Gemüse, Obst oder Hülsenfrüchte gehören laut einem Experten aus München zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung und sollten entsprechend gefördert werden. Foto: Imago Images/Joerg Boethling

Klimaschutz ist in aller Munde. Gleichzeitig lässt es Deutschland im Jahr 65 Milliarden Euro kosten, Klimaschädliches zu subventionieren. Zum Beispiel den Flug- und Autoverkehr sowie tierische Lebensmittel.

Etwas flapsig könnte man sagen: Würden alle umwelt- und klimaschädlichen Subventionen in Deutschland gestrichen, wäre die Regierung alle ihre Geldsorgen los – 65 Milliarden Euro im Jahr stünden laut dem Umweltbundesamt zur Verfügung. Ein großer Brocken (25 Milliarden Euro) betrifft Teile der Industrie, die von günstigeren Strompreisen profitiert. Auf den Verkehr entfallen 30 Milliarden Euro. Die Steuerrückerstattung für Agrardiesel beträgt dagegen nur 467 Millionen Euro. Wir nehmen im Folgenden einige Subventionen genauer unter die Lupe. 

 

Der Flugverkehr

Airlines müssen für das Flugkerosin keine Energiesteuer bezahlen, zudem erhebt Deutschland bei internationalen Flügen keine Mehrwertsteuer. Laut dem Umweltbundesamt brächte eine Steuer rund acht Milliarden Euro an jährlichen Einnahmen, die Einführung der Mehrwertsteuer rund vier Milliarden Euro.

Zehn klimaschädliche Subventionen auf einen Blick – und welches Potenzial fürs Klima ihre Streichung laut Greenpeace bergen würde. Foto: Grafik Björn Locke

Allerdings: Bei beidem wird sich nichts ändern. Denn sie beruhen auf internationalen Abkommen, die nicht kurzfristig aufgekündigt werden können. Bei der Energiesteuer dürfte nur bei nationalen Flügen eine Ausnahme gemacht werden sowie für das Kerosin, das bei internationalen Flügen auf deutschem Boden getankt wird.

Kurzzeitig hatte die Regierung Ende 2023 tatsächlich erwogen, mit einer nationalen Kerosinsteuer einen Teil des Haushaltsloches zu stopfen. Doch davon lässt sie jetzt die Finger, weil sonst Airlines Zwischenstopps ins Ausland verlagern und die Drehkreuze Frankfurt und München geschwächt würden.

Stattdessen wird zum 1. Mai die schon seit 2011 bestehende Luftverkehrssteuer um etwa ein Fünftel erhöht. Je nach Flugdistanz beträgt sie dann 15,53 bis 70,83 Euro je Fluggast. Damit nimmt die Regierung künftig bis zu 580 Millionen Euro jährlich ein. Jost Lammers, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, ist höchst unzufrieden: „Schon heute ist die Belastung des Luftverkehrs mit staatlichen Standortkosten in Deutschland im europäischen Vergleich mit Abstand am höchsten.“

Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht umgekehrt keine positive Auswirkung der erhöhten Steuer aufs Klima: „Bei einem Flug nach Australien macht das zehn Euro aus, das ist nichts.“ Der VCD fordert eine Kerosinsteuer auf EU-Ebene oder global. Bisher passiert wenig bis nichts.

Der Autoverkehr

Bis 2045 soll Deutschland emissionsneutral sein. Dabei verfehlt kein Bereich die CO2-Einsparungen so klar wie der Verkehrssektor. Das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat soll zum Umstieg auf Bus und Bahn motivieren, doch der Staat belohnt auch Autofahren weiterhin. Laut Umweltbundesamt fließen im Jahr 8,2 Milliarden Euro in steuervergünstigten Diesel-Kraftstoff, rund sechs Milliarden Euro in die Entfernungspauschale und mindestens 3,1 Milliarden Euro ins Dienstwagen-Privileg (Greenpeace: 4,4 Milliarden Euro).

Beispiel Entfernungspauschale: Für den einfachen Weg von daheim zur Arbeit gibt es je Kilometer 30 Cent, seit 2024 ab dem 21. Kilometer sogar 38 Cent – als Ausgleich für den CO2-Preis. Obschon die Pauschale für alle Verkehrsmittel gilt, fragen sie laut der Denkfabrik Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zu 80 Prozent Autopendler nach.

Die Pauschale wurde 1957 eingeführt, um die Zahl der Autos zu erhöhen, erklärt der Mobilitätsforscher Professor Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Das ersatzlose Streichen ist dringend geboten.“ Wegen des Klimas, und weil sie unsozial sei. „Menschen mit geringerem Einkommen haben von der Entfernungspauschale gar nichts.“ Mit dem Geld lasse sich Sinnvolleres machen.

Das Deutschlandticket überzeugt den Mobilitätsexperten in der aktuellen Form nicht. Die Zahl der Neukunden liege deutlich unter einer Million. Für 29 Euro, Fernverkehr sowie Taxikosten für die letzte Meile einbezogen, würden 20 bis 30 Millionen Menschen das Ticket kaufen, sagt er. Kapazitäten seien da, anders als oft suggeriert werde, laufe der ÖPNV in der Gesamtbetrachtung zu zwei Dritteln leer. Ein solches 29-Euro-Ticket würde laut Knie sieben bis zehn Milliarden Euro zusätzlich kosten. Geld, das bei einer Streichung der Vergünstigungen für Diesel zur Verfügung stände.

Tierische Produkte

Beim Kauf von Milch oder Joghurt bezahlt man sieben Prozent Mehrwertsteuer, bei Haferdrink und Sojajoghurt 19 Prozent. Für Tofu oder ein Schweineschnitzel gelten sieben Prozent, für ein veganes Schnitzel aber 19 Prozent.

Überblick verloren? Das wäre nachvollziehbar, denn die seit 1968 geltende Mehrwertsteuer ist komplex. Generell gilt auf Grundnahrungsmittel die ermäßigte Steuer von sieben Prozent, auf alles andere 19 Prozent. Fleisch, Eier, Käse oder Milch zählen zu den Grundnahrungsmitteln. Veganer Aufschnitt oder Haferdrink aber nicht. Laut den Zahlen des Umweltbundesamts fließen jährlich 5,2 Milliarden Euro in die Steuervergünstigung von tierischen Produkten.

Kritik von Ernährungsexperten am System

„Das ist nicht nachvollziehbar“, sagt Jan Frank, Professor für Biofunktionalität der Lebensmittel an der Uni Hohenheim. „Da Fleisch nicht täglich verzehrt werden sollte, wäre ein höherer Mehrwertsteuersatz gerechtfertigt.“ Bei Eiern, Milch oder Käse sei die niedrigere Besteuerung gerechtfertigt. Zugleich wäre er bei veganen Ersatzprodukten zumindest persönlich ebenfalls dafür.

Peter von Philipsborn, Mediziner und Leiter der Nachwuchsgruppe Planetary Health Nutrition an der Uni München, findet die Situation paradox: „Sinnvoll wäre es, wenn Lebensmittel, welche die Grundlage einer ausgewogenen, gesunden und nachhaltigen Ernährung bilden, als Grundnahrungsmittel nicht oder nur gering besteuert würden.“ Dazu zähle Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse und Samen. Tierische Lebensmittel würden in Deutschland im Schnitt deutlich mehr gegessen werden als gut für Mensch und Umwelt sei – insbesondere Fleisch. „Der CO2-Fußabdruck von Hafer- und Sojamilch beträgt im Durchschnitt nur ein Drittel des Betrags von Kuhmilch.“

Der Ernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) betont, dass es ihm „ein großes Anliegen“, sei, pflanzliche Alternativen zu stärken. Ein Gesetz müsse aber das FDP-geführte Finanzministerium erarbeiten.