Der Campus Schwarzwald, Nahtstelle zwischen Wirtschaft, Forschung und Lehre sowie Vorlesestandort der Uni Stuttgart in Freudenstadt, ist eröffnet. Foto: Rath

Freudenstadt und Uni Stuttgart feiern mit 180 Gästen aus Politik und Wirtschaft neuen Standort. Mit Video

Freudenstadt - Die Schwarzwälder Antwort auf die Digitalisierung sowie den Führungs- und Fachkräftemangel im ländlichen Raum: Der Campus in Freudenstadt, Vorlesestandort der Universität Stuttgart für Master-Studenten, ist am Dienstagabend mit einem Festakt offiziell eröffnet worden.

Rund 180 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Lehre sowie Kammern und Verbände waren dazu in den Campus direkt am Hauptbahnhof gekommen, darunter Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. "Nichts ist mächtiger als die richtige Idee zur richtigen Zeit. Heute ist aus einer Idee Realität geworden", sagte Kurt Schmalz, Geschäftsführender Gesellschafter der J. Schmalz GmbH und treibende Kraft hinter dem Projekt.

Ziel: Anschluss nicht verlieren

Der Fachkräftemangel wirbele Deutschland durcheinander, auch die Wirtschaft im Kreis Freudenstadt mit ihren Weltmarkführern "auf jedem Hügel oder Tal". Ihr Ziel: den Anschluss nicht zu verlieren und in den Zeiten des digitalen Umbruchs "die Deutungshoheit über die eigenen Geschäfte zu behalten", so Schmalz. Die Wirtschaft ändere sich gravierend und stelle etablierte Geschäftsmodelle auf den Kopf. "Google baut Autos, und die Automobilindustrie hält dagegen."

Der Campus Schwarzwald sei "ein Glanzlicht" geworden. Mit der Uni Stuttgart stehe den Unternehmen ein "exzellenter Partner" zur Seite. Hier sei es möglich, "Neues zu lernen und Neues zu schaffen". Das Konzept: "Forschung am offenen Herzen der Unternehmen." Davon sollten auch kleinere Unternehmen profitieren. Der Campus sei ferner "Beet", auf dem Gründer ihre neuen Firmen gedeihen lassen könnten. "Das hier ist auch eine Art Nationalpark, in dem ebenfalls eine sehr seltene Spezies überleben kann", sagte Schmalz unter Gelächter im Saal. Der Gruß ging an die Ministerin und war eine Anspielung auf die Millionen-Investitionen des Landes in den Nationalpark Schwarzwald. Von einer Förderung des Campus’ will das Land bislang nichts wissen.

Campus ist ein Selbsthilfeprojekt

Es war vor dem Festakt allerdings durchgesickert, dass die Ministerin nicht mit leeren Händen nach Freudenstadt kommen würde. Der Campus wird gefördert, wenngleich indirekt und zunächst auch nicht dauerhaft: Rund eine Million Euro erhält die Uni Stuttgart für Forschungsprojekte und Masterarbeiten aus dem Topf "Regionale Innovationspartnerschaften". Die Uni hatte sich mit ihrem Freudenstädter Konzept für den Preis beworben. "Machen Sie was draus. Ich bin gespannt, welche Resultate wir in den nächsten Jahren erleben dürfen", so Bauer.

Das Selbsthilfeprojekt – der Campus und die Stiftungsprofessur wird im Wesentlichen von Unternehmen, privaten Stiftungen, Stadt und Kreis Freudenstadt sowie der Kreissparkasse Freudenstadt als Investorin finanziert – beeindruckte die Ministerin aber bereits jetzt. Er sei durch die enge Vernetzung von Schwarzwälder Wirtschaft mit Forschung und Lehre "ein Ort, der neue Formate der Zusammenarbeit möglich macht. So entsteht Innovation." Sie sei für Baden-Württemberg "wichtiger denn je". Kooperation könne man "nicht abkupfern", man müsse sie leben, um Erfolg zu haben. "Baden-Württemberg kann das besonders gut", sagte Bauer. Es sei in den aktuellen Umstürzen "ein Überlebensthema".

Bauer sagte, sie sei überzeugt, dass das Land dies "bewältigen kann". Der Campus in Freudenstadt werde seinen Beitrag dazu leisten. An den "Schnittstellen entsteht Neues". Im Gegensatz zu manch etabliertem Hochschulstandort mit jahrhundertelanger Uni-Tradition sei hier ein "ganz neuer Spirit" zu spüren. Der Schwarzwald heiße junge Leute willkommen und nörgle nicht über Studenten, die die Wohnungspreise nach oben treiben und in den Kneipen "so lange Lärm machen".

Alte Modelle brauchen Veränderungen

Dass Erfolg im Kopf entsteht, diese These vertrat auch der bekannte Redner Ralph Goldschmidt. Unterhaltsam führte er aus, wie Firmen aufgestellt sein sollten, um fit für die Zukunft zu sein ("Von innen betrachtet, sieht auch ein Hamsterrad aus wie eine Karriereleiter"). Alte, starre Hierarchiemodelle dürften zwar nicht sofort über Bord geworden werden, bräuchten aber eine Veränderung. Die Welt verändere sich derzeit rapide. Seine Definition des Unterschieds von Wandel und Transformation: "Beim Wandel weiß man, wohin die Reise geht, Transformation ist ein Blindflug".

Eine seiner weiteren Weisheiten: "Vernünftig ist ein bisschen wie tot sein, nur vorher."n Einen Blick hinter die Kulissen des Campus Schwarzwald bieten die beiden "Campus Days" am Freitag und Samstag, 6. und 7. Dezember, am Freitag von 14 bis 18 Uhr und am Samstag von 9 bis 16 Uhr. Experten aus den Bereichen Maschinenbau und produzierender Industrie künftige Trends im hauseigenen Labor und den Hörsälen. Auf der Campus-Messe stellen sich die kooperierenden Unternehmen, die IHK sowie die Universität Stuttgart vor.

Info: Zahlen und Fakten

Der Campus Schwarzwald  firmiert als  Zentrum für Digitalisierung, Führung und Nachhaltigkeit.  Er kooperiert mit der Universität Stuttgart  und der Hochschule  in Pforzheim.  Knapp   1000 Quadratmeter Nutzfläche und eine  große  Laborhalle  mit   Robotern und Maschinen  stehen zur Verfügung.  Ferner gibt es Räume für  Büros und  Start-up-Firmen.  Im »Kaizenlab« können    Produktionsstätten  digital in Betrieb genommen werden.  Rund   150  Anmeldungen von  Master-Studenten   im Maschinenbau liegen aktuell vor.  Besonderheit ist der   große Praxisbezug mit  Zeit für Forschung sowie  Phasen  direkt in den Unternehmen vor Ort.  Geplant ist ferner der Bau eines  Wohnheims  mit 48  Appartements.  Ein Angebot  zur Weiterbildung  von  Mitarbeitern  von Unternehmen gibt es  in Zusammenarbeit mit der Hochschule Pforzheim.  Rund zwei Dutzend  Unternehmen  sind als Initiativmitglieder mit dabei.