Strahlende Mienen am Schluss des Konzerts der Formation "Gleis 4 plus Lisa Kraus" (von links): Dorothea Tübinger, Barbara Reeß, Lisa Kraus, Andrea Riedel und Christina Schoch. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Mit der Formation "Gleis 4 plus Lisa Kraus" setzt die Kulturinitiative im Blauen Haus ein Ausrufezeichen

Von Gerhard Keck

Freudenstadt. "Ich bin so knallvergnügt erwacht. Ich klatsche meine Hüften…" Diese Verse aus Joachim Ringelnatz‘ Gedicht "Morgenwonne" stellte die Rezitatorin Lisa Kraus an den Beginn eines Konzerts des Saxofon-Quartetts "Gleis 4" im Christophstaler Blauen Haus.

Erwacht war das Publikum längst an diesem Sonntagnachmittag. Dass es "knallvergnügt" sein werde, sollte sich während der folgenden zwei Stunden erst noch erweisen. Die Kulturinitiative Freudenstadt hatte die fünf Damen von "Gleis 4" zum musikalischen Abschluss der Sommertheater-Spielzeit engagiert, wie Sprecher Hans-Peter Maier kundtat. Trotz der für ein kulturelles Ereignis ungewöhnlichen Tageszeit war der Vortragssaal im Blauen Haus anlässlich der "Kultur am Bach" gut besetzt.

"Gleis 4": Dies ist nach eigener Einschätzung das "ungewöhnliche Saxofon-Quartett aus Tübingen" mit Dorothea Tübinger (Alt- und Sopransaxofon), Barbara Reeß (Altsaxofon), Andrea Riedel (Tenorsaxofon) und Christina Schoch (Baritonsaxofon). Die vier Damen haben verschiedene Programme rund um Jazz, Klassik und Tango im Portfolio, bilden seit rund zehn Jahren eine eingeschworene Musiktruppe, die kontinent-, epochen- und stilübergreifende Arrangements auch nach Wunsch der jeweiligen Veranstalter auf die Bühne bringen. Im Blauen Haus demonstrierten sie mit musikalischer Verve, mal schmissig, mal samtig weich, die Breite ihres Repertoires, unter anderem mit Bach’scher Klassik und Weill’scher Moderne.

Im Gepäck von "Gleis 4" fanden sich ferner Anleihen bei dem südafrikanischen Pianisten und Komponisten Abdullah Ibrahim, der "als Protagonist des Modern-Creative-Stils in der Jazzmusik" geführt wird, sowie bei Astor Piazzolla, dem argentinischen Bandoneon-Spieler, der als Begründer des Tango Nuevo, einer Weiterentwicklung des Tango Argentino, gilt.

Der lang anhaltende Beifall forderte selbstredend am Ende noch eine Zugabe heraus. Lisa Kraus, beheimatet in Ludwigsburg, vereint ihr Potenzial in den Funktionen als Schauspielerin, Theaterpädagogin und Regisseurin. 1996 gründete sie das Touren- "Theater Tangere". Ihr Themenspektrum für Lesungen ist breit angelegt: Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz, Rose Ausländer, Friedrich Hölderlin finden sich in einer Reihe mit Robert Schumann oder Georg Friedrich Händel. Dabei arbeitet sie zusammen mit unterschiedlichen musikalischen Besetzungen.

Im vergangenen Jahr wurde Lisa Kraus die "Kulturehrung der Stadt Ludwigsburg für ihre langjährige Arbeit als Kulturschaffende" zuteil. Im Blauen Haus bot sich ihr die Gelegenheit, ihre Kompetenz auszukosten und die Klaviatur der Rezitation imposant auszuspielen: Ringelnatz, Valentin, Ausländer, Ulla Hahn, Pablo Neruda – sie zählen zur Crème de la Crème moderner Lyrik in den verschiedenen Facetten von heiter bis melancholisch. Literarische Genres zeigen sich dabei grenzüberschreitend. Lisa Kraus ergänzte diese Phalanx arrivierter Schöngeistigkeit mit Arbeiten aus ihrem eigenen Textfundus.