Die Nase isst mit. Brotprüfer Manfred Stiefel bei der Arbeit in Freudenstadt. Foto: Rath Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Fünf Bäcker der Freudenstädter Innung legen ihre Waren dem Prüfer vor / Worauf es ankommt

Freudenstadt. 50 Brote und Brötchen am Tag, mehr als er schafft wohl keiner: Manfred Stiefel vom Verein Deutsches Brotinstitut war am Dienstag in Freudenstadt, um Backwaren seiner Kollegen zu beurteilen. Fünf Innungsbäcker stellten sich mit ihren Waren der Prüfung. Was macht ein gutes Brot aus, und was hält der Experte von Trends wie Eiweißbrot? Wir sprachen mit ihm.

Herr Stiefel, wie fällt Ihr erstes Urteil nach einem Drittel der Prüfung aus?

Es sieht sehr gut aus, so viel kann ich nach 15 Proben bereits sagen. Erfahrungsgemäß liefern die Bäcker im Landkreis Freudenstadt stets sehr gute Qualität.

Woran kann ein Kunde erkennen, ob ein Brot etwas taugt?

An der Theke kann er das in der Regel nur über die Optik beurteilen. Anfassen geht ja meistens nicht. Eine schön ausgeprägte Kruste ist allerdings ein guter Anhaltspunkt dafür, ob ein Brot auch einen guten Geschmack hat. Sie ist das A und O für Aroma und Frischehaltung. Wenn die Kruste gut ausgeprägt ist, bleibt die Feuchtigkeit länger im Brot als bei einer dünnen.

Worauf achten Sie bei der Prüfung?

Das fängt mit dem Aussehen an, der Form und der Farbe. Dann beurteile ich die Kruste, ob sie gut ausgeprägt und schön gleichmäßig ist. Danach geht es an die Krume, das Innere des Brotes. Denn auf die inneren Werte kommt es ebenfalls an. Sie sollte zum Produkt passen. Bei einem Vollkornbrot beispielsweise ist sie feiner. Außerdem prüfe ich die Elastizität, ob es sich gut bestreichen und schneiden lässt, und die Kaubarkeit. Das Gefühl im Mund sollte angenehm sein. Zum Schluss geht es um Geruch, Geschmack und Aroma.

Gibt es in Zeiten von fertigen Backmischungen und frischen Brötchen rund um die Uhr überhaupt noch handwerklich hergestellte Ware?

Auf jeden Fall. 90 bis 95 Prozent aller Backwaren sind handwerklich hergestellt, nicht industriell. Es ist für Bäcker übrigens auch deutlich günstiger, als mit Fertigprodukten zu arbeiten. Die kosten richtig viel Geld.

Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten nehmen zu. Worauf führen Sie das zurück?

Sicher, Weizen ist ein sehr hochgezüchtetes Getreide. Das scheint mir allerdings viel mit Zeitgeist zu tun zu haben. Ein echtes Wohlstandsproblem. Heutzutage kann man sich auf alles mögliche hin testen lassen. Was tun bei Hausstaub-Allergie? Nie wieder staubsaugen? Gluten- oder Laktoseunverträglichkeit, da spielt sich viel im Kopf ab. Der Mensch kann Gluten verdauen. Wenn man es nicht verträgt, warum auch immer, ist es natürlich trotzdem nicht schön.

Was raten Sie Allergikern? Was ist bekömmlich?

Das ist eine sehr individuelle Sache. Vollkornbrot ist im Prinzip natürlich sinnvoll, weil es länger verdaut wird und damit länger sättigt als ein Toastbrot. Manche bekommen davon allerdings Verdauungsbeschwerden. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was ihm guttut. Das lässt sich nicht generell sagen.

Was halten Sie von Trends wie Eiweißbrot?

Gott sei dank ist der Trend vorbei. Brot aus Eiweiß oder Soja ist kein Brot. Das Ganze ist für mich auch Augenwischerei, eine Mogelpackung. Kohlenhydrate werden rausgenommen, dafür kommt viel Fett hinein. Die Kalorienzahl ist viel höher. Der Mensch braucht nun mal beides, Kohlenhydrate und Fett. Wenn sich die Leute dadurch Gedanken über ihre Ernährung machen, dann ist das allerdings nicht schlecht.

Sie testen täglich bis zu 50 Brote und Brötchen, sind aber ziemlich schmal.

Brot macht ja auch nicht dick. Das ist ein falsches Vorurteil. Es kommt eben auch drauf an, was und wie viel man sich sich aufs Brot legt. Ich plädiere für eine ausgewogene, vielseitige Ernährung. Auf die Menge des Essens kommt es auch an. Das ist wie beim Auto: Wenn der Tank voll ist, ist er voll. Der Rest schwappt über.

Welches Brot essen Sie am liebsten?

Ich liebe Brot, ob nun ein schönes Baguette oder ein Ciabatta. Ich komme ursprünglich aus Berlin. Deshalb bevorzuge ich einen höheren Roggenanteil und damit verbunden eine kräftige Säuerung.  Die Fragen stellte Volker Rath

Fünf der 16 Innungsbetriebe im Landkreis Freudenstadt legten am Montag Backwaren zur Brotprüfung vor. Sie fand öffentlich im Café im Rewe-Markt im Schwarzwald-Center in Freudenstadt statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Das Deutsche Brotinstitut vergibt drei Qualitätssiegel: die Auszeichnung "gut" für Produkte, die mindestens 90 von 100 möglichen Punkten erzielen, "sehr gut" bei voller Punktzahl und "Gold" für Handwerksbetriebe, die drei Jahre in Folge die Note "sehr gut" erzielten. Manfred Stiefel (57) ist einer von drei hauptberuflichen Prüfern des deutschlandweit tätigen Vereins und zuständig für den Süden der Republik. Er stammt aus Berlin, lebt aber seit Jahren in Konstanz und ist selbst Bäckermeister. Prüfer müssen neben handwerklichem Können vor allem über ausgeprägte und sensible Sinne verfügen. Stiefel sagt, die Obergrenze der Tests liege bei 50 pro Tag. Danach seien die Sinne "ausgereizt" und eine faire Bewertung nicht mehr möglich. Den Geschmackssinn neutralisiere er nach jeder Probe mit Wasser.