Im Freudenstädter Kur­theater zelebrierte das Ensemble genussvoll die "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" nach Thomas Manns berühmtem Roman. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Im Kurtheater erschafft Regisseurin Katja Wolff eine beifallträchtige "Felix Krull"-Adaption

Von Gerhard Keck Freudenstadt. Im gut besetzten Kurtheater schickte sich das siebenköpfige Ensemble in einer Produktion des Eurostudios Landgraf an, nicht nur die Charakteristika des Felix Krull herauszuschälen, sondern zugleich die verkünstelte Ausdrucksweise Thomas Manns auf ein erträgliches Maß herunterzuschrauben. Auf diese Weise bescherte die Inszenierung von Katja Wolff einen sehr unterhaltsamen Theaterabend.

Thomas Mann hat offensichtlich seinen Sigmund Freud genau studiert. Was sich hinter den "Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull" verbirgt, ist deutlich mehr als ein unterhaltsamer Schelmenroman. Sie zeigen, dass eine mühsam unter den Deckel gepresste bürgerlichüberhebliche Triebsteuerung Lügen gestraft wird, sobald es die Umstände zulassen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille: Felix Krull ist nicht allein der vermeintlich sanfte Frauenvernascher, sondern auch ein Lebenskünstler, dessen Strategien es ihm erlauben, immer oben zu schwimmen wie die Fettaugen auf einer Fleischbrühe.

Friedrich Witte als Felix Krull leistet schon allein an Textarbeit Außergewöhnliches und hat glänzende Szenen. Den absoluten Höhepunkt mimischer Kompetenz liefert er bei der Musterung für den Militärdienst, in deren Verlauf Krull nicht nur die Kommission zum Narren hält, sondern das gesamte militärisch-zackige Gehabe ad absurdum führt. Diese herrliche Schlüsselsituation wird außerdem getragen vom gesamten Ensemble, das die Senilität der oberen Chargen plastisch vor Augen führt.

Außer Friedrich Witte, der in seiner Rolle fortwährende Präsenz zeigen muss, schlüpfen die beiden Frauen und vier Männer in schnell wechselnde Rollen. Mirjam Radovic profiliert sich unter anderem als nerviger Backfisch Eleanor, deren Paarungswut zu sublimieren Krull vollauf beschäftigt. Der smarte Jüngling Felix, dessen äußere Erscheinung, kalkulierte situationsbedingte Unterwürfigkeit und Nonchalance ihn bei Frauen wie Männern in einem strahlenden Licht erscheinen lassen, schafft es mit Lug und Trug in die Spitzen der Gesellschaft.

Als Domestik in einem Pariser Spitzenhotel verfällt er den Verführungskünsten der verheirateten Madame Houpflé, die angesichts dieser "Ausgeburt der Lust" alle gesellschaftlichen Beschränkungen fahren lässt und in "köstlicher Erniedrigung" erotische Erfüllung findet. Felix, dessen Kenntnis von Figuren der antiken Mythologie sich bezeichnenderweise in Hermes, dem Gott der Diebe, erschöpft, wird für seinen Schmuck-Diebstahl von dieser heißblütigen Dame sogar noch belohnt.

Prägend für die Entwicklung des jungen Mannes ist ferner die Erfahrung, die er hinter den Kulissen des Theaters macht: Sie zeigt ihm die hässliche Seite des schönen Scheins, denn der zuvor angehimmelte Mime offenbart sich ohne Maske als "verschmiertes und aussätziges Individuum".

Die Menschen wollen betrogen sein, Hochstapelei trägt Früchte, lautet die Botschaft. Felix Krull pflegt den Hedonismus, betrügt und täuscht mit gewinnendem Lächeln als ein Mensch, der sich die Welt und die Verhältnisse so schafft, wie sie ihm Vorteile bieten.