Heimatgeschichte: Erstes Friedensjahr nach dem Ersten Weltkrieg

Fluorn-Winzeln. Ende 1918: Bis die hiesigen Kriegsteilnehmer alle zurück gekehrt waren, wurde es Weihnachten. Die Kriegsgefangenen und Internierten kamen teilweise erst ein Jahr später. Doch wie sah es im ersten Jahr nach dem Ersten Weltkrieg, 1819, in Fluorn-Winzeln aus?

Im Januar 1919 veranstaltete die Gemeinde eine gemeinsame Empfangsfeier, wobei für den Mann zehn Mark ausgesetzt waren. Außerdem erhielt die Witwe oder die Eltern der Gefallenen eine Ehrengabe im Werte von zehn bis 40 Mark, je nach Länge der Dienstzeit.

Während der vier Kriegsjahre wurden aus der hiesigen Gemeinde insgesamt 197 Mann eingezogen. Davon sind 28 gefallen, beziehungsweise an ihren Verwundungen gestorben. Zwei wurden vermisst und galten später ebenfalls als gefallen.

Die Namen der Kriegsteilnehmer sind in der Ehren-Chronik der Gemeinde aufgelistet. In französische beziehungsweise englische Kriegsgefangenschaft sind geraten: Josef Beh, Josef Glunk (beide geboren 1899), Franz Hezel (geboren 1898), Markus Jauch (geboren 1918), Ludwig Ott (geboren 1892), Franz Schweikert (geboren 1898) und Reinhard Dierberger (geboren 1981).

Der während des Krieges auf dem türkischen Kriegsschauplatz verwundete Kraftfahrer Rudolf Schmid (geboren 1895), der meist in Syrien und Palästina gekämpft hatte, wurde mit seinem Truppenteil nach dem Waffenstillstand in Saloniki interniert und kam ebenfalls erst ein halbes Jahr später zurück. Er wurde mit dem Orden des türkischen Halbmondes ausgezeichnet.

Mit dem Eisernen Kreuz Klasse I wurden ausgezeichnet: Josef Hezel (geboren 1892), der bei Kriegsbeginn aktiv gedient hatte, sowie der Schwerkriegsbeschädigte Leutnant Paul Stimmler (geboren 1994), Verfasser der Ortschronik.

Zu der öffentlichen Sammlung für Kriegs-und Zivilgefangene gab die Gemeinde einen Beitrag von 100 Mark. Als Ostergeschenk für die in Gefangenschaft lebenden Winzler erhält jeder ein Paket im Wert von zehn Mark.

Was im Ort geschah

Der Feldweg Nummer 46 (heute Wöhsteinstraße) wurde bis zum Hochkreuz nach Plänen des Kulturbauamtes auf eine Breite von fünf Metern ausgebaut, die Steigung vor dem Hochkreuz ausgeglichen und das sich ansammelnde Tagwasser in einer Kandel in den Heimbach abgeleitet. Nach Fertigstellung, wurde diese Strecke mit der Dampfwalze bewalzt, ebenso der Ortsweg (heute Rathausstraße) bis zum Gasthaus Adler und der Niederweg (heute Mühlweg) bis zum "HäfnerKreuz". Im Frühjahr 1919 wurde die Entwässerung der Eschachwiesen (heute Fluggelände) in Angriff genommen.

Die politische Umwälzung brachte auch in der Gemeindeverwaltung verschiedene Änderungen. In Württemberg wurde das Kontrollorgan des Gemeinderates, der Bürgerausschuss, abgeschafft. Der bisher aus acht Mitgliedern bestehende Gemeinderat wurde auf zehn Mitglieder erweitert und musste völlig neu gewählt werden. Der Friedhof wurde durch Zukauf einer Fläche von 14 Ar vergrößert. Die südliche Umfassungsmauer wurde entfernt und der neue Teil mit einem Fichtenhag eingezäunt.

Einer Anregung des Pfarrers entsprechend wurde ein zuerst als Kriegerdenkmal gedachter Bau eine Friedhofskapelle, in der eine von Bildhauer Leins aus Horb gefertigte Ölberggruppe mit sterbendem Krieger aufgestellt wurde. Die Namen der Gefallenen sind auf zwei der Bronze-Platten verewigt. Auch wurde ein neues Friedhofskreuz an diesem Platz aufgestellt. Das bisherige wurde abgebaut und bei Kirchentannen wieder aufgebaut.

Auf den ursprünglich für ein Kriegerdenkmal vorgesehene Lindenplatz wurde im Hinblick auf den unglücklichen Kriegsausgang eine von Bildhauer Schaub aus Schramberg gefertigte Kreuzigungsgruppe erstellt.

In der Nazi-Zeit sollte die Kreuzigungsgruppe abgebaut und dafür ein Kriegerdenkmal erstellt. Mutige Männer bauten die Gruppe damals ab und versteckten sie unter einer Erdschicht im Garten. Nach dem Krieg wurde sie wieder aufgestellt und ist seither eine Station an Fronleichnam.

Häuschen für "Frevler"

Nach Aussage einiger älterer Winzelner soll auf diesem Platz das sogenannte Narrenhäusle gestanden sein. In Ermangelung eines Ortsgefängnisses seien in diesem Häuschen alle "Frevler" mit kurzer Haftstrafe eingesperrt worden.

Das Häuschen habe an allen vier Seiten kleine Öffnungen gehabt, durch die man die Inhaftierten beobachten konnte und sie auch mit Stangen oder langen Ruten malträtieren konnte.

Eine besondere Freude der Schuljugend sei es gewesen, diese Opfer mit Holunderspritzen derart zu beunruhigen, dass sie ständig von einer Ecke zur anderen flüchten mussten. Hauptsächlich schlimm getrieben wurde der vermeintliche Spaß mit denjenigen, die wegen wiederholtem Unzuchtbegehren, wenn ein uneheliches Kind zur Welt kam, in Haft kamen.

Im Sommer wurde vom Kommunalverband amerikanisches Weizenmehl zum Preis von 420 Mark pro Doppelzentner angeboten. Im November 1919 wurde die Zwangsbewirtschaftung des Hafers aufgehoben. Die zurückgekehrten Kriegsgefangenen erhielten je 100 Mark sowie pro Monat der Gesamtdienstzeit Geld für Essen.