Santorini, die griechische Vulkaninsel in der Ägäis, aus der Vogelperspektive: links die Hauptinsel Thira, Nea Kameni in der Mitte der Caldera und rechts Thirasia, die den nordwestlichen Rand des Beckens bildet. Foto: Imago/Joker

Santorini ist eine der schönsten Kykladen-Inseln – und eines der am besten erforschten Vulkan-Archipele. Forscher haben jetzt mit Hilfe eines Forschungsbohrschiffs Beweise für eine bisher nur aus historischen Quellen bekannte Unterwasser-Eruption im Jahr 726 n. Chr. gefunden. Eine Spurensuche.

Die Sonne sinkt über der Caldera von Santorini. Gäbe es nichts anderes auf diesem Archipel am Südrand des Ägäischen Meeres, keine weißen Häuser, die tollkühn wie Adlerhorste in die dunklen Felsen gesetzt sind, keine Kirchen mit wasserblauen Kuppeln, keine engen Gassen und keine schwarzen Strände - der Sonnenuntergang alleine wäre Grund genug hierher zu kommen.

Thira, die Hauptinsel des Santorini-Archipels. Foto: Imago/Imagebroker
Thira, Nea Kamei und Thirasia sind die Überreste der ursprünglichen Insel. Foto: Imago/Imagebroker
Der gesamte Archipel hat einen Durchmesser von etwa 16 Kilometern. Die Gesamtfläche beträgt rund 92,5 Quadratkilometer. Foto: dpa/Philipp Laage

1525 v. Chr.: Halb Santorini versinkt im Meer

Santorini ist eine Vulkaninsel in den Kykladen, seine Kultur dem ständigen Vernichtungsrisiko zum Trotz älter als Athen. Die Phönizier nannten sie „Kalliste“, die Schöne. Mancher munkelt, Santorini sei das verlorene Atlantis. Ein gewaltiger Ausbruch mit einer hundert Meter hohen Flutwelle versenkte um 1525 v. Chr. das halbe Eiland im Meer.

Heute sind nur noch die drei Reste jenes kleinen Weltuntergangs zu sehen: die Hauptinsel Thira mit dem Caldera-Becken und dem gefluteten Vulkankrater; die kleine Insel Nea Kameni, die wie ein Badewannenstopfen in der Mitte der Caldera liegt; und Thirasia, die den nordwestlichen Rand des Beckens begrenzt.

Die wie ein Ring angeordneten drei Inseln bilden den Rand einer vom Meer gefluteten Caldera. Damit ist eine kesselförmige Vertiefung gemeint, die frühere Vulkanausbrüche hinterlassen haben. Im Zentrum der Caldera liegt der bis heute aktive Vulkan Kameni.

726. Chr.: Unterwasser-Eruption des Kameni

Panoramablick auf Santorini. Foto: Imago/Imageboker
Windmühlen auf Thira. Foto: Imago/Hernán Pagano

Santorini ist aber nicht nur ein landschaftliches Kleinod, sondern auch eine der am besten erforschten vulkanischen Archipele weltweit. Eine internationale Forschungsexpedition hat nun erstmals den Meeresboden rund um die Inseln mit einem Forschungsbohrschiff untersucht.

Dabei fanden die Wissenschaftler um Steffen Kutterolf vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel Beweise für eine bisher nur aus historischen Aufzeichnungen bekannte Unterwasser-Eruption des Kameni-Vulkans im Jahr 726 n. Chr. Ihre Studie ist im Fachblatt „Nature Geoscience“ veröffentlicht.

Caldera-Zyklen von Santorini

Es sei nicht der erste Caldera-Einsturz in der Geschichte des Kykladen-Eilands gewesen, sagt Jonas Preine von Universität Hamburg. „Inzwischen wissen wir von mindestens fünf solcher Ereignisse innerhalb der letzten 500 000 Jahre.“

Wie andere große Vulkansysteme auch durchlaufe Santorini Caldera-Zyklen. Nach einem sehr großen Ausbruch beginne der neue Zyklus mit kleinen, aber häufigen Ausbrüchen, während sich das Vulkansystem wieder langsam mit Magma füllt, so Preine. "Anschließend reift es weiter, die Ausbrüche werden größer, aber seltener, bevor das System reif ist, einen neuen Caldera formenden Ausbruch hervorzubringen.“

In den vergangenen 500 000 Jahren gab es mindestens fünf Vulkaneruptionen. Foto: Imago/Yay Images
Luftaufnahme des roten Strandes Kokkini Beach. Foto: Imago/Imagebroker

Dies geschehe über Zeiträume von einigen zehntausend Jahren, erklärt Preine. Derzeit befinde sich Santorini in der Phase, in der sich Magmen ansammeln, aber noch weit entfernt von einem erneuten Caldera-Kollaps. In dieser Phase sind keine großen explosiven Eruptionen zu erwarten, lautet die bisherige Theorie.

Das Meer kochte „als würde es von einem Glutofen erhitzt“

Neue Seismik- und Bohrexperimente durch das Geomar-Zentrum stellen diese Theorie allerdings in Frage. Die Analysen der Bohrkerne ergaben, dass im Frühsommer des Jahres 726 n. Chr. eine große Eruption stattgefunden haben muss.

Historische Schriften berichten, damals hätte das Meer gekocht, „als würde es von einem Glutofen erhitzt“. Große Bimssteinblöcke seien weit in die Ägäis hinausgeschleudert worden, ein Seebeben führte zu einem verheerenden Tsunami.

All diese Ereignisse sollen Kaiser Leo III. von Konstantinopel dazu veranlasst haben, aus Angst vor dem göttlichen Missfallen den Ikonoklasmus zu verhängen. Dieses Verbot, religiöse Symbole wie Ikonen zur Schau zu stellen und zu verehren, führte im Byzantinischen Reich zu einem rund 120 Jahre andauernden sozioökonomischen und kulturellen Niedergang.

Der Ausbruch von 726 n. Chr. war 30-mal kleiner . . . Foto: Imago/Imagebroker
. . . als die Eruption 1525 v. Chr..  Foto: Imago/Imagbroker

Ähnliche Eruptionen werden wieder passieren

Den Forschern gelang es mit Hilfe der Bohrungen in Tiefen bis zu 300 Metern vorzunehmen und dabei Beweise für die Unterwasser-Eruption im Jahr 726 zu sammeln. Die Untersuchungen enthüllten eine bis zu 40 Meter dicke Schicht aus grauem Bimsstein und Asche, die eindeutig auf einen einzigen Ausbruch zurückzuführen ist.

„Dieser Ausbruch muss größtenteils unter Wasser innerhalb der gefluteten Caldera stattgefunden haben, da fast keine Ablagerungen des Ausbruchs an Land gefunden wurden“, erklärt der Geomar-Geophysiker Jens Karstens. „Das passt zu den historischen Augenzeugen-Überlieferungen.“

Laut Preine war der Ausbruch von 726 n. Chr. gut 30-mal kleiner war als die Eruption 1525 v. Chr. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine vergleichbare Eruption in naher Zukunft wieder passieren wird.“