Kreis Freudenstadt - Essenspakete statt Geldzahlungen – diese Regelung im Landkreis Freudenstadt stößt vielen Asylbewerbern sauer auf. Sie wollen ihr Essen selbst kaufen und haben gestern deshalb erstmals die Ausgabe von Nahrungsmittelpaketen bestreikt.Zwei Mal in der Woche, dienstags und donnerstags, kommt der Lastwagen einer vom Landkreis beauftragten Firma und liefert die von den Asylsuchenden ausgewählten Nahrungsmittel vor der Gemeinschaftsunterkunft in der Lauterbadstraße 158 in Freudenstadt aus.

Auch gestern zur Mittagszeit fuhr der weiße Lastwagen vor – allerdings mangels Abnehmern auch wieder unverrichteter Dinge ab. Vor dem Gebäudekomplex waren zur gleichen Zeit rund 50 Asylbewerber aus den drei Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis zusammengekommen, um gegen die Versorgungspraxis des Landkreises zu protestieren. Die drei Häuser – in Hallwangen mit 80, in Freudenstadt mit 87 und in Alpirsbach mit 40 Plätzen – sind derzeit voll belegt.

Essenspaket schmeckt oft nicht

"Zwei Personen mussten schon mit Magenbeschwerden ins Krankenhaus", sagt ein Asylbewerber, der in der Unterkunft in der Lauterbadstraße wohnt. Zwar könnten die Personen das Essen auswählen, aber was mit dem Essenspaket auf den Tisch kommt, schmeckt oder bekommt ihnen nach eigener Aussage oft nicht. Sie wollen sich selbst ihre Nahrungsmittel aussuchen und nicht nur nehmen, was ihnen auf einem rosafarbenen und einem gelben Zettel an frischen, gefrorenen oder auch konservierten Nahrungsmitteln angeboten wird.

Zumal die Essgewohnheiten der Asylbewerber schon von ihrer Herkunft her sehr verschieden sind. Die Protestgruppe ist international zusammengesetzt: Die Asylbewerber kommen unter anderem aus Afghanistan, Pakistan, dem Iran, dem Irak und Syrien.

Eine Frau, die laut ärztlicher Bescheinigung glutenfreie Kost braucht, musste, wie ein Mann sagt, bereits ins Krankenhaus gebracht werden. Sie darf kein Getreide essen – schon geringste Mengen davon führen bei ihr zu starken Bauchschmerzen.

Dass Asylbewerber, ähnlich wie Hartz-IV-Empfänger, Geld bekommen und sich dann ihre Nahrungsmittel selbst kaufen, wird in manch anderen Landkreisen durchaus praktiziert, räumt Robert Bornhauser, Leiter des Sozialamts des Freudenstädter Landratsamts, im Gespräch mit unserer Zeitung ein: "Die Hälfte gibt Geld, die andere Essenspakete." Ein wichtiger Grund dafür, dass es im Landkreis Freudenstadt Sachleistungen gebe, sei die Tatsache, dass nur etwa 60 Prozent der gemeldeten Asylbewerber in den Gemeinschaftsunterkünften leben, 40 Prozent aber abtauchen, obwohl für Asylsuchende Residenzpflicht besteht. Sie wählen in der Regel keine Nahrungsmittel von den Listen aus, und so muss der Landkreis für sie auch keine Essenspakete bezahlen. Gäbe es Geld statt Sachleistungen, würden es, so Bornhauser, auch die Asylsuchenden bekommen, die gar nicht in den Unterkünften wohnen.

Die Kritik an den Nahrungsmitteln, die eine beauftragte Firma für die Asylbewerber liefert, teilt Bornhauser nicht: Auf die verschiedenen Wünsche der Asylbewerber werde in der umfangreichen Liste, aus der sie wählen können, sehr wohl Rücksicht genommen. Es gebe auch, anders als schon bemängelt worden sei, durchaus gesundes Brot. Nur werde oft eben das ungesündere Weißbrot bestellt.

Der gestrige Protest war die erste derartige Aktion in der Gemeinschaftsunterkunft in Freudenstadt, sagte Hausmeister Richard Christof auf Anfrage. Auch weiterhin wollen die Asylbewerber in den drei Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis Freudenstadt die Ausgabe der Essenspakete bestreiken. Zumal ihre Forderungen noch weiter gehen: Ihre Kleider bekommen die Asylsuchenden bisher vom Roten Kreuz, zwei Mal im Jahr – Kleidung für den Sommer und für den Winter. "Die Sachen sind alt und passen nicht", beschwert sich ein Asylbewerber. Die Bewohner wollen Geld oder Gutscheine, um sich selbst einkleiden zu können. Schuhe können sich die Asylbewerber im Landkreis Freudenstadt bereits auf Gutschein in einem Fachgeschäft besorgen.

Info: Leistungen für Asylbewerber

Neben den Essenspaketen bekommen die Asylbewerber im Landkreis Freudenstadt auch ein monatliches Taschengeld. Dieses wurde, so Benjamin Geigl, im Sozialamt Sachgebietsleiter für die untere Aufnahmebehörde, nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts deutlich angehoben und stieg für alleinstehende Asylbewerber von 40,90 auf 134 Euro.

Volljährige Kinder erhalten ein Taschengeld von 107 Euro und jüngere 78 bis 86 Euro. In Landkreisen, in denen es Geldzahlungen statt Sachleistungen gibt, bekommen alleinstehende Asylbewerber 346 Euro und damit nicht viel weniger als Hartz-IV-Empfänger mit 374 Euro. Bei Ehepaaren gibt es pro Person 311 Euro, für volljährige Kinder 277 Euro, und für Kinder bis zu 18 Jahren beträgt die Geldleistung je nach Alter zwischen 205 und 271 Euro. Asylbewerber erhalten, anders als die Empfänger von Arbeitslosengeld II, auch noch zusätzliche Leistungen bei Haushaltsgegenständen.