, wird dann doch in Frage gestellt. Hans-Martin Haist spricht vom vorübergehenden Pausieren der Freudenstädter Gruppe. Renate Braun-Schmid ist überzeugt: "Wir können die Nachtwanderer jederzeit wieder aufleben lassen".

OB: Wichtig für das Sicherheitsgefühl

In einem Schreiben an die Nachtwanderer betont Oberbürgermeister Julian Osswald, der selbst einige Male mitgewandert ist, unter anderem: "Sie waren ein wichtiger Baustein für das Sicherheitsgefühl der Bürger unserer Stadt. Es fällt mir nicht leicht, diesen Entschluss mitzutragen, aber die Entwicklung in den vergangenen Jahren müssen wir zur Kenntnis nehmen. Ich glaube tatsächlich, dass Ihre Arbeit wesentlich zu einer positiven Entwicklung in der Stadt beigetragen hat."