Das Kärhäusle in der Oberndorfer Straße (Neugaß) wird heute noch genutzt.Foto: Moosmann Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: 1832 war für Winzeln ein Unglücksjahr / Hilfen aus den Nachbarorten und aus königlichen Kassen

Fluorn-Winzeln. Viele Dörfer haben einen Übernamen. So sagt man zu den Waldmössingern "die Goarnada" (Die geordneten), zu Fluorn "Klein-Bayern" (zur Krauternte reisten Bayern an), zu Rötenberg "Brotfresser" (Altfordere tauschten Brot gegen Wald). Und zu Winzelnern sagt man die "Raicheligen". Der Grund dürfte darin liegen, dass Winzeln im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Umland von vielen und großen Bränden heimgesucht wurde.

Fast auf den Tag genau vor 188 Jahren, am 27. März, brach um 22.45 Uhr im Wirtshaus Krone ein Brand aus. Durch einen Nordostwind getrieben, ergriff das Feuer sofort 18 Gebäude und legte später noch drei weitere in Asche. Der alte Sattler Ignaz Ott wurde, beeinträchtigt durch einen Schlaganfall, von seinen Söhnen durch das Fenster des hinteren Stübchens gehoben und auf dem Rücken fortgetragen. Eine Kuh von Joseph Reichstadt und mehrere Schweine verbrannten. Moritz Schmid wurde in seiner Scheune von einer Umlenkrolle getroffen, von seinem Schwiegersohn Johann Bach aus dem brennenden Haus weggetragen und hatte 14 Tage an seinen Quetschungen zu leiden.

Der nicht versicherte Mobiliarverlust betrug 17 000 Gulden, dazu wurde aus der Brandversicherung, weil alle Häuser mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren, durchgängig ein Sechstel abgezogen. An Unterstützungsbeiträgen gaben damals die Nachbarorte durchweg Naturalien im Wert von 887 Gulden, das königliche Kameralamt Frucht im Wert von 1040 Gulden und 820 Gulden. Die königliche Kasse 500 und 3247 Gulden.

Zum Wiederaufbau entwarf die Regierung einen Plan. Die Gebäude wurden in gerader Linie gesetzt. Vorher standen die Gebäude mit der Giebelwand zur Straße und im hinteren Teil waren gewölbte Keller mit bis zu zehn Stufen. Nach der Neuausrichtung parallel zur Straße wurden die Keller mit einem Kellerhaus überbaut. Heute sind noch drei davon erhalten und werden als Keller genutzt. Alle Gebäude wurden noch vor dem Winter größtenteils auf der alten Brandstätte errichtet und bezogen. Die gerade, schöne Gasse (heute noch im Winzelner Sprachgebrauch "Neugaß") ist mittlerweile die Oberndorfer Straße. Der Weg wurde geebnet und erhielt einen Fahrbahndecke – freiwillig und mit großen Kosten für die Gemeindekasse und großer Schuldenlast für die Verunglückten verbunden.

Ein weiteres Unglück ereignete sich am 16. August 1882 um 13 Uhr. Vom Westen her kam, die Wintergetreideernte hatte erst begonnen, ein Gewitter, das in Winzeln nach amtlicher Schätzung 46 000 Gulden Schaden angerichtet hat. Da auch die Nachbargemeinden Waldmössingen, Seedorf, Beffendorf, Oberndorf und Bochingen ähnlich geschädigt wurden, gab es nur geringe Unterstützung von auswärts.

Eine strukturwandelnde Maßnahme wurde noch 1832 angeordnet. Der Austrieb des Viehs in den Wald zur Weide wurde wegen der großen Schäden am Aufwuchs untersagt und die Stallfütterung zur Pflicht gemacht. Vielen Bürgern musste zur Umstellung geholfen werden.

1834 brachte wenig Felderträge und Futter. Insbesondere der Futtermangel wurde spürbar. Ein Fuder Stroh (zweispänniger Wagen), kostete 20 Gulden, während ein Simri (ein Gefäß bis oben gefüllt und abgestrichen) Kernen nur einen Gulden und zwölf Kreuzer kostete. Am 18. August kaufte die Gemeinde die in Fluorn herrschaftliche Zehntscheuer, baute sie ab und baute sie in Winzeln auf dem Wehrstein mit Unterstützung der königlichen Finanzdirektion wieder auf. Aber schon 1839 wurde diese wieder abgebaut. Sie war überflüssig geworden durch die Umstellung auf Geldabgaben. In einem Vertrag mit der Pfarrstelle wurde 1835 vereinbart, dass die Gemeinde den ganzen Kleinzehnten nebst Stolgebühren (Amtshandlungen des Pfarrers) übernahm und dafür jährlich 1200 Gulden bezahlte. Auch das königliche Kameralamt war zu einer Neuregelung bereit. Am 21. November 1835 wurde durch einen Vergleich das Vogt- und Sitzgeld mit 600 Gulden abgelöst.

Die Ruhr herrschte

Der Ortschronist Johannes Schweikert berichtet weiter, dass 1836 vom Juni bis Ende Oktober eine bösartige Ruhr herrschte, an der bei höchstem Stand 120 Personen auf einmal darniederlagen. Dadurch sowie durch das spätere Nervenfieber wurden 56 Personen dahin gerafft. Mehrmals wurden an einem Tag bis zu sieben Leichen beerdigt. Die Sterbestatistik von 1836 zählt 79 Beerdigungen.

Das Wetter 1836 war ziemlich nass. Zur Linderung der Not wurde 1837 jedem Bürger ein halber Klafter (Spanne zwischen den ausgestreckten Armen eines Mannes) weniger gegeben und dafür 50 Gulden ausbezahlt. Für den gleichen Abzug gab es 1838 aber nur 25 Gulden. Nach einem sehr milden Winter 1839/40 schadete ein kaltes Frühjahr den Feldfrüchten und dem Graswuchs sehr. Daher war der Ertrag beim Klee sehr gering und beim Heu mäßig. Der Preis für ein Fuder Stroh stieg auf 30 Gulden, für den Zentner Heu auf drei Gulden. Doch ab Ende Mai war das Wetter günstig. Während der Flachs sich nicht mehr erholte, brachten sowohl Wintergetreide als auch Sommerfrucht sehr guten Ertrag.

1842 trat ungemein trocken auf. Wegen Futtermangels mussten die Bürger bei niedrigen Preisen ihren Viehbestand verringern. Zum Teil blieb nur Hausschlachtung übrig. Während großer Mäusefraß schon die Getreideernte und den Kartoffelertrag schmälerte, wurde die Herbstsaat fast ganz aufgefressen. Alle Gegenmaßnahmen, Mäusefang und Giftlegen, konnten keine Abhilfe schaffen. Erst der folgende, sehr kalte Winter bewirkte, dass im nächsten Jahr fast keine Feldmaus angetroffen wurde. So konnte 1843 eine gute und reiche Heuernte eingefahren werden. Doch zunächst stiegen die Preise für das Fuder Stroh wieder auf über 30 Gulden, für einen Scheffel Korn auf zehn Gulden, bei Hafer auf acht Gulden und auf eine Simri Kartoffeln auf 26 bis 30 Kreuzer.