Bild zeigt Frauen beim versorgen des Backholzes in die Remise 1925Foto: Ortsarchiv Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Ehemalige Molkerei wird abgebrochen / Vom Backholz über Milch bis zum Zuhause für Familien

Mit dem derzeitigen Abbruch der ehemaligen Molkerei in der Rathausstraße in Winzeln geht eine wechselvolle Geschichte zu Ende.

Fluorn-Winzeln. Ein Fluorn-Winzelner Bürger erwarb das ehemalige Gebäude und bricht es nun bis auf die Grundmauern ab, um dann im Rahmen des Landessanierungsprogrammes neu aufzubauen und neue Wohnungen zu errichten.

Schon 1771 trug sich die Gemeindeverwaltung mit dem Gedanken, in der Rathausstraße eine Holzremise für das in der Nähe stehende Gemeindebackhaus zu errichten. 1916 wurde dann der Bau auf dem gemeindeeigenen Gelände gegenüber dem Schul- und Rathaus verwirklicht. Durch die Hanglage wurde das Erdgeschoss in massiver Bauweise hergestellt. Der erste Stock wie auch das Dachgeschoss wurde komplett als Holz-Fachwerk gebaut.

Damit das Backholz trocknen konnte, war das Fachwerk mit Brettern mit Lüftungsspalten verkleidet. Im Erdgeschoss wie auch im ersten Stock und im Dach wurden eine kleine Gemeindeeigene Wohnung eingerichtet.

Als das Holz im ersten Stock dann trocken war, wurde es über einen Abwurfschacht in das Erdgeschoss geworfen und dann mit Handkarren zum Backhaus transportiert.

Seitens der Bauernschaft wurde 1938 angeregt, eine Molkerei im Erdgeschoss des Holzhauses einzurichten und eine Milchgenossenschaft mit 15 Mitgliedern zu gründen, um die Backholzversorgung zu sichern. Deshalb wurde oberhalb des Backhauses eine neue Holzremise gebaut und im Erdgeschoss die Molkerei eingerichtet. Da Winzeln damals ein fast rein bäuerlicher Ort war, hatte die Gemeinde erhebliche Vorleistungen zu erbringen. Zur Erhitzung der Milch vor der Entrahmung wurde ein Dampfkessel eingebaut. Als "Molker" war Josef Schmid ("s’Lauxa"), danach Eugen Ott, auch "Pomper" genannt, weil er für die Pumpen der Wasserversorgung in der Pumpstation unterhalb der Alten Kirche verantwortlich war.

Ab 1946 übernahm dann der schwer kriegsbeschädigte Johann Schweikert ("Mesmer Hannes") die Arbeiten in der Molke. Eine neue Entrahmungsstation wurde 1955 aus Chrom-Nickelstahl für 15 000 Deutsche Mark eingerichtet, von denen das Regierungspräsidium Tübingen 8000 und die Gemeinde 7000 übernahm. Die Kosten für die Umbauten übernahm die Genossenschaft mit bis zu 120 Mitgliedern.

Schon kurz nach der Inbetriebnahme sah man morgens und abends Alt und Jung mit Milchkannen durch den Flecken ziehen. Bis zu 3000 Liter Milch wurden täglich angeliefert. Die anfallende Magermilch konnte gleich wieder mitgenommen und an die Schweine verfüttert werden.

Der Rahm wurde von Fuhrunternehmer Schieber aus Peterzell mit einem Lastwagen ins Milchwerk nach Rottweil transportiert. Für viele Bürger der Gemeinde ergab sich dadurch die Möglichkeit, auf der Pritsche des Lastwagens unter einer Plane für 50 Pfennig nach Rottweil zu kommen.

Im ersten Stock, wurde nach Auflösung der Holzremise eine Kochschule eingerichtet. Für die Mädchen aus der Umgebung war es nach der Schulentlassung Pflicht, die Kochschule zu besuchen, lernten sie doch, wie ein Haushalt geführt wird, und im großen Kochschulgarten wurde das benötigte Gemüse angepflanzt. Die Jungen mussten die Bauernschule in der Volksschule besuchen.

Im Dachgeschoss wurden 1938 Räumlichkeiten für die Ortsgruppenleitung der NSDAP als Parteizentrale eingerichtet. Nach dem Ende der NSDAP wurden die Räume als Gemeindewohnung für den Zwangsarbeiter Lukas Polujanowicz mit Frau Ida (mit Töchtern Hilde und Gerlinde Rangger aus erster Ehe der Kriegerwitwe Ida) und Sohn Emil, den Autor dieses Textes, umgebaut. Er verbrachte in der Wohnung eine mehr oder weniger schöne Kindheit, wuchs heran und wohnte nach dem Tod seiner Eltern allein in der Wohnung.

Da es eine gemeindeeigene Wohnung war, musste er nach einem Brand in der Unteren Lehrstraße, bei dem eine Familie namens Fischer wohnungslos wurde, die Wohnung räumen und campierte mehr oder weniger in einem Abstellraum ohne Wasser und Heizung.

Ein wahrer Glücksfall für ihn war, dass ihm die Familie Gerlinde und Manfred Baumann in ihrem neu erstellten Eigenheim eine Einliegerwohnung zur Verfügung stellten und er mit 22 Jahren einen Neuanfang in seinem Leben machen konnte.

Nach dem Auszug der Familie Fischer nach Alpirsbach bezog die Familie Brehmer die Wohnung. Nach deren Auszug wurde vom neu gewählten Bürgermeister Jürgen Schlaich 1972 das Gebäude an Jakob Heck zum Preis von 48 000 Deutschen Mark verkauft. Er wohnte bis zu seinem Tod darin. Und wenn nun das Gebäude neu erstellt wird, so geht auch eine lange Geschichte im Ortskern von Winzeln zu Ende.